Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.den Caffee. -- Welches ungeheure Licht geht einem auf, wenn Indem ich nun zunächst der Suppen zu gedenken habe, Ich nahm einst an einer Berathung über ein zu veranstal- Doch genug über einen ungeliebten Gegenstand. den Caffée. — Welches ungeheure Licht geht einem auf, wenn Indem ich nun zunaͤchſt der Suppen zu gedenken habe, Ich nahm einſt an einer Berathung uͤber ein zu veranſtal- Doch genug uͤber einen ungeliebten Gegenſtand. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0233" n="219"/> den Caff<hi rendition="#aq">é</hi>e. — Welches ungeheure Licht geht einem auf, wenn<lb/> man ſo tiefſinnige Betrachtungen uͤber den Weltinſtinkt lieſt!</p><lb/> <p>Indem ich nun zunaͤchſt der <hi rendition="#g">Suppen</hi> zu gedenken habe,<lb/> will und kann ich nicht verhalten, wie wuͤnſchenswerth aus den<lb/> wichtigſten Gruͤnden ich eine Annaͤherung unſerer Nation an<lb/> die Engliſche Eßweiſe erachte. In Koſthaͤuſern, bei Wirthsta-<lb/> feln, uͤberhaupt beim Zuſammenſtoßen Mehrer und Vieler, na-<lb/> mentlich proteſtantiſcher Menſchen, koͤnnte wohl damit begon-<lb/> nen, und durch gaͤnzliche Verbannung oder doch moͤglichſte<lb/> Beſchraͤnkung des Suppeneſſens und dadurch allein zu erzie-<lb/> lende große kraͤftige Rinder- und andere Braten das Erwuͤnſch-<lb/> teſte erreicht und erfuͤllt werden. Doch iſt die Gewohnheit des<lb/> Suppeneſſens zu feſt gewurzelt, als daß die Erfuͤllung ſolcher<lb/> Hoffnungen irgend wahrſcheinlich waͤre. Fuͤr den Familientiſch<lb/> ſiedet man Rindfleiſch der Bruͤhe wegen, und den Katholiken<lb/> ſtaͤnden ihre Faſttage u. a. entgegen. Moͤchte wenigſtens bei<lb/> eigentlichen hoͤheren Gaſtmaͤhlern auf die uͤber dieſe Angelegen-<lb/> heit bereits mitgetheilten Bemerkungen Ruͤckſicht genommen<lb/> werden.</p><lb/> <p>Ich nahm einſt an einer Berathung uͤber ein zu veranſtal-<lb/> tendes Gaſtmahl Theil. Daß mein Antrag, die Suppe ganz<lb/> wegzulaſſen, trotz einer deßhalb gehaltenen langen und breiten<lb/> Rede, verworfen wurde, war faſt vorauszuſehen; ſchmerzlich er-<lb/> griff es dagegen, als das entgegengeſetzte Amendement einer in<lb/> Burgunder gekochten Sagoſuppe mit großer Stimmenmehrheit<lb/> durchging. Ich prophezeite das Ungluͤcklichſte, was leider ein-<lb/> traf. Obgleich die eifrigſten Wortfuͤhrer dieſer Suppe das Moͤg-<lb/> liche thaten, ſie ſchmackhaft zu finden, aus Rechthaberei ſelbſt<lb/> ſich zwei Mal davon geben ließen, ſo war das Simulirte und<lb/> Erzwungene dabei doch nicht zu verkennen. Andere ſchuͤtzten<lb/> Verſchiedenes vor, warum ſie nicht viel davon eſſen wollten;<lb/> Einige aber ſagten geradezu: ſie faͤnden keinen Geſchmack daran.</p><lb/> <p>Doch genug uͤber einen ungeliebten Gegenſtand.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [219/0233]
den Caffée. — Welches ungeheure Licht geht einem auf, wenn
man ſo tiefſinnige Betrachtungen uͤber den Weltinſtinkt lieſt!
Indem ich nun zunaͤchſt der Suppen zu gedenken habe,
will und kann ich nicht verhalten, wie wuͤnſchenswerth aus den
wichtigſten Gruͤnden ich eine Annaͤherung unſerer Nation an
die Engliſche Eßweiſe erachte. In Koſthaͤuſern, bei Wirthsta-
feln, uͤberhaupt beim Zuſammenſtoßen Mehrer und Vieler, na-
mentlich proteſtantiſcher Menſchen, koͤnnte wohl damit begon-
nen, und durch gaͤnzliche Verbannung oder doch moͤglichſte
Beſchraͤnkung des Suppeneſſens und dadurch allein zu erzie-
lende große kraͤftige Rinder- und andere Braten das Erwuͤnſch-
teſte erreicht und erfuͤllt werden. Doch iſt die Gewohnheit des
Suppeneſſens zu feſt gewurzelt, als daß die Erfuͤllung ſolcher
Hoffnungen irgend wahrſcheinlich waͤre. Fuͤr den Familientiſch
ſiedet man Rindfleiſch der Bruͤhe wegen, und den Katholiken
ſtaͤnden ihre Faſttage u. a. entgegen. Moͤchte wenigſtens bei
eigentlichen hoͤheren Gaſtmaͤhlern auf die uͤber dieſe Angelegen-
heit bereits mitgetheilten Bemerkungen Ruͤckſicht genommen
werden.
Ich nahm einſt an einer Berathung uͤber ein zu veranſtal-
tendes Gaſtmahl Theil. Daß mein Antrag, die Suppe ganz
wegzulaſſen, trotz einer deßhalb gehaltenen langen und breiten
Rede, verworfen wurde, war faſt vorauszuſehen; ſchmerzlich er-
griff es dagegen, als das entgegengeſetzte Amendement einer in
Burgunder gekochten Sagoſuppe mit großer Stimmenmehrheit
durchging. Ich prophezeite das Ungluͤcklichſte, was leider ein-
traf. Obgleich die eifrigſten Wortfuͤhrer dieſer Suppe das Moͤg-
liche thaten, ſie ſchmackhaft zu finden, aus Rechthaberei ſelbſt
ſich zwei Mal davon geben ließen, ſo war das Simulirte und
Erzwungene dabei doch nicht zu verkennen. Andere ſchuͤtzten
Verſchiedenes vor, warum ſie nicht viel davon eſſen wollten;
Einige aber ſagten geradezu: ſie faͤnden keinen Geſchmack daran.
Doch genug uͤber einen ungeliebten Gegenſtand.
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