Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].

Bild:
<< vorherige Seite
Arno Holz.
Der hochgeborne Hausherr, Excellenz,
Schwankt wie ein Rohr umher auf bleicher Düne,
Die erste Redekraft des Parlaments
Fehlt heute abermals auf der Tribüne.
Zwar trat man gestern erst in den Etat,
Doch hat sein Fehlen diesmal gute Gründe:
Schon viermal war der greise Hausarzt da
Und meinte, daß es sehr bedenklich stünde.
Nach Eis und Himbeer wird gar oft geschellt,
Doch mäuschenstill ist es im Krankenzimmer
Und seine düstre Teppichpracht erhellt
Nur einer Ampel röthliches Geflimmer.
Weit offen steht die Thür zum Vestibul
Und wie im Traum nur plätschert die Fontaine,
Die Luft umher ist wie gewitterschwül,
Denn ach, die "gnä'ge Fraa" hat heut -- Migräne!


Ein Andres.
1884.

Originalbeitrag.

Fünf wurmzernagte Stiegen geht's hinauf
Ins letzte Stockwerk einer Miethskaserne;
Hier hält der Nordwind sich am liebsten auf,
Und durch das Dachwerk schaun des Himmels Sterne.
Was sie erspähn, o, es ist grad genug,
Um mit dem Elend brüderlich zu weinen:
Ein Stückchen Schwarzbrod und ein Wasserkrug,
Ein Werktisch und ein Schemel mit drei Beinen!

Arno Holz.
Der hochgeborne Hausherr, Excellenz,
Schwankt wie ein Rohr umher auf bleicher Düne,
Die erſte Redekraft des Parlaments
Fehlt heute abermals auf der Tribüne.
Zwar trat man geſtern erſt in den Etat,
Doch hat ſein Fehlen diesmal gute Gründe:
Schon viermal war der greiſe Hausarzt da
Und meinte, daß es ſehr bedenklich ſtünde.
Nach Eis und Himbeer wird gar oft geſchellt,
Doch mäuschenſtill iſt es im Krankenzimmer
Und ſeine düſtre Teppichpracht erhellt
Nur einer Ampel röthliches Geflimmer.
Weit offen ſteht die Thür zum Veſtibul
Und wie im Traum nur plätſchert die Fontaine,
Die Luft umher iſt wie gewitterſchwül,
Denn ach, die „gnä’ge Fraa“ hat heut — Migräne!


Ein Andres.
1884.

Originalbeitrag.

Fünf wurmzernagte Stiegen geht’s hinauf
Ins letzte Stockwerk einer Miethskaſerne;
Hier hält der Nordwind ſich am liebſten auf,
Und durch das Dachwerk ſchaun des Himmels Sterne.
Was ſie erſpähn, o, es iſt grad genug,
Um mit dem Elend brüderlich zu weinen:
Ein Stückchen Schwarzbrod und ein Waſſerkrug,
Ein Werktiſch und ein Schemel mit drei Beinen!

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg type="poem">
            <pb facs="#f0173" n="155"/>
            <fw place="top" type="header">Arno Holz.</fw><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Der hochgeborne Hausherr, Excellenz,</l><lb/>
              <l>Schwankt wie ein Rohr umher auf bleicher Düne,</l><lb/>
              <l>Die er&#x017F;te Redekraft des Parlaments</l><lb/>
              <l>Fehlt heute abermals auf der Tribüne.</l><lb/>
              <l>Zwar trat man ge&#x017F;tern er&#x017F;t in den Etat,</l><lb/>
              <l>Doch hat &#x017F;ein Fehlen diesmal gute Gründe:</l><lb/>
              <l>Schon viermal war der grei&#x017F;e Hausarzt da</l><lb/>
              <l>Und meinte, daß es &#x017F;ehr bedenklich &#x017F;tünde.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Nach Eis und Himbeer wird gar oft ge&#x017F;chellt,</l><lb/>
              <l>Doch mäuschen&#x017F;till i&#x017F;t es im Krankenzimmer</l><lb/>
              <l>Und &#x017F;eine dü&#x017F;tre Teppichpracht erhellt</l><lb/>
              <l>Nur einer Ampel röthliches Geflimmer.</l><lb/>
              <l>Weit offen &#x017F;teht die Thür zum Ve&#x017F;tibul</l><lb/>
              <l>Und wie im Traum nur plät&#x017F;chert die Fontaine,</l><lb/>
              <l>Die Luft umher i&#x017F;t wie gewitter&#x017F;chwül,</l><lb/>
              <l>Denn ach, die &#x201E;gnä&#x2019;ge Fraa&#x201C; hat heut &#x2014; Migräne!</l>
            </lg>
          </lg>
        </div><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#b">Ein Andres.</hi><lb/>
1884.</head><lb/>
          <p> <hi rendition="#c">Originalbeitrag.</hi> </p><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Fünf wurmzernagte Stiegen geht&#x2019;s hinauf</l><lb/>
              <l>Ins letzte Stockwerk einer Miethska&#x017F;erne;</l><lb/>
              <l>Hier hält der Nordwind &#x017F;ich am lieb&#x017F;ten auf,</l><lb/>
              <l>Und durch das Dachwerk &#x017F;chaun des Himmels Sterne.</l><lb/>
              <l>Was &#x017F;ie er&#x017F;pähn, o, es i&#x017F;t grad genug,</l><lb/>
              <l>Um mit dem Elend brüderlich zu weinen:</l><lb/>
              <l>Ein Stückchen Schwarzbrod und ein Wa&#x017F;&#x017F;erkrug,</l><lb/>
              <l>Ein Werkti&#x017F;ch und ein Schemel mit drei Beinen!</l>
            </lg><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[155/0173] Arno Holz. Der hochgeborne Hausherr, Excellenz, Schwankt wie ein Rohr umher auf bleicher Düne, Die erſte Redekraft des Parlaments Fehlt heute abermals auf der Tribüne. Zwar trat man geſtern erſt in den Etat, Doch hat ſein Fehlen diesmal gute Gründe: Schon viermal war der greiſe Hausarzt da Und meinte, daß es ſehr bedenklich ſtünde. Nach Eis und Himbeer wird gar oft geſchellt, Doch mäuschenſtill iſt es im Krankenzimmer Und ſeine düſtre Teppichpracht erhellt Nur einer Ampel röthliches Geflimmer. Weit offen ſteht die Thür zum Veſtibul Und wie im Traum nur plätſchert die Fontaine, Die Luft umher iſt wie gewitterſchwül, Denn ach, die „gnä’ge Fraa“ hat heut — Migräne! Ein Andres. 1884. Originalbeitrag. Fünf wurmzernagte Stiegen geht’s hinauf Ins letzte Stockwerk einer Miethskaſerne; Hier hält der Nordwind ſich am liebſten auf, Und durch das Dachwerk ſchaun des Himmels Sterne. Was ſie erſpähn, o, es iſt grad genug, Um mit dem Elend brüderlich zu weinen: Ein Stückchen Schwarzbrod und ein Waſſerkrug, Ein Werktiſch und ein Schemel mit drei Beinen!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/173
Zitationshilfe: Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885], S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/173>, abgerufen am 21.11.2024.