sondern, je nach den verschiedenen Theilen, auch die lieblichste Mannigfaltigkeit der Geschmäcke. In der Gegend von Lyon werden sie mit Wallnüssen gemästet, -- eine herrliche Idee! -- Gestatten es die Umstände, so wird der Eßkünstler wohl thun, von einem gebratenen Truthahn Einiges zu retten, um es am andern Tag, so etwa um 10 Uhr Morgens, zu Bricken und einem guten Glas Wein, kalt zu verspeisen.
Auerhahn und Auerhenne haben bei aller Verschiedenheit doch viel Aehnliches mit ihren oben genannten zahmen Ver- wandten.
Gans und Ente könnte man wohl die Schweine der Vo- gelgeschlechter nennen. Man fehlt häufig darin, daß man sie zu alt consumirt. Sumpf- und Wasservögel stehen übrigens in der Regel, doch nicht ohne bedeutende Ausnahmen, den frisch in freier Luft lebenden an Feinheit nach.
Tauben fliegen im Schlaraffenland bekanntlich gebraten herum und gelten dem Volke als Prototyp des Delicaten. Der höhere Esser stimmt nicht bei. Doch ist der Unterschied erstaun- lich, der zwischen gebratenen Tauben und gebratenen Tauben Statt findet. Doch gehört dieß mehr in's Gebiet der Kochkunst, die, wie ich ausdrücklich nochmals bemerke, füglicher Bratkunst genannt zu werden verdient.
Als einzig in ihrer Art glänzen Schnepfen und Rebhüh- ner. Man vergegenwärtige sich lebhaft die durch sie erlebten Genüsse, und lasse mich schweigen. Doch mag im Allgemeinen ausgesprochen sein, daß alles wilde, in der Freiheit Lebende be- stimmteren Charakter und anregenderen Geschmack hat. So bemerkt schon Avicenna, daß wilde Tauben schmackhafter sind, als Haustauben. --
Soll ich noch anderer Wald- und Feldhühner gedenken, der Wachteln, Rothhühner, Frankolins, Haselhühner, der Fin- ken, Kernbeißer, Ammern (Ortolan), Drosseln, Lerchen u. a.? -- die Nachtigallen kann ich doch kaum über's Herz bringen,
ſondern, je nach den verſchiedenen Theilen, auch die lieblichſte Mannigfaltigkeit der Geſchmaͤcke. In der Gegend von Lyon werden ſie mit Wallnuͤſſen gemaͤſtet, — eine herrliche Idee! — Geſtatten es die Umſtaͤnde, ſo wird der Eßkuͤnſtler wohl thun, von einem gebratenen Truthahn Einiges zu retten, um es am andern Tag, ſo etwa um 10 Uhr Morgens, zu Bricken und einem guten Glas Wein, kalt zu verſpeiſen.
Auerhahn und Auerhenne haben bei aller Verſchiedenheit doch viel Aehnliches mit ihren oben genannten zahmen Ver- wandten.
Gans und Ente koͤnnte man wohl die Schweine der Vo- gelgeſchlechter nennen. Man fehlt haͤufig darin, daß man ſie zu alt conſumirt. Sumpf- und Waſſervoͤgel ſtehen uͤbrigens in der Regel, doch nicht ohne bedeutende Ausnahmen, den friſch in freier Luft lebenden an Feinheit nach.
Tauben fliegen im Schlaraffenland bekanntlich gebraten herum und gelten dem Volke als Prototyp des Delicaten. Der hoͤhere Eſſer ſtimmt nicht bei. Doch iſt der Unterſchied erſtaun- lich, der zwiſchen gebratenen Tauben und gebratenen Tauben Statt findet. Doch gehoͤrt dieß mehr in’s Gebiet der Kochkunſt, die, wie ich ausdruͤcklich nochmals bemerke, fuͤglicher Bratkunſt genannt zu werden verdient.
