Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.damit in die heiterst melancholische Stimmung versetzen. So viel vom Trinken des Biers über Tisch! In Rußland und hie und da in Norddeutschland trinkt Bischof, Cardinal, Meth, Punsch, Glühwein, Grog und Hab' ich nun davon gesprochen, was man über Tisch damit in die heiterſt melancholiſche Stimmung verſetzen. So viel vom Trinken des Biers uͤber Tiſch! In Rußland und hie und da in Norddeutſchland trinkt Biſchof, Cardinal, Meth, Punſch, Gluͤhwein, Grog und Hab’ ich nun davon geſprochen, was man uͤber Tiſch <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0265" n="251"/> damit in die heiterſt melancholiſche Stimmung verſetzen.<lb/> Doch hat’s ſeine Seiten, z. B. durch weſſen Leben ſich der<lb/> Schmerz eines unerſetzlichen und unverſchmerzlichen Verluſtes<lb/> zieht, oder wen der aͤtzende und ſtachelnde ſauerteigige Gift-<lb/> tropfen „Ideal“ durchdrungen, dem iſt zwar ein hebendes<lb/> romantiſches Prinzip eingegeben, doch hat ſich derſelbe ſehr zu<lb/> huͤten, nicht zu viel Bier zu trinken.</p><lb/> <p>So viel vom Trinken des Biers uͤber Tiſch!</p><lb/> <p>In Rußland und hie und da in Norddeutſchland trinkt<lb/> man Schnaps uͤber Tiſch. Man nennt es Aquavit, Liqueur,<lb/> Rum, Arak, Tafia, <hi rendition="#aq">Extrait d’absinthe</hi> ꝛc. ꝛc. Der Name<lb/> thut nichts zur Sache. Die Ur- und Grundbedeutung iſt eben<lb/> Schnaps oder Branntwein, wie der Deutſche, der leider immer<lb/> weniger Deutſch zu reden wagt, hier Deutſch ſagt. Dieſer ge-<lb/> ſchmackvernichtende Schnapstrinker verdient in Vorleſungen uͤber<lb/> Eßkunſt gar nicht beſprochen zu werden.</p><lb/> <p>Biſchof, Cardinal, Meth, Punſch, Gluͤhwein, Grog und<lb/> dergleichen haben, bei viel Manierirtem, zu Zeiten doch einiges<lb/> Verdienſt. Ueber Tiſch aber ſind ſie gar nichts. Es wird auch<lb/> niemand einfallen, ſie, ſo wenig wie Limonade, uͤber Tiſch zu<lb/> trinken. Doch hab’ ich es, — zum Gluͤck nur einmal — er-<lb/> leben muͤſſen, ein zweibeiniges Weſen, welches ſich fuͤr einen<lb/> Menſchen ausgab, Zuckerwaſſer uͤber Tiſch trinken zu ſehen.<lb/> Ich uͤberlaſſe es meinen ſehr verehrten Herrn Zuhoͤrern, zu er-<lb/> rathen, wer ohngefaͤhr es geweſen ſein koͤnnte.</p><lb/> <p>Hab’ ich nun davon geſprochen, was man uͤber Tiſch<lb/> nicht trinken ſoll, ſo iſt es billig, poſitiv von dem zu handeln,<lb/> was man trinken ſoll, naͤmlich vom Wein. Es iſt aber ſchwer,<lb/> ruhig und ohne Begeiſterung davon zu reden; unmoͤglich<lb/> Beſſeres hieruͤber zu ſagen, als <hi rendition="#g">Shakeſpeare’s Falſtaff</hi> und<lb/><hi rendition="#g">Tieck’s Eulenboͤck</hi>. Leicht und gleich geſagt iſt aber: man<lb/> ſoll Wein trinken. Welchen denn?</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [251/0265]
damit in die heiterſt melancholiſche Stimmung verſetzen.
Doch hat’s ſeine Seiten, z. B. durch weſſen Leben ſich der
Schmerz eines unerſetzlichen und unverſchmerzlichen Verluſtes
zieht, oder wen der aͤtzende und ſtachelnde ſauerteigige Gift-
tropfen „Ideal“ durchdrungen, dem iſt zwar ein hebendes
romantiſches Prinzip eingegeben, doch hat ſich derſelbe ſehr zu
huͤten, nicht zu viel Bier zu trinken.
So viel vom Trinken des Biers uͤber Tiſch!
In Rußland und hie und da in Norddeutſchland trinkt
man Schnaps uͤber Tiſch. Man nennt es Aquavit, Liqueur,
Rum, Arak, Tafia, Extrait d’absinthe ꝛc. ꝛc. Der Name
thut nichts zur Sache. Die Ur- und Grundbedeutung iſt eben
Schnaps oder Branntwein, wie der Deutſche, der leider immer
weniger Deutſch zu reden wagt, hier Deutſch ſagt. Dieſer ge-
ſchmackvernichtende Schnapstrinker verdient in Vorleſungen uͤber
Eßkunſt gar nicht beſprochen zu werden.
Biſchof, Cardinal, Meth, Punſch, Gluͤhwein, Grog und
dergleichen haben, bei viel Manierirtem, zu Zeiten doch einiges
Verdienſt. Ueber Tiſch aber ſind ſie gar nichts. Es wird auch
niemand einfallen, ſie, ſo wenig wie Limonade, uͤber Tiſch zu
trinken. Doch hab’ ich es, — zum Gluͤck nur einmal — er-
leben muͤſſen, ein zweibeiniges Weſen, welches ſich fuͤr einen
Menſchen ausgab, Zuckerwaſſer uͤber Tiſch trinken zu ſehen.
Ich uͤberlaſſe es meinen ſehr verehrten Herrn Zuhoͤrern, zu er-
rathen, wer ohngefaͤhr es geweſen ſein koͤnnte.
Hab’ ich nun davon geſprochen, was man uͤber Tiſch
nicht trinken ſoll, ſo iſt es billig, poſitiv von dem zu handeln,
was man trinken ſoll, naͤmlich vom Wein. Es iſt aber ſchwer,
ruhig und ohne Begeiſterung davon zu reden; unmoͤglich
Beſſeres hieruͤber zu ſagen, als Shakeſpeare’s Falſtaff und
Tieck’s Eulenboͤck. Leicht und gleich geſagt iſt aber: man
ſoll Wein trinken. Welchen denn?
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