Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.blos zur bestimmten Jahreszeit. Kirschen, Pflaumen und Bir- Diesen Mangel an soliden Substanzen sucht die Griechische Daß Oel die Stelle der Butter vertritt, will ich um so we- "-- Rind ist rar auf diesen ochsenlosen Inseln. Bockfleisch und Zicklein, Schöps ist üblich dort; Und kommt ein Feiertag einmal, sofort Läßt man ein Stück an rohen Spießen brinseln, Doch dieß geschieht zuweilen nur, höchst selten." Fast eben so sieht es in Constantinopel aus. Von Fleisch 4*
blos zur beſtimmten Jahreszeit. Kirſchen, Pflaumen und Bir- Dieſen Mangel an ſoliden Subſtanzen ſucht die Griechiſche Daß Oel die Stelle der Butter vertritt, will ich um ſo we- „— Rind iſt rar auf dieſen ochſenloſen Inſeln. Bockfleiſch und Zicklein, Schoͤps iſt uͤblich dort; Und kommt ein Feiertag einmal, ſofort Laͤßt man ein Stuͤck an rohen Spießen brinſeln, Doch dieß geſchieht zuweilen nur, hoͤchſt ſelten.“ Faſt eben ſo ſieht es in Conſtantinopel aus. Von Fleiſch 4*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0065" n="51"/> blos zur beſtimmten Jahreszeit. Kirſchen, Pflaumen und Bir-<lb/> nen ſelten; Himbeeren, Johannis- und Stachelbeeren niemals.</p><lb/> <p>Dieſen Mangel an ſoliden Subſtanzen ſucht die Griechiſche<lb/> (und die Tuͤrkiſche) Kochkunſt durch formale Ueberladung,<lb/> Ueberpfefferung und Ueberfettung zu maskiren. Es iſt dieſelbe<lb/> Pauvretaͤt wie bei den Kartoffelmahlzeiten, wo die verſchieden-<lb/> ſten Gerichte eben doch nur aus Kartoffeln beſtehen. So<lb/> kommt Reis ſechsmal verſchieden, bald als Pilau, bald in<lb/> Weinblaͤttern, bald gebacken ꝛc., das Hammelfleiſch bald mit wei-<lb/> ßer, bald mit brauner Tunke, alſo daſſelbe immer wieder unter<lb/> anderer Zurichtung vor, wie die Crescentos <hi rendition="#g">Roſſini’s</hi>. Sel-<lb/> ten ſieht man ein großes derbes Stuͤck auf der Tafel, Alles iſt<lb/> klein zerſtuͤckelt und ſehr weich, weil man meiſtens ohne Meſſer<lb/> und Gabel ißt.</p><lb/> <p>Daß Oel die Stelle der Butter vertritt, will ich um ſo we-<lb/> niger tadeln, als ich ſelbſt z. B. einen in Oel, ſtatt in Schmalz,<lb/> gebackenen Fiſch viel ſchmackhafter finde, wenn nur uͤberhaupt<lb/> nicht Alles ſo fett zubereitet wuͤrde. Doch gehoͤrt das nun ein-<lb/> mal zu jener Ueberkleiſterung. Was Lord <hi rendition="#g">Byron</hi> von Kreta<lb/> ſagt, gilt von ganz Griechenland:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>„— Rind iſt rar auf dieſen ochſenloſen Inſeln.</l><lb/> <l>Bockfleiſch und Zicklein, Schoͤps iſt uͤblich dort;</l><lb/> <l>Und kommt ein Feiertag einmal, ſofort</l><lb/> <l>Laͤßt man ein Stuͤck an rohen Spießen brinſeln,</l><lb/> <l>Doch dieß geſchieht zuweilen nur, hoͤchſt ſelten.“</l> </lg><lb/> <p>Faſt eben ſo ſieht es in Conſtantinopel aus. Von Fleiſch<lb/> ißt man meiſtens Hammel und Lamm, gekocht oder gebraten,<lb/> und zwar ſo weich, daß man es mit den Fingern zerreißen<lb/> kann, da Meſſer und Gabeln ungebraͤuchlich ſind, — wenig<lb/> Wildpret, Voͤgel (namentlich gemaͤſtete junge Kraniche), Fiſche<lb/> und Cruſtazeen; dafuͤr aber Caviar und Kaͤſe. Aus dem Pflan-<lb/> zenreiche: Kuͤrbiſſe, Coloquinten, Malven, Lattich, Orangen,<lb/> Waſſermelonen, Feigen, Weintrauben, Reis, Backwerk, einge-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">4*</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [51/0065]
blos zur beſtimmten Jahreszeit. Kirſchen, Pflaumen und Bir-
nen ſelten; Himbeeren, Johannis- und Stachelbeeren niemals.
Dieſen Mangel an ſoliden Subſtanzen ſucht die Griechiſche
(und die Tuͤrkiſche) Kochkunſt durch formale Ueberladung,
Ueberpfefferung und Ueberfettung zu maskiren. Es iſt dieſelbe
Pauvretaͤt wie bei den Kartoffelmahlzeiten, wo die verſchieden-
ſten Gerichte eben doch nur aus Kartoffeln beſtehen. So
kommt Reis ſechsmal verſchieden, bald als Pilau, bald in
Weinblaͤttern, bald gebacken ꝛc., das Hammelfleiſch bald mit wei-
ßer, bald mit brauner Tunke, alſo daſſelbe immer wieder unter
anderer Zurichtung vor, wie die Crescentos Roſſini’s. Sel-
ten ſieht man ein großes derbes Stuͤck auf der Tafel, Alles iſt
klein zerſtuͤckelt und ſehr weich, weil man meiſtens ohne Meſſer
und Gabel ißt.
Daß Oel die Stelle der Butter vertritt, will ich um ſo we-
niger tadeln, als ich ſelbſt z. B. einen in Oel, ſtatt in Schmalz,
gebackenen Fiſch viel ſchmackhafter finde, wenn nur uͤberhaupt
nicht Alles ſo fett zubereitet wuͤrde. Doch gehoͤrt das nun ein-
mal zu jener Ueberkleiſterung. Was Lord Byron von Kreta
ſagt, gilt von ganz Griechenland:
„— Rind iſt rar auf dieſen ochſenloſen Inſeln.
Bockfleiſch und Zicklein, Schoͤps iſt uͤblich dort;
Und kommt ein Feiertag einmal, ſofort
Laͤßt man ein Stuͤck an rohen Spießen brinſeln,
Doch dieß geſchieht zuweilen nur, hoͤchſt ſelten.“
Faſt eben ſo ſieht es in Conſtantinopel aus. Von Fleiſch
ißt man meiſtens Hammel und Lamm, gekocht oder gebraten,
und zwar ſo weich, daß man es mit den Fingern zerreißen
kann, da Meſſer und Gabeln ungebraͤuchlich ſind, — wenig
Wildpret, Voͤgel (namentlich gemaͤſtete junge Kraniche), Fiſche
und Cruſtazeen; dafuͤr aber Caviar und Kaͤſe. Aus dem Pflan-
zenreiche: Kuͤrbiſſe, Coloquinten, Malven, Lattich, Orangen,
Waſſermelonen, Feigen, Weintrauben, Reis, Backwerk, einge-
4*
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |