Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht doch noch besser, wenn man bei erstgenannten Verhält-
nissen eben doch Anderes und mehr hat, als geräucherte kalte
Leberwürste? --

Ich stimme Herrn von Rumohr ganz und gar bei, man
solle alle Tage gut essen; -- aber zu gewissen Zeiten noch besser,
glaube ich.

Wer die sehr schöne und sehr gescheidte Bedeutung des
Sonntags (nicht des tristen Englischen) erwägt, wer da versteht,
was es heißt:

"Tages Arbeit! Abends Gäste!
Saure Wochen! Frohe Feste!"

der wird die Anwendung auf das Thema dieser Vorlesungen
von selbst finden, und wohl ihm, wenn er sie findet!

Sei mir freundlich und herzlich gegrüßt, trauter,
heimischer Heerd des Hauses!

Möge dir Fanatismus, Dummheit, Heuchelei und
Lüge, die nächtlich draußen zischen und schleichen, oder
sich am lichten Tage prostituiren, ferne bleiben!

Mögen fröhliche, aufrichtige, lachende Gesichter,
lustig und rothbackig, dich umkränzen, heiliges Asyl
menschlicher Wohnplätze! Sei gesegnet!

Somit glaube ich auch dem Familientische gebührendes
Recht eingeräumt und zugesprochen zu haben.

Man hat mir ferner ganz fein und von weitem zu ver-
stehen gegeben, ich hätte in diesen Vorlesungen zu oft "ich"
gesagt. -- Berücksichtigt denn aber eine sehr verehrte Ver-
sammlung nicht, wie viele Jahre lang ich schon esse? Sieht
Dieselbe meine wenigen weißen Haare, und meine noch wenigeren
schwarzen Zähne nicht?

Wenn neuere blutjunge Dichter fast von gar nichts Anderem
reden und drucken lassen, als von sich selber, warum soll denn
ein alter Mann, bei einer Angelegenheit, wo es galt, eigene
Erfahrungen und Beobachtungen auszusprechen, nicht auch

nicht doch noch beſſer, wenn man bei erſtgenannten Verhaͤlt-
niſſen eben doch Anderes und mehr hat, als geraͤucherte kalte
Leberwuͤrſte? —

Ich ſtimme Herrn von Rumohr ganz und gar bei, man
ſolle alle Tage gut eſſen; — aber zu gewiſſen Zeiten noch beſſer,
glaube ich.

Wer die ſehr ſchoͤne und ſehr geſcheidte Bedeutung des
Sonntags (nicht des triſten Engliſchen) erwaͤgt, wer da verſteht,
was es heißt:

„Tages Arbeit! Abends Gaͤſte!
Saure Wochen! Frohe Feſte!“

der wird die Anwendung auf das Thema dieſer Vorleſungen
von ſelbſt finden, und wohl ihm, wenn er ſie findet!

Sei mir freundlich und herzlich gegruͤßt, trauter,
heimiſcher Heerd des Hauſes!

Moͤge dir Fanatismus, Dummheit, Heuchelei und
Luͤge, die naͤchtlich draußen ziſchen und ſchleichen, oder
ſich am lichten Tage proſtituiren, ferne bleiben!

Moͤgen froͤhliche, aufrichtige, lachende Geſichter,
luſtig und rothbackig, dich umkraͤnzen, heiliges Aſyl
menſchlicher Wohnplaͤtze! Sei geſegnet!

Somit glaube ich auch dem Familientiſche gebuͤhrendes
Recht eingeraͤumt und zugeſprochen zu haben.

Man hat mir ferner ganz fein und von weitem zu ver-
ſtehen gegeben, ich haͤtte in dieſen Vorleſungen zu oft „ich“
geſagt. — Beruͤckſichtigt denn aber eine ſehr verehrte Ver-
ſammlung nicht, wie viele Jahre lang ich ſchon eſſe? Sieht
Dieſelbe meine wenigen weißen Haare, und meine noch wenigeren
ſchwarzen Zaͤhne nicht?

