Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.mit Wasser gefüllte, Schüssel auf den Tisch, worein die ganze Doch es ist Zeit, im civilisirten Europa zu landen. -- Neapel bietet mehr Ausbeute. Winckelmann äußert sich mit Waſſer gefuͤllte, Schuͤſſel auf den Tiſch, worein die ganze Doch es iſt Zeit, im civiliſirten Europa zu landen. — Neapel bietet mehr Ausbeute. Winckelmann aͤußert ſich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0069" n="55"/> mit Waſſer gefuͤllte, Schuͤſſel auf den Tiſch, worein die ganze<lb/> Geſellſchaft ihre Haͤnde auf einmal ſteckt und waͤſcht. Wenn<lb/> dieß geſchehen, ſpricht ein Diener, der an dem andern Ende des<lb/> Tiſches ſteht, folgendes Gebet: „Hochgelobt und geprieſen ſei das<lb/> allerheiligſte Sacrament des Altars und die klare und reine<lb/> Empfaͤngniß der allerheiligſten Jungfrau, in Gnaden empfan-<lb/> gen von dem erſten Augenblick ihrer natuͤrlichen Exiſtenz. Mei-<lb/> ne Damen und Herrn, wohl bekomme es Ihnen!“ — Hierauf<lb/> macht er einen tiefen Buͤckling, und jeder entfernt ſich, um die<lb/> Sieſte zu halten. Wenn Leute von Stand ein Traktament ge-<lb/> ben, ſo iſt allemal ein Moͤnch dabei, der gewoͤhnlich der Beicht-<lb/> vater des Hauſes iſt. Bei Morgen- und Abendbeſuchen praͤ-<lb/> ſentirt man Chokolade und Backwerk, an Sommerabenden aber<lb/> Gefrornes. Zwiſchen acht und neun Uhr wird die Abendmahlzeit<lb/> gehalten und dann legt man ſich zu Bette.</p><lb/> <p>Doch es iſt Zeit, im civiliſirten Europa zu landen. —<lb/> Was <hi rendition="#g">Goethe</hi> uͤber Sizilien berichtet, ſticht ſtark gegen den alten<lb/> „Sizilianiſchen Luxus“ ab. In der Herberge zu <hi rendition="#g">Caltaniſetta</hi><lb/> war gar keine Gelegenheit zum Kochen. Mit Muͤhe erlangten<lb/> die Reiſenden von einem Buͤrger Herd und Holz, Kuͤchen- und<lb/> Tiſchgeraͤthe. Sie ſelbſt kauften eine Henne und der Vetturino<lb/> holte Reis, Salz und Spezereien. In <hi rendition="#g">Catania</hi> fanden ſie<lb/> zwar eine Henne in Reis gekocht, die aber durch unmaͤßigen<lb/> Safranzuſatz kaum genießbar war. Der Vetturino aß mit groͤß-<lb/> tem Appetit rohe Artiſchocken und Kohlrabi. Doch fand <hi rendition="#g">Goethe</hi><lb/> die Gartenfruͤchte herrlich, beſonders den Salat von Zartheit<lb/> und Geſchmack wie eine Milch, Oel und Wein gut, Fiſche die<lb/> beſten und zarteſten, ſogar bis <hi rendition="#g">Palermo</hi> ſehr gutes Rind-<lb/> fleiſch.</p><lb/> <p>Neapel bietet mehr Ausbeute. <hi rendition="#g">Winckelmann</hi> aͤußert ſich<lb/> mit Entzuͤcken uͤber den zarten Blumenkohl von zwei Spannen<lb/> im Durchmeſſer (ſein Lieblingsgericht) und die koͤſtliche <hi rendition="#aq">Lagri-<lb/> ma Christi,</hi> und es bekam ihm ſehr wohl. Er ſchreibt: das<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [55/0069]
mit Waſſer gefuͤllte, Schuͤſſel auf den Tiſch, worein die ganze
Geſellſchaft ihre Haͤnde auf einmal ſteckt und waͤſcht. Wenn
dieß geſchehen, ſpricht ein Diener, der an dem andern Ende des
Tiſches ſteht, folgendes Gebet: „Hochgelobt und geprieſen ſei das
allerheiligſte Sacrament des Altars und die klare und reine
Empfaͤngniß der allerheiligſten Jungfrau, in Gnaden empfan-
gen von dem erſten Augenblick ihrer natuͤrlichen Exiſtenz. Mei-
ne Damen und Herrn, wohl bekomme es Ihnen!“ — Hierauf
macht er einen tiefen Buͤckling, und jeder entfernt ſich, um die
Sieſte zu halten. Wenn Leute von Stand ein Traktament ge-
ben, ſo iſt allemal ein Moͤnch dabei, der gewoͤhnlich der Beicht-
vater des Hauſes iſt. Bei Morgen- und Abendbeſuchen praͤ-
ſentirt man Chokolade und Backwerk, an Sommerabenden aber
Gefrornes. Zwiſchen acht und neun Uhr wird die Abendmahlzeit
gehalten und dann legt man ſich zu Bette.
Doch es iſt Zeit, im civiliſirten Europa zu landen. —
Was Goethe uͤber Sizilien berichtet, ſticht ſtark gegen den alten
„Sizilianiſchen Luxus“ ab. In der Herberge zu Caltaniſetta
war gar keine Gelegenheit zum Kochen. Mit Muͤhe erlangten
die Reiſenden von einem Buͤrger Herd und Holz, Kuͤchen- und
Tiſchgeraͤthe. Sie ſelbſt kauften eine Henne und der Vetturino
holte Reis, Salz und Spezereien. In Catania fanden ſie
zwar eine Henne in Reis gekocht, die aber durch unmaͤßigen
Safranzuſatz kaum genießbar war. Der Vetturino aß mit groͤß-
tem Appetit rohe Artiſchocken und Kohlrabi. Doch fand Goethe
die Gartenfruͤchte herrlich, beſonders den Salat von Zartheit
und Geſchmack wie eine Milch, Oel und Wein gut, Fiſche die
beſten und zarteſten, ſogar bis Palermo ſehr gutes Rind-
fleiſch.
Neapel bietet mehr Ausbeute. Winckelmann aͤußert ſich
mit Entzuͤcken uͤber den zarten Blumenkohl von zwei Spannen
im Durchmeſſer (ſein Lieblingsgericht) und die koͤſtliche Lagri-
ma Christi, und es bekam ihm ſehr wohl. Er ſchreibt: das
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