Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.Piano sanft verhallt, wie etwa die Ouvertüre zum Don Juan, Damit glaube ich nun zugleich mit hinlänglicher Besetzung Bei einem überladenen Gastmahl hat man ein ähnliches Im Einzelnen möchte unter Anderm noch zu erinnern sein, Piano ſanft verhallt, wie etwa die Ouvertuͤre zum Don Juan, Damit glaube ich nun zugleich mit hinlaͤnglicher Beſetzung Bei einem uͤberladenen Gaſtmahl hat man ein aͤhnliches Im Einzelnen moͤchte unter Anderm noch zu erinnern ſein, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0227" n="213"/> Piano ſanft verhallt, wie etwa die Ouvertuͤre zum <hi rendition="#g">Don Juan</hi>,<lb/> welche (ſie geht aus <hi rendition="#aq">D- dur</hi>) mit dem Accord:<lb/><figure/> eigentlich auch nicht abſchließt, ſo wenig wie das Gaſtmahl;<lb/> denn nun faͤngt ja erſt das Trinken an.</p><lb/> <p>Damit glaube ich nun zugleich mit hinlaͤnglicher Beſetzung<lb/> alle uͤberladene Inſtrumentirung ausgeſchloſſen zu haben. In<lb/> der That beſteht die Vortrefflichkeit eines Gaſtmahles durchaus<lb/> nicht in der Menge und Vielheit der Gerichte, ſondern in der<lb/> inneren Guͤte und gelungenen Zurichtung, in der harmoniſchen<lb/> Zuſammenſtimmung des Vor- oder Aufgetragnen, in deſſen<lb/> zweckmaͤßiger Folge, in dem geſchmackvollen uͤberall ſchoͤnen<lb/><hi rendition="#aq">Tout ensemble,</hi> bei welchem jede einzelne Stimme noch deutlich<lb/> gehoͤrt und erkannt werden kann, und — was nicht zu ver-<lb/> geſſen! — in der heiteren freien Tonart, aus der Alles geht.</p><lb/> <p>Bei einem uͤberladenen Gaſtmahl hat man ein aͤhnliches<lb/> Gefuͤhl, als in einem ſchnell ſegelnden Schiff, wo man Baͤume,<lb/> Haͤuſer und Berge am Ufer verſchwimmend und ſchwindlich<lb/> vor ſich voruͤberlaufen ſieht, und man geht davon wie aus einer<lb/> großen Bildergallerie, wo man vor lauter Wald keinen Baum<lb/> geſehen, — oder von einer Tuͤrtiſchen Muſik mit gellenden<lb/> Ohren, die gleichwohl nichts gehoͤrt haben. Das Urtheil wird<lb/> verwirrt und getruͤbt, ſtatt gelaͤutert und gebildet, und ſtatt<lb/> eines ruhigen, klaren, beſtimmten und bewußten Genuſſes hat<lb/> man nichts gewonnen, als ein unbehagliches Gefuͤhl dumpfer<lb/> Betaͤubung und chaotiſchen Drucks.</p><lb/> <p>Im Einzelnen moͤchte unter Anderm noch zu erinnern ſein,<lb/> daß man eigentliche Leckerbiſſen (beſonders kleinere) am paſſendſten<lb/> gegen Ende des Mahles auftraͤgt, u. daß ſolche eminente Biſſen<lb/> in der Regel keine Gegenſaͤtze dulden, ſondern in abſoluter<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [213/0227]
Piano ſanft verhallt, wie etwa die Ouvertuͤre zum Don Juan,
welche (ſie geht aus D- dur) mit dem Accord:
[Abbildung]
eigentlich auch nicht abſchließt, ſo wenig wie das Gaſtmahl;
denn nun faͤngt ja erſt das Trinken an.
Damit glaube ich nun zugleich mit hinlaͤnglicher Beſetzung
alle uͤberladene Inſtrumentirung ausgeſchloſſen zu haben. In
der That beſteht die Vortrefflichkeit eines Gaſtmahles durchaus
nicht in der Menge und Vielheit der Gerichte, ſondern in der
inneren Guͤte und gelungenen Zurichtung, in der harmoniſchen
Zuſammenſtimmung des Vor- oder Aufgetragnen, in deſſen
zweckmaͤßiger Folge, in dem geſchmackvollen uͤberall ſchoͤnen
Tout ensemble, bei welchem jede einzelne Stimme noch deutlich
gehoͤrt und erkannt werden kann, und — was nicht zu ver-
geſſen! — in der heiteren freien Tonart, aus der Alles geht.
Bei einem uͤberladenen Gaſtmahl hat man ein aͤhnliches
Gefuͤhl, als in einem ſchnell ſegelnden Schiff, wo man Baͤume,
Haͤuſer und Berge am Ufer verſchwimmend und ſchwindlich
vor ſich voruͤberlaufen ſieht, und man geht davon wie aus einer
großen Bildergallerie, wo man vor lauter Wald keinen Baum
geſehen, — oder von einer Tuͤrtiſchen Muſik mit gellenden
Ohren, die gleichwohl nichts gehoͤrt haben. Das Urtheil wird
verwirrt und getruͤbt, ſtatt gelaͤutert und gebildet, und ſtatt
eines ruhigen, klaren, beſtimmten und bewußten Genuſſes hat
man nichts gewonnen, als ein unbehagliches Gefuͤhl dumpfer
Betaͤubung und chaotiſchen Drucks.
Im Einzelnen moͤchte unter Anderm noch zu erinnern ſein,
daß man eigentliche Leckerbiſſen (beſonders kleinere) am paſſendſten
gegen Ende des Mahles auftraͤgt, u. daß ſolche eminente Biſſen
in der Regel keine Gegenſaͤtze dulden, ſondern in abſoluter
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