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Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838.

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doch nie von der Stelle rückt, und die gebratenen Pfauen und
hochaufgehobenen Pasteten, so wie die halb umgedrehten Mund-
schenken, sind auf allen solchen Darstellungen lästige Krea-
turen." --

Abgesehen nun davon, so beweisen, wie Goethe sagt, die
Sperlinge, welche nach des großen Meisters Kirschen flogen,
nicht, daß diese Früchte vortrefflich gemalt, sondern eben nur,
daß diese Liebhaber Sperlinge waren. -- Ich will nicht darüber
streiten, ob man für den Kopf oder für das sogenannte Herz
malen soll. Denn wie könnte man mit Leuten, die ohne
Kopf streiten, streiten? So viel ist gewiß, daß man nicht für
den Magen malen soll.

Für die Bildhauerkunst eignet sich unser Gegenstand schon
aus dem einfachen Grunde nicht, weil hier die Natur immer
geschmackvoller schafft, als die Kunst vermag. Man muß nicht
Alles malen und bilden wollen.

"Ueber Rosen läßt sich dichten;
In die Aepfel muß man beißen."

Der bloße einem Esser so nahe liegende Gedanke aber, in
solch' harte Nachbildungen einzubeißen, würde mit der störend-
sten Apprehension wirken. Daher sind auch die hölzernen Schin-
ken, Semmeln, Würste und dergleichen so abgeschmackt. So
kann ich denn auch die Schaugerichte nicht billigen, ohne jedoch
den Verdiensten eines Desfreyes, Delorme, Datfoy und An-
derer im geringsten zu nahe treten zu wollen. -- Doch haben die
Prangküchen des alten Nürnberg, wo das zierlich geschlichtete
Brennholz aus schön behobelten und bunt gebeitzten Stücken
bestand, die an beiden Enden mit, immer blank geputztem, Mes-
sing beschlagen waren, etwas gemüthlich Kindliches.

Ein Essender aber, plastisch dargestellt, würde denselben
langweiligen Eindruck machen, wie ein Lachender. Dergleichen
Heiterkeiten, welche blos für den Moment Werth haben, sollten

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doch nie von der Stelle ruͤckt, und die gebratenen Pfauen und
hochaufgehobenen Paſteten, ſo wie die halb umgedrehten Mund-
ſchenken, ſind auf allen ſolchen Darſtellungen laͤſtige Krea-
turen.“ —

Abgeſehen nun davon, ſo beweiſen, wie Goethe ſagt, die
Sperlinge, welche nach des großen Meiſters Kirſchen flogen,
nicht, daß dieſe Fruͤchte vortrefflich gemalt, ſondern eben nur,
daß dieſe Liebhaber Sperlinge waren. — Ich will nicht daruͤber
ſtreiten, ob man fuͤr den Kopf oder fuͤr das ſogenannte Herz
malen ſoll. Denn wie koͤnnte man mit Leuten, die ohne
Kopf ſtreiten, ſtreiten? So viel iſt gewiß, daß man nicht fuͤr
den Magen malen ſoll.

Fuͤr die Bildhauerkunſt eignet ſich unſer Gegenſtand ſchon
aus dem einfachen Grunde nicht, weil hier die Natur immer
geſchmackvoller ſchafft, als die Kunſt vermag. Man muß nicht
Alles malen und bilden wollen.

„Ueber Roſen laͤßt ſich dichten;
In die Aepfel muß man beißen.“

Der bloße einem Eſſer ſo nahe liegende Gedanke aber, in
ſolch’ harte Nachbildungen einzubeißen, wuͤrde mit der ſtoͤrend-
ſten Apprehenſion wirken. Daher ſind auch die hoͤlzernen Schin-
ken, Semmeln, Wuͤrſte und dergleichen ſo abgeſchmackt. So
kann ich denn auch die Schaugerichte nicht billigen, ohne jedoch
den Verdienſten eines Desfreyes, Delorme, Datfoy und An-
derer im geringſten zu nahe treten zu wollen. — Doch haben die
Prangkuͤchen des alten Nuͤrnberg, wo das zierlich geſchlichtete
Brennholz aus ſchoͤn behobelten und bunt gebeitzten Stuͤcken
beſtand, die an beiden Enden mit, immer blank geputztem, Meſ-
ſing beſchlagen waren, etwas gemuͤthlich Kindliches.

Ein Eſſender aber, plaſtiſch dargeſtellt, wuͤrde denſelben
langweiligen Eindruck machen, wie ein Lachender. Dergleichen
Heiterkeiten, welche blos fuͤr den Moment Werth haben, ſollten

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[83/0097] doch nie von der Stelle ruͤckt, und die gebratenen Pfauen und hochaufgehobenen Paſteten, ſo wie die halb umgedrehten Mund- ſchenken, ſind auf allen ſolchen Darſtellungen laͤſtige Krea- turen.“ — Abgeſehen nun davon, ſo beweiſen, wie Goethe ſagt, die Sperlinge, welche nach des großen Meiſters Kirſchen flogen, nicht, daß dieſe Fruͤchte vortrefflich gemalt, ſondern eben nur, daß dieſe Liebhaber Sperlinge waren. — Ich will nicht daruͤber ſtreiten, ob man fuͤr den Kopf oder fuͤr das ſogenannte Herz malen ſoll. Denn wie koͤnnte man mit Leuten, die ohne Kopf ſtreiten, ſtreiten? So viel iſt gewiß, daß man nicht fuͤr den Magen malen ſoll. Fuͤr die Bildhauerkunſt eignet ſich unſer Gegenſtand ſchon aus dem einfachen Grunde nicht, weil hier die Natur immer geſchmackvoller ſchafft, als die Kunſt vermag. Man muß nicht Alles malen und bilden wollen. „Ueber Roſen laͤßt ſich dichten; In die Aepfel muß man beißen.“ Der bloße einem Eſſer ſo nahe liegende Gedanke aber, in ſolch’ harte Nachbildungen einzubeißen, wuͤrde mit der ſtoͤrend- ſten Apprehenſion wirken. Daher ſind auch die hoͤlzernen Schin- ken, Semmeln, Wuͤrſte und dergleichen ſo abgeſchmackt. So kann ich denn auch die Schaugerichte nicht billigen, ohne jedoch den Verdienſten eines Desfreyes, Delorme, Datfoy und An- derer im geringſten zu nahe treten zu wollen. — Doch haben die Prangkuͤchen des alten Nuͤrnberg, wo das zierlich geſchlichtete Brennholz aus ſchoͤn behobelten und bunt gebeitzten Stuͤcken beſtand, die an beiden Enden mit, immer blank geputztem, Meſ- ſing beſchlagen waren, etwas gemuͤthlich Kindliches. Ein Eſſender aber, plaſtiſch dargeſtellt, wuͤrde denſelben langweiligen Eindruck machen, wie ein Lachender. Dergleichen Heiterkeiten, welche blos fuͤr den Moment Werth haben, ſollten 6*

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Zitationshilfe: Antonius Anthus [i. e. Blumröder, Gustav]: Vorlesungen über Esskunst. Leipzig, 1838, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/anthus_esskunst_1838/97>, abgerufen am 24.11.2024.