Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.des romantischen Zwielichts, oder nach dem vielfarbigen Könige und Fürsten sendeten ärztliche und theologische Beten, Kasteien, Fasten und hungerige Wallfahrten reißen Was hilft es, daß die Kreuzfahrer Pfirschen, Kirschen, des romantiſchen Zwielichts, oder nach dem vielfarbigen Koͤnige und Fuͤrſten ſendeten aͤrztliche und theologiſche Beten, Kaſteien, Faſten und hungerige Wallfahrten reißen Was hilft es, daß die Kreuzfahrer Pfirſchen, Kirſchen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0050" n="36"/> des romantiſchen Zwielichts, oder nach dem vielfarbigen<lb/><hi rendition="#g">Chateaubriand</hi>: der goldnen Zeit des Mittelalters gedenke<lb/> (denn die Zeit der Voͤlkerwanderungen war keine Eſſenszeit),<lb/> werfe ich noch billig einen Blick auf <hi rendition="#g">Carl den Großen</hi>. Seine<lb/> Mahlzeiten beſtanden gewoͤhnlich aus vier Gerichten, worunter<lb/> Eier mit Wildpret. — Kalbsnieren, Hechtſchwaͤnze, Barben-<lb/> koͤpfe und Gaͤnſehaut galten fuͤr große Leckerbiſſen. Wildpret,<lb/> Rinder, Schweine, Ziegen, Tauben, Faſanen, Enten, Rebhuͤh-<lb/> ner, Gaͤnſe, Fiſche, Obſt, Gemuͤſe, Milch, Butter, Kaͤſe, Eier,<lb/> Mehl, Weineſſig, Honig, Getreide, Hirſe, Senf ꝛc. mußten auf<lb/> ſeinen Guͤtern ſtets reichlich in Vorrath gehalten werden. Aber<lb/> die von der Kirche gebotenen Faſten wurden ſo unſinnig reſpek-<lb/> tirt, daß Fleiſcheſſen an einem Faſttage mit der Todesſtrafe<lb/> bedroht war.</p><lb/> <p>Koͤnige und Fuͤrſten ſendeten aͤrztliche und theologiſche<lb/> Zeugniſſe an den Pabſt ein, und baten unterthaͤnigſt, Fleiſch<lb/> eſſen zu duͤrfen. Auch auf einzelne Speiſen donnerte der Pon-<lb/> tifex herab. Der Pabſt <hi rendition="#g">Zacharias</hi> verbot ſogar Haſenbraten.<lb/> Unter Pabſt <hi rendition="#g">Johann</hi> <hi rendition="#aq">XXII.</hi> ſtritten die Franziskaner daruͤber,<lb/> ob ſie die Suppe, welche ſie aßen, wirklich beſaͤßen, oder die<lb/> bloße Nutznießung davon haͤtten. Da blos drei bis vier davon als<lb/> Ketzer verbrannt, aber weder Throne geſtuͤrzt, noch Laͤnder<lb/> verheert wurden, rechnet es <hi rendition="#g">Voltaire</hi> zu den <hi rendition="#aq">Sottises paisibles.</hi></p><lb/> <p>Beten, Kaſteien, Faſten und hungerige Wallfahrten reißen<lb/> immer mehr ein, und die Bannſtrahlen der Paͤbſte verderben<lb/> vollends alle Eßluſt. Die zarten Troubadours finden Wallfiſch-<lb/> fleiſch gut; doch ergoͤtzen ſie noch — ein Nachklang griechi-<lb/> ſcher Zeit! — durch ſuͤße Liebesgeſaͤnge bei’m Gaſtmahl, bis<lb/> ſie den Vorleſungen ungenießbarer Erbauungsſchriften weichen<lb/> muͤſſen, die ihre Stelle einnehmen.</p><lb/> <p>Was hilft es, daß die Kreuzfahrer Pfirſchen, Kirſchen,<lb/> Pflaumen ꝛc. vom Orient mit zuruͤckbringen? Wer verſteht ſie<lb/> mit Sinn zu eſſen?</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [36/0050]
des romantiſchen Zwielichts, oder nach dem vielfarbigen
Chateaubriand: der goldnen Zeit des Mittelalters gedenke
(denn die Zeit der Voͤlkerwanderungen war keine Eſſenszeit),
werfe ich noch billig einen Blick auf Carl den Großen. Seine
Mahlzeiten beſtanden gewoͤhnlich aus vier Gerichten, worunter
Eier mit Wildpret. — Kalbsnieren, Hechtſchwaͤnze, Barben-
koͤpfe und Gaͤnſehaut galten fuͤr große Leckerbiſſen. Wildpret,
Rinder, Schweine, Ziegen, Tauben, Faſanen, Enten, Rebhuͤh-
ner, Gaͤnſe, Fiſche, Obſt, Gemuͤſe, Milch, Butter, Kaͤſe, Eier,
Mehl, Weineſſig, Honig, Getreide, Hirſe, Senf ꝛc. mußten auf
ſeinen Guͤtern ſtets reichlich in Vorrath gehalten werden. Aber
die von der Kirche gebotenen Faſten wurden ſo unſinnig reſpek-
tirt, daß Fleiſcheſſen an einem Faſttage mit der Todesſtrafe
bedroht war.
Koͤnige und Fuͤrſten ſendeten aͤrztliche und theologiſche
Zeugniſſe an den Pabſt ein, und baten unterthaͤnigſt, Fleiſch
eſſen zu duͤrfen. Auch auf einzelne Speiſen donnerte der Pon-
tifex herab. Der Pabſt Zacharias verbot ſogar Haſenbraten.
Unter Pabſt Johann XXII. ſtritten die Franziskaner daruͤber,
ob ſie die Suppe, welche ſie aßen, wirklich beſaͤßen, oder die
bloße Nutznießung davon haͤtten. Da blos drei bis vier davon als
Ketzer verbrannt, aber weder Throne geſtuͤrzt, noch Laͤnder
verheert wurden, rechnet es Voltaire zu den Sottises paisibles.
Beten, Kaſteien, Faſten und hungerige Wallfahrten reißen
immer mehr ein, und die Bannſtrahlen der Paͤbſte verderben
vollends alle Eßluſt. Die zarten Troubadours finden Wallfiſch-
fleiſch gut; doch ergoͤtzen ſie noch — ein Nachklang griechi-
ſcher Zeit! — durch ſuͤße Liebesgeſaͤnge bei’m Gaſtmahl, bis
ſie den Vorleſungen ungenießbarer Erbauungsſchriften weichen
muͤſſen, die ihre Stelle einnehmen.
Was hilft es, daß die Kreuzfahrer Pfirſchen, Kirſchen,
Pflaumen ꝛc. vom Orient mit zuruͤckbringen? Wer verſteht ſie
mit Sinn zu eſſen?
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