Wenn neuere blutjunge Dichter faſt von gar nichts Anderem
reden und drucken laſſen, als von ſich ſelber, warum ſoll denn
ein alter Mann, bei einer Angelegenheit, wo es galt, eigene
Erfahrungen und Beobachtungen auszuſprechen, nicht auch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0284" n="270"/>
nicht doch noch be&#x017F;&#x017F;er, wenn man bei er&#x017F;tgenannten Verha&#x0364;lt-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;en eben doch Anderes und mehr hat, als gera&#x0364;ucherte kalte<lb/>
Leberwu&#x0364;r&#x017F;te? &#x2014;</p><lb/>
        <p>Ich &#x017F;timme Herrn <hi rendition="#g">von Rumohr</hi> ganz und gar bei, man<lb/>
&#x017F;olle alle Tage gut e&#x017F;&#x017F;en; &#x2014; aber zu gewi&#x017F;&#x017F;en Zeiten noch be&#x017F;&#x017F;er,<lb/>
glaube ich.</p><lb/>
        <p>Wer die &#x017F;ehr &#x017F;cho&#x0364;ne und &#x017F;ehr ge&#x017F;cheidte Bedeutung des<lb/>
Sonntags (nicht des tri&#x017F;ten Engli&#x017F;chen) erwa&#x0364;gt, wer da ver&#x017F;teht,<lb/>
was es heißt:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x201E;Tages Arbeit! Abends Ga&#x0364;&#x017F;te!</l><lb/>
          <l>Saure Wochen! Frohe Fe&#x017F;te!&#x201C;</l>
        </lg><lb/>
        <p>der wird die Anwendung auf das Thema die&#x017F;er Vorle&#x017F;ungen<lb/>
von &#x017F;elb&#x017F;t finden, und wohl ihm, wenn er &#x017F;ie findet!</p><lb/>
        <p> <hi rendition="#g">Sei mir freundlich und herzlich gegru&#x0364;ßt, trauter,<lb/>
heimi&#x017F;cher Heerd des Hau&#x017F;es!</hi> </p><lb/>
        <p> <hi rendition="#g">Mo&#x0364;ge dir Fanatismus, Dummheit, Heuchelei und<lb/>
Lu&#x0364;ge, die na&#x0364;chtlich draußen zi&#x017F;chen und &#x017F;chleichen, oder<lb/>
&#x017F;ich am lichten Tage pro&#x017F;tituiren, ferne bleiben!</hi> </p><lb/>
        <p> <hi rendition="#g">Mo&#x0364;gen fro&#x0364;hliche, aufrichtige, lachende Ge&#x017F;ichter,<lb/>
lu&#x017F;tig und rothbackig, dich umkra&#x0364;nzen, heiliges A&#x017F;yl<lb/>
men&#x017F;chlicher Wohnpla&#x0364;tze! Sei ge&#x017F;egnet!</hi> </p><lb/>
        <p>Somit glaube ich auch dem Familienti&#x017F;che gebu&#x0364;hrendes<lb/>
Recht eingera&#x0364;umt und zuge&#x017F;prochen zu haben.</p><lb/>
        <p>Man hat mir ferner ganz fein und von weitem zu ver-<lb/>
&#x017F;tehen gegeben, ich ha&#x0364;tte in die&#x017F;en Vorle&#x017F;ungen zu oft &#x201E;ich&#x201C;<lb/>
ge&#x017F;agt. &#x2014; Beru&#x0364;ck&#x017F;ichtigt denn aber eine &#x017F;ehr verehrte Ver-<lb/>
&#x017F;ammlung nicht, wie viele Jahre lang ich &#x017F;chon e&#x017F;&#x017F;e? Sieht<lb/>
Die&#x017F;elbe meine wenigen weißen Haare, und meine noch wenigeren<lb/>
&#x017F;chwarzen Za&#x0364;hne nicht?</p><lb/>
        <p>Wenn neuere blutjunge Dichter fa&#x017F;t von gar nichts Anderem<lb/>
reden und drucken la&#x017F;&#x017F;en, als von &#x017F;ich &#x017F;elber, warum &#x017F;oll denn<lb/>
ein alter Mann, bei einer Angelegenheit, wo es galt, eigene<lb/>
Erfahrungen und Beobachtungen auszu&#x017F;prechen, nicht auch<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[270/0284] nicht doch noch beſſer, wenn man bei erſtgenannten Verhaͤlt- niſſen eben doch Anderes und mehr hat, als geraͤucherte kalte Leberwuͤrſte? — Ich ſtimme Herrn von Rumohr ganz und gar bei, man ſolle alle Tage gut eſſen; — aber zu gewiſſen Zeiten noch beſſer, glaube ich. Wer die ſehr ſchoͤne und ſehr geſcheidte Bedeutung des Sonntags (nicht des triſten Engliſchen) erwaͤgt, wer da verſteht, was es heißt: „Tages Arbeit! Abends Gaͤſte! Saure Wochen! Frohe Feſte!“ der wird die Anwendung auf das Thema dieſer Vorleſungen von ſelbſt finden, und wohl ihm, wenn er ſie findet! Sei mir freundlich und herzlich gegruͤßt, trauter, heimiſcher Heerd des Hauſes! Moͤge dir Fanatismus, Dummheit, Heuchelei und Luͤge, die naͤchtlich draußen ziſchen und ſchleichen, oder ſich am lichten Tage proſtituiren, ferne bleiben! Moͤgen froͤhliche, aufrichtige, lachende Geſichter, luſtig und rothbackig, dich umkraͤnzen, heiliges Aſyl menſchlicher Wohnplaͤtze! Sei geſegnet! Somit glaube ich auch dem Familientiſche gebuͤhrendes Recht eingeraͤumt und zugeſprochen zu haben. Man hat mir ferner ganz fein und von weitem zu ver- ſtehen gegeben, ich haͤtte in dieſen Vorleſungen zu oft „ich“ geſagt. — Beruͤckſichtigt denn aber eine ſehr verehrte Ver- ſammlung nicht, wie viele Jahre lang ich ſchon eſſe? Sieht Dieſelbe meine wenigen weißen Haare, und meine noch wenigeren ſchwarzen Zaͤhne nicht? Wenn neuere blutjunge Dichter faſt von gar nichts Anderem reden und drucken laſſen, als von ſich ſelber, warum ſoll denn ein alter Mann, bei einer Angelegenheit, wo es galt, eigene Erfahrungen und Beobachtungen auszuſprechen, nicht auch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/284
Zitationshilfe: Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/284>, abgerufen am 17.05.2024.