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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.

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Reinheit und Einheit geschmeckt sein wollen. Es ist die Frage,
ob nicht manche derselben vorzüglich deßhalb dafür gelten, weil
sie von so zartem, schwer zu ermittelndem Geschmack sind, daß
sie der ergänzenden Kraft, der Phantasie des Genießenden so
viel überlassen? --

Ob dieselbe Speise, wenn auch noch so verschieden zuge-
gerichtet, bei demselben Gastmahl wiederholt werden dürfe oder
nicht, -- darüber scheinen die Stimmen getheilt zu sein, wie
ich aus den Mustern von Tafelbesetzung in mehreren Koch-
büchern entnehme. Ich finde es unräthlich, und höchstens
beliebiger Auswahl wegen zulässig. So wird auch ein denkender
Componist z. B. in einem Flötenconzert, außer der obligaten
Flöte, keine andere Flötenstimme setzen, eben um jene dadurch
bestimmter hervortreten zu lassen. Doch gehört diese Frage zu
den Controversen. Eine andere dergleichen, ob und in wie fern
es nämlich passe oder nicht, als Gast für den Tisch des Be-
wirthenden selbst Speisen mitzubringen, findet man in Goethe's
Italiänischer Reise (zweiter Aufenthalt in Rom. October 1787)
besprochen.

Die höheren Eigenschaften des Eßkünstlers sollen mit denen
des Künstlers überhaupt zusammenfallen. In Schorn's
Kunstblatt heist es: Im rechten Künstler unterscheiden wir fol-
gende wesentliche Eigenschaften:

1) Schule, Uebung, Bewußtsein, Technik.
2) Naturliebe, Geschmack, Formensinn, Uebertragen der Na-
tursprache in die seinige.
3) Bildungstrieb, Erfindung, bewußtloses Treffen, In-
spiration, Ausbilden im Unendlichen der Combinationen.

Wer diese Worte, vom Gesichtspunkt der Eßkunst aus,
versteht und begreift, der ist der wahre Eßkünstler, und für
den sind alle weitere Vorlesungen entbehrlich. Und so schließe
sich denn auch diese, nachdem ich den Sinn jener Worte wei-
terem Ueberdenken, Ergründen, Erforschen und Erfahren em-

Reinheit und Einheit geſchmeckt ſein wollen. Es iſt die Frage,
ob nicht manche derſelben vorzuͤglich deßhalb dafuͤr gelten, weil
ſie von ſo zartem, ſchwer zu ermittelndem Geſchmack ſind, daß
ſie der ergaͤnzenden Kraft, der Phantaſie des Genießenden ſo
viel uͤberlaſſen? —

Ob dieſelbe Speiſe, wenn auch noch ſo verſchieden zuge-
gerichtet, bei demſelben Gaſtmahl wiederholt werden duͤrfe oder
nicht, — daruͤber ſcheinen die Stimmen getheilt zu ſein, wie
ich aus den Muſtern von Tafelbeſetzung in mehreren Koch-
buͤchern entnehme. Ich finde es unraͤthlich, und hoͤchſtens
beliebiger Auswahl wegen zulaͤſſig. So wird auch ein denkender
Componiſt z. B. in einem Floͤtenconzert, außer der obligaten
Floͤte, keine andere Floͤtenſtimme ſetzen, eben um jene dadurch
beſtimmter hervortreten zu laſſen. Doch gehoͤrt dieſe Frage zu
den Controverſen. Eine andere dergleichen, ob und in wie fern
es naͤmlich paſſe oder nicht, als Gaſt fuͤr den Tiſch des Be-
wirthenden ſelbſt Speiſen mitzubringen, findet man in Goethe’s
Italiaͤniſcher Reiſe (zweiter Aufenthalt in Rom. October 1787)
beſprochen.

Die hoͤheren Eigenſchaften des Eßkuͤnſtlers ſollen mit denen
des Kuͤnſtlers uͤberhaupt zuſammenfallen. In Schorn’s
Kunſtblatt heiſt es: Im rechten Kuͤnſtler unterſcheiden wir fol-
gende weſentliche Eigenſchaften:

1) Schule, Uebung, Bewußtſein, Technik.
2) Naturliebe, Geſchmack, Formenſinn, Uebertragen der Na-
turſprache in die ſeinige.
3) Bildungstrieb, Erfindung, bewußtloſes Treffen, In-
ſpiration, Ausbilden im Unendlichen der Combinationen.

Wer dieſe Worte, vom Geſichtspunkt der Eßkunſt aus,
verſteht und begreift, der iſt der wahre Eßkuͤnſtler, und fuͤr
den ſind alle weitere Vorleſungen entbehrlich. Und ſo ſchließe
ſich denn auch dieſe, nachdem ich den Sinn jener Worte wei-
terem Ueberdenken, Ergruͤnden, Erforſchen und Erfahren em-

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[214/0228] Reinheit und Einheit geſchmeckt ſein wollen. Es iſt die Frage, ob nicht manche derſelben vorzuͤglich deßhalb dafuͤr gelten, weil ſie von ſo zartem, ſchwer zu ermittelndem Geſchmack ſind, daß ſie der ergaͤnzenden Kraft, der Phantaſie des Genießenden ſo viel uͤberlaſſen? — Ob dieſelbe Speiſe, wenn auch noch ſo verſchieden zuge- gerichtet, bei demſelben Gaſtmahl wiederholt werden duͤrfe oder nicht, — daruͤber ſcheinen die Stimmen getheilt zu ſein, wie ich aus den Muſtern von Tafelbeſetzung in mehreren Koch- buͤchern entnehme. Ich finde es unraͤthlich, und hoͤchſtens beliebiger Auswahl wegen zulaͤſſig. So wird auch ein denkender Componiſt z. B. in einem Floͤtenconzert, außer der obligaten Floͤte, keine andere Floͤtenſtimme ſetzen, eben um jene dadurch beſtimmter hervortreten zu laſſen. Doch gehoͤrt dieſe Frage zu den Controverſen. Eine andere dergleichen, ob und in wie fern es naͤmlich paſſe oder nicht, als Gaſt fuͤr den Tiſch des Be- wirthenden ſelbſt Speiſen mitzubringen, findet man in Goethe’s Italiaͤniſcher Reiſe (zweiter Aufenthalt in Rom. October 1787) beſprochen. Die hoͤheren Eigenſchaften des Eßkuͤnſtlers ſollen mit denen des Kuͤnſtlers uͤberhaupt zuſammenfallen. In Schorn’s Kunſtblatt heiſt es: Im rechten Kuͤnſtler unterſcheiden wir fol- gende weſentliche Eigenſchaften: 1) Schule, Uebung, Bewußtſein, Technik. 2) Naturliebe, Geſchmack, Formenſinn, Uebertragen der Na- turſprache in die ſeinige. 3) Bildungstrieb, Erfindung, bewußtloſes Treffen, In- ſpiration, Ausbilden im Unendlichen der Combinationen. Wer dieſe Worte, vom Geſichtspunkt der Eßkunſt aus, verſteht und begreift, der iſt der wahre Eßkuͤnſtler, und fuͤr den ſind alle weitere Vorleſungen entbehrlich. Und ſo ſchließe ſich denn auch dieſe, nachdem ich den Sinn jener Worte wei- terem Ueberdenken, Ergruͤnden, Erforſchen und Erfahren em-

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Zitationshilfe: Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/228>, abgerufen am 21.11.2024.