Als einzig in ihrer Art glaͤnzen Schnepfen und Rebhuͤh- ner. Man vergegenwaͤrtige ſich lebhaft die durch ſie erlebten Genuͤſſe, und laſſe mich ſchweigen. Doch mag im Allgemeinen ausgeſprochen ſein, daß alles wilde, in der Freiheit Lebende be- ſtimmteren Charakter und anregenderen Geſchmack hat. So bemerkt ſchon Avicenna, daß wilde Tauben ſchmackhafter ſind, als Haustauben. —
Soll ich noch anderer Wald- und Feldhuͤhner gedenken, der Wachteln, Rothhuͤhner, Frankolins, Haſelhuͤhner, der Fin- ken, Kernbeißer, Ammern (Ortolan), Droſſeln, Lerchen u. a.? — die Nachtigallen kann ich doch kaum uͤber’s Herz bringen,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0246"n="232"/>ſondern, je nach den verſchiedenen Theilen, auch die lieblichſte<lb/>
Mannigfaltigkeit der Geſchmaͤcke. In der Gegend von Lyon<lb/>
werden ſie mit Wallnuͤſſen gemaͤſtet, — eine herrliche Idee! —<lb/>
Geſtatten es die Umſtaͤnde, ſo wird der Eßkuͤnſtler wohl thun,<lb/>
von einem gebratenen Truthahn Einiges zu retten, um es am<lb/>
andern Tag, ſo etwa um 10 Uhr Morgens, zu Bricken und<lb/>
einem guten Glas Wein, kalt zu verſpeiſen.</p><lb/><p>Auerhahn und Auerhenne haben bei aller Verſchiedenheit<lb/>
doch viel Aehnliches mit ihren oben genannten zahmen Ver-<lb/>
wandten.</p><lb/><p>Gans und Ente koͤnnte man wohl die Schweine der Vo-<lb/>
gelgeſchlechter nennen. Man fehlt haͤufig darin, daß man ſie<lb/>
zu alt conſumirt. Sumpf- und Waſſervoͤgel ſtehen uͤbrigens<lb/>
in der Regel, doch nicht ohne bedeutende Ausnahmen, den friſch<lb/>
in freier Luft lebenden an Feinheit nach.</p><lb/><p>Tauben fliegen im Schlaraffenland bekanntlich gebraten<lb/>
herum und gelten dem Volke als Prototyp des Delicaten. Der<lb/>
hoͤhere Eſſer ſtimmt nicht bei. Doch iſt der Unterſchied erſtaun-<lb/>
lich, der zwiſchen gebratenen Tauben und gebratenen Tauben<lb/>
Statt findet. Doch gehoͤrt dieß mehr in’s Gebiet der Kochkunſt,<lb/>
die, wie ich ausdruͤcklich nochmals bemerke, fuͤglicher Bratkunſt<lb/>
genannt zu werden verdient.</p><lb/><p>Als einzig in ihrer Art glaͤnzen Schnepfen und Rebhuͤh-<lb/>
ner. Man vergegenwaͤrtige ſich lebhaft die durch ſie erlebten<lb/>
Genuͤſſe, und laſſe mich ſchweigen. Doch mag im Allgemeinen<lb/>
ausgeſprochen ſein, daß alles wilde, in der Freiheit Lebende be-<lb/>ſtimmteren Charakter und anregenderen Geſchmack hat. So<lb/>
bemerkt ſchon <hirendition="#g">Avicenna</hi>, daß wilde Tauben ſchmackhafter ſind,<lb/>
als Haustauben. —</p><lb/><p>Soll ich noch anderer Wald- und Feldhuͤhner gedenken,<lb/>
der Wachteln, Rothhuͤhner, Frankolins, Haſelhuͤhner, der Fin-<lb/>
ken, Kernbeißer, Ammern (Ortolan), Droſſeln, Lerchen u. a.?<lb/>— die Nachtigallen kann ich doch kaum uͤber’s Herz bringen,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[232/0246]
ſondern, je nach den verſchiedenen Theilen, auch die lieblichſte
Mannigfaltigkeit der Geſchmaͤcke. In der Gegend von Lyon
werden ſie mit Wallnuͤſſen gemaͤſtet, — eine herrliche Idee! —
Geſtatten es die Umſtaͤnde, ſo wird der Eßkuͤnſtler wohl thun,
von einem gebratenen Truthahn Einiges zu retten, um es am
andern Tag, ſo etwa um 10 Uhr Morgens, zu Bricken und
einem guten Glas Wein, kalt zu verſpeiſen.
Auerhahn und Auerhenne haben bei aller Verſchiedenheit
doch viel Aehnliches mit ihren oben genannten zahmen Ver-
wandten.
Gans und Ente koͤnnte man wohl die Schweine der Vo-
gelgeſchlechter nennen. Man fehlt haͤufig darin, daß man ſie
zu alt conſumirt. Sumpf- und Waſſervoͤgel ſtehen uͤbrigens
in der Regel, doch nicht ohne bedeutende Ausnahmen, den friſch
in freier Luft lebenden an Feinheit nach.
Tauben fliegen im Schlaraffenland bekanntlich gebraten
herum und gelten dem Volke als Prototyp des Delicaten. Der
hoͤhere Eſſer ſtimmt nicht bei. Doch iſt der Unterſchied erſtaun-
lich, der zwiſchen gebratenen Tauben und gebratenen Tauben
Statt findet. Doch gehoͤrt dieß mehr in’s Gebiet der Kochkunſt,
die, wie ich ausdruͤcklich nochmals bemerke, fuͤglicher Bratkunſt
genannt zu werden verdient.
Als einzig in ihrer Art glaͤnzen Schnepfen und Rebhuͤh-
ner. Man vergegenwaͤrtige ſich lebhaft die durch ſie erlebten
Genuͤſſe, und laſſe mich ſchweigen. Doch mag im Allgemeinen
ausgeſprochen ſein, daß alles wilde, in der Freiheit Lebende be-
ſtimmteren Charakter und anregenderen Geſchmack hat. So
bemerkt ſchon Avicenna, daß wilde Tauben ſchmackhafter ſind,
als Haustauben. —
Soll ich noch anderer Wald- und Feldhuͤhner gedenken,
der Wachteln, Rothhuͤhner, Frankolins, Haſelhuͤhner, der Fin-
ken, Kernbeißer, Ammern (Ortolan), Droſſeln, Lerchen u. a.?
— die Nachtigallen kann ich doch kaum uͤber’s Herz bringen,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/246>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.