Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.Blinde ist deßwegen der unglücklichste Mensch, weil er nicht Die Trinkgläser sollen also von Glas oder Krystall sein. Das goldne Trinkgeschirr, welches Herkules von Neptun Die Trinkgläser sollen aber ferner nicht nur von entspre- Daß man zu verschiedenen Weinsorten verschiedene Gläser Da gegenwärtig die allerdings appetitlichere Sitte herrscht, Es giebt Menschen, welche kaum Wein gesehen und ge- Blinde iſt deßwegen der ungluͤcklichſte Menſch, weil er nicht Die Trinkglaͤſer ſollen alſo von Glas oder Kryſtall ſein. Das goldne Trinkgeſchirr, welches Herkules von Neptun Die Trinkglaͤſer ſollen aber ferner nicht nur von entſpre- Daß man zu verſchiedenen Weinſorten verſchiedene Glaͤſer Da gegenwaͤrtig die allerdings appetitlichere Sitte herrſcht, Es giebt Menſchen, welche kaum Wein geſehen und ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0274" n="260"/> Blinde iſt deßwegen der ungluͤcklichſte Menſch, weil er nicht<lb/> ſieht, was er ißt und trinkt.</p><lb/> <p>Die Trinkglaͤſer ſollen alſo von Glas oder Kryſtall ſein.<lb/> Aber dieſes Glas ſoll farblos ſein. Die, ich weiß nicht warum,<lb/> ſo beliebten gruͤnen Roͤmer wird ein feinſinniger Trinker ab-<lb/> lehnen.</p><lb/> <p>Das goldne Trinkgeſchirr, welches Herkules von Neptun<lb/> erhalten, war offenbar von etwas zu großem Kaliber, da ſich<lb/> Herkules deſſen zugleich ſtatt eines Fahrzeuges auf dem Meere<lb/> bediente. Auch die Pokale des Mittelalters waren noch von<lb/> zu unbequemem Umfang. Es hat etwas Bedenkliches, Be<supplied>droh</supplied>-<lb/> liches, ja faſt Schauderhaftes, wenn man, einen ſolchen Po-<lb/> kal anſetzend, den ungeheuren Wein-Ozean in ſo gefaͤhrlicher<lb/> Naͤhe unmittelbar vor der Naſe fluthen ſieht. Dagegen hat<lb/> die neueſte Zeit ohne Frage in’s entgegengeſetzte Extrem uͤber-<lb/> trieben, und die Weinglaͤſer doch von gar zu winziger Capazi-<lb/> taͤt conſtruirt. Solche eignen ſich hoͤchſtens zum Deſſert.</p><lb/> <p>Die Trinkglaͤſer ſollen aber ferner nicht nur von entſpre-<lb/> chender Groͤße, ſondern auch von anmuthiger Form ſein. Giebt<lb/> es doch nichts Abgeſchmackteres als z. B. ein Henkelglas. Es<lb/> iſt fuͤr einen Mann von Geſchmack peinigend, aus ſolchen ge-<lb/> meinen, rohen, nichts ſagenden Formen trinken zu ſollen.</p><lb/> <p>Daß man zu verſchiedenen Weinſorten verſchiedene Glaͤſer<lb/> giebt, iſt bekannt. Das nicht voll Einſchenken der Glaͤſer<lb/> u. a. dergleichen beruht auf unnachdenklicher Convenienz.</p><lb/> <p>Da gegenwaͤrtig die allerdings appetitlichere Sitte herrſcht,<lb/> jedem Gaſt ein eigenes Glas zu geben und nicht, wie fruͤher,<lb/> aus einem gemeinſchaftlichen Becher getrunken wird, ſo ſind<lb/> Bemerkungen uͤber andere, zum Theil gar nicht verwerfliche<lb/> Gewohnheiten, wie z. B. die, die Lippen an der Stelle des<lb/> Becherrandes anzuſetzen, wo andere geliebte Lippen genippt<lb/> hatten, uͤberfluͤſſig.</p><lb/> <p>Es giebt Menſchen, welche kaum Wein geſehen und ge-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [260/0274]
Blinde iſt deßwegen der ungluͤcklichſte Menſch, weil er nicht
ſieht, was er ißt und trinkt.
Die Trinkglaͤſer ſollen alſo von Glas oder Kryſtall ſein.
Aber dieſes Glas ſoll farblos ſein. Die, ich weiß nicht warum,
ſo beliebten gruͤnen Roͤmer wird ein feinſinniger Trinker ab-
lehnen.
Das goldne Trinkgeſchirr, welches Herkules von Neptun
erhalten, war offenbar von etwas zu großem Kaliber, da ſich
Herkules deſſen zugleich ſtatt eines Fahrzeuges auf dem Meere
bediente. Auch die Pokale des Mittelalters waren noch von
zu unbequemem Umfang. Es hat etwas Bedenkliches, Bedroh-
liches, ja faſt Schauderhaftes, wenn man, einen ſolchen Po-
kal anſetzend, den ungeheuren Wein-Ozean in ſo gefaͤhrlicher
Naͤhe unmittelbar vor der Naſe fluthen ſieht. Dagegen hat
die neueſte Zeit ohne Frage in’s entgegengeſetzte Extrem uͤber-
trieben, und die Weinglaͤſer doch von gar zu winziger Capazi-
taͤt conſtruirt. Solche eignen ſich hoͤchſtens zum Deſſert.
Die Trinkglaͤſer ſollen aber ferner nicht nur von entſpre-
chender Groͤße, ſondern auch von anmuthiger Form ſein. Giebt
es doch nichts Abgeſchmackteres als z. B. ein Henkelglas. Es
iſt fuͤr einen Mann von Geſchmack peinigend, aus ſolchen ge-
meinen, rohen, nichts ſagenden Formen trinken zu ſollen.
Daß man zu verſchiedenen Weinſorten verſchiedene Glaͤſer
giebt, iſt bekannt. Das nicht voll Einſchenken der Glaͤſer
u. a. dergleichen beruht auf unnachdenklicher Convenienz.
Da gegenwaͤrtig die allerdings appetitlichere Sitte herrſcht,
jedem Gaſt ein eigenes Glas zu geben und nicht, wie fruͤher,
aus einem gemeinſchaftlichen Becher getrunken wird, ſo ſind
Bemerkungen uͤber andere, zum Theil gar nicht verwerfliche
Gewohnheiten, wie z. B. die, die Lippen an der Stelle des
Becherrandes anzuſetzen, wo andere geliebte Lippen genippt
hatten, uͤberfluͤſſig.
Es giebt Menſchen, welche kaum Wein geſehen und ge-
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