Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.Die Salernitanische Schule macht Verse über das, was Außer dem, wahrscheinlich sehr nöthigen, Händewaschen Ich verkenne nicht, was das Mittelalter Schönes und Strenge Gebote schrieben in dieser romantischen Zeit dem Doch auch diese Zeit ging, zum Leidwesen mancher heuti- Die Salernitaniſche Schule macht Verſe uͤber das, was Außer dem, wahrſcheinlich ſehr noͤthigen, Haͤndewaſchen Ich verkenne nicht, was das Mittelalter Schoͤnes und Strenge Gebote ſchrieben in dieſer romantiſchen Zeit dem Doch auch dieſe Zeit ging, zum Leidweſen mancher heuti- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0051" n="37"/> <p>Die Salernitaniſche Schule macht Verſe uͤber das, was<lb/> geſund, zutraͤglich und gedeihlich zu eſſen ſei; an das mit Ge-<lb/> ſchmack und Sinn Eſſen, an ſchoͤn Eſſen denkt niemand. Miſcht<lb/> ſich was von Kenſt ein, ſo iſt’s auf fratzenhafte Weiſe. Man<lb/> traͤgt Baͤckereien von obſcoͤnen Formen auf und macht plumbe,<lb/> ſchlechte Witze daruͤber Der Hanswurſt ſpringt zur Beluſti-<lb/> gung der Gaͤſte in eine eigens dazu bereitete Paſtete — ein<lb/> Divertiſſement, welches bis in die Zeiten <hi rendition="#g">Shakeſpeare</hi>’s hin-<lb/> aufreicht — und die unſinnigſten Schaugerichte nehmen Platz<lb/> auf der Tafel.</p><lb/> <p>Außer dem, wahrſcheinlich ſehr noͤthigen, Haͤndewaſchen<lb/> vor dem Eſſen findet ſich nichts Griechiſches mehr. (Die Gra-<lb/> zie war faſt, bis zum Schnarchen, eingeſchlafen.) Dieſes Ge-<lb/> brauches wegen hieß der zur Tafel rufende Hoͤrnerſchall das<lb/> Waſſerblaſen.</p><lb/> <p>Ich verkenne nicht, was das Mittelalter Schoͤnes und<lb/> Großes in der Baukunſt z. B. bildete; fuͤr die Eßkunſt aber<lb/> leiſtete es faſt nichts. Mehr geſchah fuͤr das Trinken.</p><lb/> <p>Strenge Gebote ſchrieben in dieſer romantiſchen Zeit dem<lb/> Menſchen vor, was und wie viel ſie eſſen durften. Den Reichen<lb/> waren nur zwei Gerichte und zwei Arten Fleiſch geſtattet.<lb/> Kaufleute und Handwerker durften nur bei einer Mahlzeit<lb/> Fleiſch eſſen, und ſollten ſich bei der andern mit Milch, Butter<lb/> und Gemuͤſe begnuͤgen. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß von<lb/> dieſen Verboten Praͤlaten und Barone ausgenommen waren.<lb/> Dieſe durften eſſen, ſo viel und was ſie wollten.</p><lb/> <p>Doch auch dieſe Zeit ging, zum Leidweſen mancher heuti-<lb/> ger Liebhaber, endlich, wie Alles, zu Ende. Pabſt <hi rendition="#g">Leo</hi> <hi rendition="#aq">X.</hi><lb/> fuͤhrte eine koſtbarere Tafel, als alle ſeine Vorgaͤnger. Einer<lb/> ſeiner Einnehmer, <hi rendition="#g">Auguſtin Chigi</hi>, bewirthete ihn einſtmals<lb/> zugleich mit dem ganzen heiligen Collegium und den fremden<lb/> Geſandten. Bei jedem neuen Gange von Richten wurden die<lb/> gebrauchten Gefaͤße, obgleich durchaus von Silber, in die Tiber<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [37/0051]
Die Salernitaniſche Schule macht Verſe uͤber das, was
geſund, zutraͤglich und gedeihlich zu eſſen ſei; an das mit Ge-
ſchmack und Sinn Eſſen, an ſchoͤn Eſſen denkt niemand. Miſcht
ſich was von Kenſt ein, ſo iſt’s auf fratzenhafte Weiſe. Man
traͤgt Baͤckereien von obſcoͤnen Formen auf und macht plumbe,
ſchlechte Witze daruͤber Der Hanswurſt ſpringt zur Beluſti-
gung der Gaͤſte in eine eigens dazu bereitete Paſtete — ein
Divertiſſement, welches bis in die Zeiten Shakeſpeare’s hin-
aufreicht — und die unſinnigſten Schaugerichte nehmen Platz
auf der Tafel.
Außer dem, wahrſcheinlich ſehr noͤthigen, Haͤndewaſchen
vor dem Eſſen findet ſich nichts Griechiſches mehr. (Die Gra-
zie war faſt, bis zum Schnarchen, eingeſchlafen.) Dieſes Ge-
brauches wegen hieß der zur Tafel rufende Hoͤrnerſchall das
Waſſerblaſen.
Ich verkenne nicht, was das Mittelalter Schoͤnes und
Großes in der Baukunſt z. B. bildete; fuͤr die Eßkunſt aber
leiſtete es faſt nichts. Mehr geſchah fuͤr das Trinken.
Strenge Gebote ſchrieben in dieſer romantiſchen Zeit dem
Menſchen vor, was und wie viel ſie eſſen durften. Den Reichen
waren nur zwei Gerichte und zwei Arten Fleiſch geſtattet.
Kaufleute und Handwerker durften nur bei einer Mahlzeit
Fleiſch eſſen, und ſollten ſich bei der andern mit Milch, Butter
und Gemuͤſe begnuͤgen. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß von
dieſen Verboten Praͤlaten und Barone ausgenommen waren.
Dieſe durften eſſen, ſo viel und was ſie wollten.
Doch auch dieſe Zeit ging, zum Leidweſen mancher heuti-
ger Liebhaber, endlich, wie Alles, zu Ende. Pabſt Leo X.
fuͤhrte eine koſtbarere Tafel, als alle ſeine Vorgaͤnger. Einer
ſeiner Einnehmer, Auguſtin Chigi, bewirthete ihn einſtmals
zugleich mit dem ganzen heiligen Collegium und den fremden
Geſandten. Bei jedem neuen Gange von Richten wurden die
gebrauchten Gefaͤße, obgleich durchaus von Silber, in die Tiber
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