Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.seinen Tisch, und erging sich gesprächsweise gar gern über das Nach den Memoires des berühmten Kochkünstlers Careme, Vor ein paar Jahrtausenden fraß, wie bemerkt, Milo ei- Was folgt daraus und aus Allem? -- Ich denke, zunächst Thu' ich, will ich denn nicht eben dieß? und werden denn ſeinen Tiſch, und erging ſich geſpraͤchsweiſe gar gern uͤber das Nach den Mémoires des beruͤhmten Kochkuͤnſtlers Carème, Vor ein paar Jahrtauſenden fraß, wie bemerkt, Milo ei- Was folgt daraus und aus Allem? — Ich denke, zunaͤchſt Thu’ ich, will ich denn nicht eben dieß? und werden denn <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0054" n="40"/> ſeinen Tiſch, und erging ſich geſpraͤchsweiſe gar gern uͤber das<lb/> Eſſen.</p><lb/> <p>Nach den <hi rendition="#aq">Mémoires</hi> des beruͤhmten Kochkuͤnſtlers <hi rendition="#g">Car<hi rendition="#aq">è</hi>me</hi>,<lb/> welcher den ſehr wahren Satz ausſpricht, daß die Perſonen,<lb/> welche zu eſſen verſtehen, eben ſo ſelten ſeien, wie große Koch-<lb/> kuͤnſtler, war <hi rendition="#g">Napoleon</hi> weder ein Eſſer noch ein Kenner;<lb/> weder <hi rendition="#g">Cambac<hi rendition="#aq">é</hi>r<hi rendition="#aq">è</hi>s</hi> noch <hi rendition="#g">Savarin</hi> verſtanden zu eſſen. Die<lb/> echten Eſſer meiner Zeit, ſagt <hi rendition="#g">Car<hi rendition="#aq">è</hi>me</hi>, waren der Fuͤrſt von<lb/><hi rendition="#g">Talleyrand, Murat, Junot, Fontanes</hi>, der Kaiſer<lb/><hi rendition="#g">Alexander, Georg</hi> <hi rendition="#aq">IV.</hi> und der <hi rendition="#g">Marquis</hi> von <hi rendition="#g">Cuſſy</hi>.</p><lb/> <p>Vor ein paar Jahrtauſenden fraß, wie bemerkt, <hi rendition="#g">Milo</hi> ei-<lb/> nen ganzen Ochſen; — vor ein paar Jahren machte ein Pari-<lb/> ſer Reſtaurateur das Anerbieten, 500 Menſchen mit 2 Sous<lb/> fuͤr jeden taͤglich, zu ernaͤhren, und zwar einzig durch <hi rendition="#g">Daͤmpfe</hi>,<lb/> die ſich aus den Knochen von Fleiſch, Suppen und Braten<lb/> verbreiten. Er behauptet (auf den Erfahrungsſatz geſtuͤtzt,<lb/> daß die meiſten Koͤche wenig eſſen, und doch dick werden), daß<lb/> er acht Tage in dieſen nahrhaften Duͤnſten leben koͤnne, ohne<lb/> etwas zu eſſen.</p><lb/> <p>Was folgt daraus und aus Allem? — Ich denke, zunaͤchſt<lb/> nichts Anderes, als daß es Aufgabe unſerer Zeit ſei, Quanti-<lb/> tatives mit Qualitativem, Formales mit Materialem, das<lb/> Schoͤne mit dem Kraͤftigen, das Strenge mit dem Zarten, das<lb/> Starke mit dem Milden zu verbinden, beides gemeinſam in<lb/> Bewußtſein und Freiheit, natur- und kunſtgemaͤß in Wahr-<lb/> heit und Schoͤnheit wiſſenſchaftlich zu begruͤnden, zu entwik-<lb/> keln, zu verſchmelzen, der Menſchen-Idee lebendig naͤher zu<lb/> bringen, praktiſch zu verwirklichen.</p><lb/> <p>Thu’ ich, will ich denn nicht eben dieß? und werden denn<lb/> die nun immermehr auf’s Eigentliche kommenden und immer<lb/> intereſſanter werdenden Vortraͤge etwas Anderes zum Ziele<lb/> haben?</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </body> </text> </TEI> [40/0054]
ſeinen Tiſch, und erging ſich geſpraͤchsweiſe gar gern uͤber das
Eſſen.
Nach den Mémoires des beruͤhmten Kochkuͤnſtlers Carème,
welcher den ſehr wahren Satz ausſpricht, daß die Perſonen,
welche zu eſſen verſtehen, eben ſo ſelten ſeien, wie große Koch-
kuͤnſtler, war Napoleon weder ein Eſſer noch ein Kenner;
weder Cambacérès noch Savarin verſtanden zu eſſen. Die
echten Eſſer meiner Zeit, ſagt Carème, waren der Fuͤrſt von
Talleyrand, Murat, Junot, Fontanes, der Kaiſer
Alexander, Georg IV. und der Marquis von Cuſſy.
Vor ein paar Jahrtauſenden fraß, wie bemerkt, Milo ei-
nen ganzen Ochſen; — vor ein paar Jahren machte ein Pari-
ſer Reſtaurateur das Anerbieten, 500 Menſchen mit 2 Sous
fuͤr jeden taͤglich, zu ernaͤhren, und zwar einzig durch Daͤmpfe,
die ſich aus den Knochen von Fleiſch, Suppen und Braten
verbreiten. Er behauptet (auf den Erfahrungsſatz geſtuͤtzt,
daß die meiſten Koͤche wenig eſſen, und doch dick werden), daß
er acht Tage in dieſen nahrhaften Duͤnſten leben koͤnne, ohne
etwas zu eſſen.
Was folgt daraus und aus Allem? — Ich denke, zunaͤchſt
nichts Anderes, als daß es Aufgabe unſerer Zeit ſei, Quanti-
tatives mit Qualitativem, Formales mit Materialem, das
Schoͤne mit dem Kraͤftigen, das Strenge mit dem Zarten, das
Starke mit dem Milden zu verbinden, beides gemeinſam in
Bewußtſein und Freiheit, natur- und kunſtgemaͤß in Wahr-
heit und Schoͤnheit wiſſenſchaftlich zu begruͤnden, zu entwik-
keln, zu verſchmelzen, der Menſchen-Idee lebendig naͤher zu
bringen, praktiſch zu verwirklichen.
Thu’ ich, will ich denn nicht eben dieß? und werden denn
die nun immermehr auf’s Eigentliche kommenden und immer
intereſſanter werdenden Vortraͤge etwas Anderes zum Ziele
haben?
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