Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Arno Holz. Wie herrlich steigt der erste Frühlingstag Doch immer noch vom Himmel zu ihr nieder! Und schreitet erst der Sommer durch den Hag, Dann fühlt sie ihre ganze Jugend wieder. Und stehst Du dann, umwallt von all dem Duft, Dann lacht die Flur und ihre Ströme blitzen Und fernher schimmern durch die blaue Luft Die ewig eisgezackten Gletscherspitzen. Da horch! Ein leiser Hauch im Blätterdach, Und durch die Wipfel geht ein seltsam Rauschen; Wie Stimmen flüstert's durch das Laubgemach, Und andachtsvoll mußt Du den Tönen lauschen. Das ist der Wind, der ruhlos durch die Welt Dahinrollt auf den nie erschauten Gleisen, Der nun im Bergwald seinen Einzug hält Und Dir erzählt von seinen weiten Reisen. Erst ist, vergleichbar einem wilden Schwan, Er majestätisch durch die Luft gezogen Und stieg dann nieder in den Ocean Und spielte mit den grüngewellten Wogen. Doch bald verlockte ihn der nahe Strand Und hinter sich ließ er das Meergebrause Und ging mit Riesenschritten übers Land Und hielt dann Rast in einer Felsenklause. Da lag denn nun tief unter ihm die Welt Idyllisch da im Sommersonnengolde Und athmete gen Himmel, duftgeschwellt, Wie eine farbenprächtge Blüthendolde. Und Meereswellenschaum und Gottesluft, Dazu die paradiesischen Gefilde Verwoben lieblich sich im Sonnenduft Zu einem nie geschauten Wunderbilde. Dir aber schwillt das Herz vor hoher Lust Bei solcher windgetragnen Himmelskunde, Und das Gefühl der übervollen Brust Gestaltet sich zum Wort in Deinem Munde. 11
Arno Holz. Wie herrlich ſteigt der erſte Frühlingstag Doch immer noch vom Himmel zu ihr nieder! Und ſchreitet erſt der Sommer durch den Hag, Dann fühlt ſie ihre ganze Jugend wieder. Und ſtehſt Du dann, umwallt von all dem Duft, Dann lacht die Flur und ihre Ströme blitzen Und fernher ſchimmern durch die blaue Luft Die ewig eisgezackten Gletſcherſpitzen. Da horch! Ein leiſer Hauch im Blätterdach, Und durch die Wipfel geht ein ſeltſam Rauſchen; Wie Stimmen flüſtert’s durch das Laubgemach, Und andachtsvoll mußt Du den Tönen lauſchen. Das iſt der Wind, der ruhlos durch die Welt Dahinrollt auf den nie erſchauten Gleiſen, Der nun im Bergwald ſeinen Einzug hält Und Dir erzählt von ſeinen weiten Reiſen. Erſt iſt, vergleichbar einem wilden Schwan, Er majeſtätiſch durch die Luft gezogen Und ſtieg dann nieder in den Ocean Und ſpielte mit den grüngewellten Wogen. Doch bald verlockte ihn der nahe Strand Und hinter ſich ließ er das Meergebrauſe Und ging mit Rieſenſchritten übers Land Und hielt dann Raſt in einer Felſenklauſe. Da lag denn nun tief unter ihm die Welt Idylliſch da im Sommerſonnengolde Und athmete gen Himmel, duftgeſchwellt, Wie eine farbenprächtge Blüthendolde. Und Meereswellenſchaum und Gottesluft, Dazu die paradieſiſchen Gefilde Verwoben lieblich ſich im Sonnenduft Zu einem nie geſchauten Wunderbilde. Dir aber ſchwillt das Herz vor hoher Luſt Bei ſolcher windgetragnen Himmelskunde, Und das Gefühl der übervollen Bruſt Geſtaltet ſich zum Wort in Deinem Munde. 11
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Arno Holz.
Wie herrlich ſteigt der erſte Frühlingstag
Doch immer noch vom Himmel zu ihr nieder!
Und ſchreitet erſt der Sommer durch den Hag,
Dann fühlt ſie ihre ganze Jugend wieder.
Und ſtehſt Du dann, umwallt von all dem Duft,
Dann lacht die Flur und ihre Ströme blitzen
Und fernher ſchimmern durch die blaue Luft
Die ewig eisgezackten Gletſcherſpitzen.
Da horch! Ein leiſer Hauch im Blätterdach,
Und durch die Wipfel geht ein ſeltſam Rauſchen;
Wie Stimmen flüſtert’s durch das Laubgemach,
Und andachtsvoll mußt Du den Tönen lauſchen.
Das iſt der Wind, der ruhlos durch die Welt
Dahinrollt auf den nie erſchauten Gleiſen,
Der nun im Bergwald ſeinen Einzug hält
Und Dir erzählt von ſeinen weiten Reiſen.
Erſt iſt, vergleichbar einem wilden Schwan,
Er majeſtätiſch durch die Luft gezogen
Und ſtieg dann nieder in den Ocean
Und ſpielte mit den grüngewellten Wogen.
Doch bald verlockte ihn der nahe Strand
Und hinter ſich ließ er das Meergebrauſe
Und ging mit Rieſenſchritten übers Land
Und hielt dann Raſt in einer Felſenklauſe.
Da lag denn nun tief unter ihm die Welt
Idylliſch da im Sommerſonnengolde
Und athmete gen Himmel, duftgeſchwellt,
Wie eine farbenprächtge Blüthendolde.
Und Meereswellenſchaum und Gottesluft,
Dazu die paradieſiſchen Gefilde
Verwoben lieblich ſich im Sonnenduft
Zu einem nie geſchauten Wunderbilde.
Dir aber ſchwillt das Herz vor hoher Luſt
Bei ſolcher windgetragnen Himmelskunde,
Und das Gefühl der übervollen Bruſt
Geſtaltet ſich zum Wort in Deinem Munde.
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