Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.Aber ich bin ein großer Rindfleischesser, und ich glaube, das Manche zogen Dinge in den Streit, die gar nicht herge- Auch vom patriotischen Gesichtspunkte sollte die Sache Die Trivialen sagten, dieser sei mehr für den Kopf, jenes Die Verehrer der Wahrheit in der Mitte bestritten die Zu- Selbst zwei große Deutsche Dichter wurden gewissermaßen Darin fand der blinde Partei-Eifer auf beiden Seiten Soll ich meine Meinung sagen, so ist das Englische, Aber ich bin ein großer Rindfleiſcheſſer, und ich glaube, das Manche zogen Dinge in den Streit, die gar nicht herge- Auch vom patriotiſchen Geſichtspunkte ſollte die Sache Die Trivialen ſagten, dieſer ſei mehr fuͤr den Kopf, jenes Die Verehrer der Wahrheit in der Mitte beſtritten die Zu- Selbſt zwei große Deutſche Dichter wurden gewiſſermaßen Darin fand der blinde Partei-Eifer auf beiden Seiten Soll ich meine Meinung ſagen, ſo iſt das Engliſche, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0240" n="226"/> Aber ich bin ein großer Rindfleiſcheſſer, und ich glaube, das<lb/> thut meinem Witz Schaden.“</p><lb/> <p>Manche zogen Dinge in den Streit, die gar nicht herge-<lb/> hoͤrten, z. B. daß die Mahlerpinſel aus Schweinsborſten ſeien<lb/> und dergleichen.</p><lb/> <p>Auch vom patriotiſchen Geſichtspunkte ſollte die Sache<lb/> debattirt werden. Die Volkpartei war fuͤr das Rindfleiſch; die<lb/> Ariſtokraten zogen Schweinsbraten vor.</p><lb/> <p>Die Trivialen ſagten, dieſer ſei mehr fuͤr den Kopf, jenes<lb/> fuͤr’s Herz, worunter ſie ihren Magen verſtanden.</p><lb/> <p>Die Verehrer der Wahrheit in der Mitte beſtritten die Zu-<lb/> laͤſſigkeit der Frage uͤberhaupt. Andere dergleichen tadelten und<lb/> lobten bald an dieſem jenes und dieſes, bald an jenem dieſes<lb/> und jenes, — und Leute, welche uͤberhaupt Fleiſchſpeiſen nicht<lb/> vertrugen oder an beſtimmten Tagen weder Rind- noch Schwein-<lb/> fleiſch eſſen durften, behaupteten eifrig, es tauge beides nichts.</p><lb/> <p>Selbſt zwei große Deutſche Dichter wurden gewiſſermaßen<lb/> in die Sache compromitirt. <hi rendition="#g">Schiller</hi> hatte den Pegaſus im<lb/> Joche neben einen Stier geſpannt, ſeinen <hi rendition="#g">Carl Moor</hi> ſich ſel-<lb/> ber mit <hi rendition="#g">Perillus</hi> Ochſen vergleichen laſſen und im <hi rendition="#g">Wilhelm<lb/> Tell</hi> ſogar eine Kuh, „die braune Lieſel“ verewigt. <hi rendition="#g">Goethe</hi><lb/> ſchrieb in ſeiner Campagne in Frankreich woͤrtlich: „Nahe an<lb/> einem großen zweiſchlaͤfrigen Ehebett mit gruͤnem Raſch ſorg-<lb/> faͤltig umſchloſſen, hing das geſchlachtete Schwein, ſo daß die<lb/> Vorhaͤnge einen maleriſchen Hintergrund zu dem erleuchteten<lb/> Koͤrper machten. Es war ein Nachtſtuͤck ohne Gleichen.“</p><lb/> <p>Darin fand der blinde Partei-Eifer auf beiden Seiten<lb/> Patronate, oder, was daſſelbe iſt, glaubte ſie zu finden. Der<lb/> Streit dauerte nichts deſto weniger, oder vielmehr um ſo mehr<lb/> fort, und jede Partei blieb, wie gewoͤhnlich, am Ende bei ihrer<lb/> Meinung.</p><lb/> <p>Soll ich meine Meinung ſagen, ſo iſt das Engliſche,<lb/><hi rendition="#g">Shakeſpeariſch</hi> kraͤftige Vorbild Roaſtbeef eine treffliche, eben<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [226/0240]
Aber ich bin ein großer Rindfleiſcheſſer, und ich glaube, das
thut meinem Witz Schaden.“
Manche zogen Dinge in den Streit, die gar nicht herge-
hoͤrten, z. B. daß die Mahlerpinſel aus Schweinsborſten ſeien
und dergleichen.
Auch vom patriotiſchen Geſichtspunkte ſollte die Sache
debattirt werden. Die Volkpartei war fuͤr das Rindfleiſch; die
Ariſtokraten zogen Schweinsbraten vor.
Die Trivialen ſagten, dieſer ſei mehr fuͤr den Kopf, jenes
fuͤr’s Herz, worunter ſie ihren Magen verſtanden.
Die Verehrer der Wahrheit in der Mitte beſtritten die Zu-
laͤſſigkeit der Frage uͤberhaupt. Andere dergleichen tadelten und
lobten bald an dieſem jenes und dieſes, bald an jenem dieſes
und jenes, — und Leute, welche uͤberhaupt Fleiſchſpeiſen nicht
vertrugen oder an beſtimmten Tagen weder Rind- noch Schwein-
fleiſch eſſen durften, behaupteten eifrig, es tauge beides nichts.
Selbſt zwei große Deutſche Dichter wurden gewiſſermaßen
in die Sache compromitirt. Schiller hatte den Pegaſus im
Joche neben einen Stier geſpannt, ſeinen Carl Moor ſich ſel-
ber mit Perillus Ochſen vergleichen laſſen und im Wilhelm
Tell ſogar eine Kuh, „die braune Lieſel“ verewigt. Goethe
ſchrieb in ſeiner Campagne in Frankreich woͤrtlich: „Nahe an
einem großen zweiſchlaͤfrigen Ehebett mit gruͤnem Raſch ſorg-
faͤltig umſchloſſen, hing das geſchlachtete Schwein, ſo daß die
Vorhaͤnge einen maleriſchen Hintergrund zu dem erleuchteten
Koͤrper machten. Es war ein Nachtſtuͤck ohne Gleichen.“
Darin fand der blinde Partei-Eifer auf beiden Seiten
Patronate, oder, was daſſelbe iſt, glaubte ſie zu finden. Der
Streit dauerte nichts deſto weniger, oder vielmehr um ſo mehr
fort, und jede Partei blieb, wie gewoͤhnlich, am Ende bei ihrer
Meinung.
Soll ich meine Meinung ſagen, ſo iſt das Engliſche,
Shakeſpeariſch kraͤftige Vorbild Roaſtbeef eine treffliche, eben
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