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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.

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nachdem du getrunken, keinen starken Seufzer, um Athem zu
holen."

Manchmal kommt freilich die Natur mit der Kunst in Con-
flict. Im Allgemeinen sagt Zobel und die Schule allerdings
sehr richtig, man solle nicht trinken, während man noch Speise
im Munde habe. Wer aber versucht hat, wie gut es schmeckt,
frische Feigen und Mandeln, oder Nüsse zugleich mit etwas
Cyprier oder Malaga im Munde zu schaukeln, wird wohl durch
möglich kleinste Bißchen und Schlückchen, Lautlosigkeit und
sonstige zierliche Embouchure die Natur mit der Kunst zu ver-
söhnen wissen.

Wichtig für den Genuß bei'm Trinken sind die Trinkge-
geschirre. Es paßt hier buchstäblich und eigentlich, was Goethe
sagt:

"Ueberall trinkt man guten Wein,
Jedes Gefäß genügt dem Zecher;
Doch soll es mit Wonne getrunken sein,
So wünsch' ich mir künstlichen Griechischen Becher."

Ich lasse gleich einen Ausspruch Winckelmann's folgen,
der genau hierher gehört: "Die Farbe trägt zur Schönheit
mit bei, aber sie ist nicht die Schönheit selbst, sondern sie erhebet
dieselbe überhaupt und ihre Formen, so wie der Geschmack des
Weines lieblicher wird durch dessen Farbe in einem durchsichti-
gen Glase, als in der kostbarsten goldnen Schale getrunken."

Wem der Sinn für schöne Formen fehlt, dem wird man
freilich vergebens zu erweisen suchen, daß, aus einem schönen
Glas getrunken, der Wein besser schmeckt. Wie viel aber der
Anblick der Farbe (sei es des funkelnden Purpurs oder des
strahlenden flüssigen Goldes) des Weines zum Wohlgeschmack
beiträgt, kann man jedem zur Evidenz darthun, wenn man ihm
die Augen zubindet und verschiedene Sorten nach einander zu
versuchen giebt, er wird am Ende nicht mehr wissen, je welchen
Wein er eben gekostet. Man trinkt die Farbe auch mit, und der

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nachdem du getrunken, keinen ſtarken Seufzer, um Athem zu
holen.“

Manchmal kommt freilich die Natur mit der Kunſt in Con-
flict. Im Allgemeinen ſagt Zobel und die Schule allerdings
ſehr richtig, man ſolle nicht trinken, waͤhrend man noch Speiſe
im Munde habe. Wer aber verſucht hat, wie gut es ſchmeckt,
friſche Feigen und Mandeln, oder Nuͤſſe zugleich mit etwas
Cyprier oder Malaga im Munde zu ſchaukeln, wird wohl durch
moͤglich kleinſte Bißchen und Schluͤckchen, Lautloſigkeit und
ſonſtige zierliche Embouchure die Natur mit der Kunſt zu ver-
ſoͤhnen wiſſen.

Wichtig fuͤr den Genuß bei’m Trinken ſind die Trinkge-
geſchirre. Es paßt hier buchſtaͤblich und eigentlich, was Goethe
ſagt:

„Ueberall trinkt man guten Wein,
Jedes Gefaͤß genuͤgt dem Zecher;
Doch ſoll es mit Wonne getrunken ſein,
So wuͤnſch’ ich mir kuͤnſtlichen Griechiſchen Becher.“

Ich laſſe gleich einen Ausſpruch Winckelmann’s folgen,
der genau hierher gehoͤrt: „Die Farbe traͤgt zur Schoͤnheit
mit bei, aber ſie iſt nicht die Schoͤnheit ſelbſt, ſondern ſie erhebet
dieſelbe uͤberhaupt und ihre Formen, ſo wie der Geſchmack des
Weines lieblicher wird durch deſſen Farbe in einem durchſichti-
gen Glaſe, als in der koſtbarſten goldnen Schale getrunken.“

Wem der Sinn fuͤr ſchoͤne Formen fehlt, dem wird man
freilich vergebens zu erweiſen ſuchen, daß, aus einem ſchoͤnen
Glas getrunken, der Wein beſſer ſchmeckt. Wie viel aber der
Anblick der Farbe (ſei es des funkelnden Purpurs oder des
ſtrahlenden fluͤſſigen Goldes) des Weines zum Wohlgeſchmack
beitraͤgt, kann man jedem zur Evidenz darthun, wenn man ihm
die Augen zubindet und verſchiedene Sorten nach einander zu
verſuchen giebt, er wird am Ende nicht mehr wiſſen, je welchen
Wein er eben gekoſtet. Man trinkt die Farbe auch mit, und der

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[259/0273] nachdem du getrunken, keinen ſtarken Seufzer, um Athem zu holen.“ Manchmal kommt freilich die Natur mit der Kunſt in Con- flict. Im Allgemeinen ſagt Zobel und die Schule allerdings ſehr richtig, man ſolle nicht trinken, waͤhrend man noch Speiſe im Munde habe. Wer aber verſucht hat, wie gut es ſchmeckt, friſche Feigen und Mandeln, oder Nuͤſſe zugleich mit etwas Cyprier oder Malaga im Munde zu ſchaukeln, wird wohl durch moͤglich kleinſte Bißchen und Schluͤckchen, Lautloſigkeit und ſonſtige zierliche Embouchure die Natur mit der Kunſt zu ver- ſoͤhnen wiſſen. Wichtig fuͤr den Genuß bei’m Trinken ſind die Trinkge- geſchirre. Es paßt hier buchſtaͤblich und eigentlich, was Goethe ſagt: „Ueberall trinkt man guten Wein, Jedes Gefaͤß genuͤgt dem Zecher; Doch ſoll es mit Wonne getrunken ſein, So wuͤnſch’ ich mir kuͤnſtlichen Griechiſchen Becher.“ Ich laſſe gleich einen Ausſpruch Winckelmann’s folgen, der genau hierher gehoͤrt: „Die Farbe traͤgt zur Schoͤnheit mit bei, aber ſie iſt nicht die Schoͤnheit ſelbſt, ſondern ſie erhebet dieſelbe uͤberhaupt und ihre Formen, ſo wie der Geſchmack des Weines lieblicher wird durch deſſen Farbe in einem durchſichti- gen Glaſe, als in der koſtbarſten goldnen Schale getrunken.“ Wem der Sinn fuͤr ſchoͤne Formen fehlt, dem wird man freilich vergebens zu erweiſen ſuchen, daß, aus einem ſchoͤnen Glas getrunken, der Wein beſſer ſchmeckt. Wie viel aber der Anblick der Farbe (ſei es des funkelnden Purpurs oder des ſtrahlenden fluͤſſigen Goldes) des Weines zum Wohlgeſchmack beitraͤgt, kann man jedem zur Evidenz darthun, wenn man ihm die Augen zubindet und verſchiedene Sorten nach einander zu verſuchen giebt, er wird am Ende nicht mehr wiſſen, je welchen Wein er eben gekoſtet. Man trinkt die Farbe auch mit, und der 17*

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Zitationshilfe: Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/273>, abgerufen am 17.05.2024.