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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.

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prompten Bedienung, zufällig etwas lange ausblieb, -- "une
petite seconde, et vous l'aurez"
sagte der Garcon. Man
kann nicht mehr verlangen.

Die schönsten natürlichen Eßstillleben wird er im Palais
royal zu beobachten und zu genießen Gelegenheit haben. In
dieser Beziehung übertrifft das Palais royal allerdings den
Markusplatz in Venedig. Aber da sieht man eben das Meer! --
Ist der reisende Eßkünstler zugleich ein Gelehrter, so wird er
wohl oft im sogenannten Lateinischen Viertel zu essen sich ver-
müssigt sehen. Hier wird er dem höflich-groben: Pain a dis-
cretion!
auf den Speisekarten begegnen und sich darnach achten!
Genau wird er merken, welche einzelnen Speisen er gehabt, da
er diese, bei'm Bezahlen, der am Ein- resp. Ausgang sitzenden
Dame du comptoir namhaft zu machen hat. Ist ihm etwas
entfallen, und er weiß es nicht zu benennen, so wird er die Ent-
deckung zu machen Gelegenheit haben, daß er etwas einfältig
dasteht. Schon deßhalb wird er die Nothwendigkeit einsehen,
sich mit der culinarischen Terminologie vertraut zu machen,
außerdem könnte es ihm auch widerfahren, daß er eine pompös
klingende sesquipedale Speise verlangt und z. B. geröstete Kar-
toffeln erhält. Er wird manche lehrreiche Erfahrung machen,
z. B. die. Ein wandelnder Pastetenverkäufer ruft auf der
Straße seine delikate Waare aus. Lieblich lockender Dampf
steigt von den allerliebst zierlichen Pastetchen auf. Der Eßjün-
ger läßt sich verlocken, und findet bis zur Ungenießbarkeit Alt-
gebackenes. Der Verkäufer ist verschwunden. Der Dampf kam
von einer betrüglichen Vorrichtung unter dem Brete, auf dem
die Pastetchen lagen.

Dergleichen wäre noch viel zu berichten; doch ist die Stunde
zu Ende.

Adressen von Pariser Restaurateurs, wo man sich ausge-
zeichnet gut restauriren kann, findet man leicht. Da ich aber
schon zur Zeit der Restauration in Paris war, sind wohl die

prompten Bedienung, zufaͤllig etwas lange ausblieb, — „une
petite seconde, et vous l’aurez“
ſagte der Garçon. Man
kann nicht mehr verlangen.

Die ſchoͤnſten natuͤrlichen Eßſtillleben wird er im Palais
royal zu beobachten und zu genießen Gelegenheit haben. In
dieſer Beziehung uͤbertrifft das Palais royal allerdings den
Markusplatz in Venedig. Aber da ſieht man eben das Meer! —
Iſt der reiſende Eßkuͤnſtler zugleich ein Gelehrter, ſo wird er
wohl oft im ſogenannten Lateiniſchen Viertel zu eſſen ſich ver-
muͤſſigt ſehen. Hier wird er dem hoͤflich-groben: Pain à dis-
crétion!
auf den Speiſekarten begegnen und ſich darnach achten!
Genau wird er merken, welche einzelnen Speiſen er gehabt, da
er dieſe, bei’m Bezahlen, der am Ein- reſp. Ausgang ſitzenden
Dame du comptoir namhaft zu machen hat. Iſt ihm etwas
entfallen, und er weiß es nicht zu benennen, ſo wird er die Ent-
deckung zu machen Gelegenheit haben, daß er etwas einfaͤltig
daſteht. Schon deßhalb wird er die Nothwendigkeit einſehen,
ſich mit der culinariſchen Terminologie vertraut zu machen,
außerdem koͤnnte es ihm auch widerfahren, daß er eine pompoͤs
klingende ſesquipedale Speiſe verlangt und z. B. geroͤſtete Kar-
toffeln erhaͤlt. Er wird manche lehrreiche Erfahrung machen,
z. B. die. Ein wandelnder Paſtetenverkaͤufer ruft auf der
Straße ſeine delikate Waare aus. Lieblich lockender Dampf
ſteigt von den allerliebſt zierlichen Paſtetchen auf. Der Eßjuͤn-
ger laͤßt ſich verlocken, und findet bis zur Ungenießbarkeit Alt-
gebackenes. Der Verkaͤufer iſt verſchwunden. Der Dampf kam
von einer betruͤglichen Vorrichtung unter dem Brete, auf dem
die Paſtetchen lagen.

Dergleichen waͤre noch viel zu berichten; doch iſt die Stunde
zu Ende.

Adreſſen von Pariſer Reſtaurateurs, wo man ſich ausge-
zeichnet gut reſtauriren kann, findet man leicht. Da ich aber
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[189/0203] prompten Bedienung, zufaͤllig etwas lange ausblieb, — „une petite seconde, et vous l’aurez“ ſagte der Garçon. Man kann nicht mehr verlangen. Die ſchoͤnſten natuͤrlichen Eßſtillleben wird er im Palais royal zu beobachten und zu genießen Gelegenheit haben. In dieſer Beziehung uͤbertrifft das Palais royal allerdings den Markusplatz in Venedig. Aber da ſieht man eben das Meer! — Iſt der reiſende Eßkuͤnſtler zugleich ein Gelehrter, ſo wird er wohl oft im ſogenannten Lateiniſchen Viertel zu eſſen ſich ver- muͤſſigt ſehen. Hier wird er dem hoͤflich-groben: Pain à dis- crétion! auf den Speiſekarten begegnen und ſich darnach achten! Genau wird er merken, welche einzelnen Speiſen er gehabt, da er dieſe, bei’m Bezahlen, der am Ein- reſp. Ausgang ſitzenden Dame du comptoir namhaft zu machen hat. Iſt ihm etwas entfallen, und er weiß es nicht zu benennen, ſo wird er die Ent- deckung zu machen Gelegenheit haben, daß er etwas einfaͤltig daſteht. Schon deßhalb wird er die Nothwendigkeit einſehen, ſich mit der culinariſchen Terminologie vertraut zu machen, außerdem koͤnnte es ihm auch widerfahren, daß er eine pompoͤs klingende ſesquipedale Speiſe verlangt und z. B. geroͤſtete Kar- toffeln erhaͤlt. Er wird manche lehrreiche Erfahrung machen, z. B. die. Ein wandelnder Paſtetenverkaͤufer ruft auf der Straße ſeine delikate Waare aus. Lieblich lockender Dampf ſteigt von den allerliebſt zierlichen Paſtetchen auf. Der Eßjuͤn- ger laͤßt ſich verlocken, und findet bis zur Ungenießbarkeit Alt- gebackenes. Der Verkaͤufer iſt verſchwunden. Der Dampf kam von einer betruͤglichen Vorrichtung unter dem Brete, auf dem die Paſtetchen lagen. Dergleichen waͤre noch viel zu berichten; doch iſt die Stunde zu Ende. Adreſſen von Pariſer Reſtaurateurs, wo man ſich ausge- zeichnet gut reſtauriren kann, findet man leicht. Da ich aber ſchon zur Zeit der Reſtauration in Paris war, ſind wohl die

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Zitationshilfe: Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/203>, abgerufen am 21.11.2024.