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Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].

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Heinrich Hart.
Vom Kranz der Schwestern eine wählt mein Lied
Und für die Lieblichste mein Herz entschied.
Noch war ich Knabe, in der Haide Kraut
Lag ich zu lauschen auf des Windes Laut,
Von weißen Schleiern glänzte rings die Luft
Und auf den Gräsern träumte herber Duft
Und zwischen Erd' und Himmel fühlt' ichs weben
Des Geistes Wirken und der Schöpfung Streben.
Da strömte leuchtend mir ins Herz die Lust,
Der ewigen Schönheit ward ich mir bewußt
Und brünstig drang die Sehnsucht auf mich ein,
Urmutter Erde Dir ein Lied zu weihn,
Ein Lied, das wogend wie der Ocean
All Deine Pracht umspannt, all Deinen Wahn ...
Mein Blick ward starr, die Wesen und die Zeiten
Sah ich noch einmal mir vorübergleiten.
Vor meinen Augen brauste Gluth in Gluth,
Von tausend Farben zitterte die Fluth,
In langen Garben sprühte Strahl um Strahl,
Berghohe Feuer wuchsen auf im Thal.
Und in den Weltraum stürzte wie ein Blatt,
Das von dem Baume flattert, sturmesmatt,
Der Mond, aufzischend, wirbelnd, nebelrauchend,
Dem Urgewässer blassen Haupts enttauchend.
Schon aber senkte Nachtgewölk von Dunst
Sich auf der Flammen niegestillte Brunst
Und prasselnd, schäumend, immer neu geboren
Warf sich der Regen in des Gluthmeers Poren,
Aufwallten blutige Nebel aus der Wunde,
Gleich Speer- und Schwertglanz leuchtete die Runde
Und stöhnend mischten sich im Kampf die Kräfte
Und siedend gährten zukunftsschwangere Säfte,
Bis aus des Wassers morgenkühlem Schoß
Der Keim des Lebens stieg, gestaltengroß.


Nun drängte starr Kristall sich an Kristall
Und donnernd hob sich der Gebirge Wall,
Die Wurzeln von Granit und gluthgeleckt,
Den breiten Rücken hell von Schnee bedeckt.
Heinrich Hart.
Vom Kranz der Schweſtern eine wählt mein Lied
Und für die Lieblichſte mein Herz entſchied.
Noch war ich Knabe, in der Haide Kraut
Lag ich zu lauſchen auf des Windes Laut,
Von weißen Schleiern glänzte rings die Luft
Und auf den Gräſern träumte herber Duft
Und zwiſchen Erd’ und Himmel fühlt’ ichs weben
Des Geiſtes Wirken und der Schöpfung Streben.
Da ſtrömte leuchtend mir ins Herz die Luſt,
Der ewigen Schönheit ward ich mir bewußt
Und brünſtig drang die Sehnſucht auf mich ein,
Urmutter Erde Dir ein Lied zu weihn,
Ein Lied, das wogend wie der Ocean
All Deine Pracht umſpannt, all Deinen Wahn …
Mein Blick ward ſtarr, die Weſen und die Zeiten
Sah ich noch einmal mir vorübergleiten.
Vor meinen Augen brauſte Gluth in Gluth,
Von tauſend Farben zitterte die Fluth,
In langen Garben ſprühte Strahl um Strahl,
Berghohe Feuer wuchſen auf im Thal.
Und in den Weltraum ſtürzte wie ein Blatt,
Das von dem Baume flattert, ſturmesmatt,
Der Mond, aufziſchend, wirbelnd, nebelrauchend,
Dem Urgewäſſer blaſſen Haupts enttauchend.
Schon aber ſenkte Nachtgewölk von Dunſt
Sich auf der Flammen niegeſtillte Brunſt
Und praſſelnd, ſchäumend, immer neu geboren
Warf ſich der Regen in des Gluthmeers Poren,
Aufwallten blutige Nebel aus der Wunde,
Gleich Speer- und Schwertglanz leuchtete die Runde
Und ſtöhnend miſchten ſich im Kampf die Kräfte
Und ſiedend gährten zukunftsſchwangere Säfte,
Bis aus des Waſſers morgenkühlem Schoß
Der Keim des Lebens ſtieg, geſtaltengroß.


Nun drängte ſtarr Kriſtall ſich an Kriſtall
Und donnernd hob ſich der Gebirge Wall,
Die Wurzeln von Granit und gluthgeleckt,
Den breiten Rücken hell von Schnee bedeckt.
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[172/0190] Heinrich Hart. Vom Kranz der Schweſtern eine wählt mein Lied Und für die Lieblichſte mein Herz entſchied. Noch war ich Knabe, in der Haide Kraut Lag ich zu lauſchen auf des Windes Laut, Von weißen Schleiern glänzte rings die Luft Und auf den Gräſern träumte herber Duft Und zwiſchen Erd’ und Himmel fühlt’ ichs weben Des Geiſtes Wirken und der Schöpfung Streben. Da ſtrömte leuchtend mir ins Herz die Luſt, Der ewigen Schönheit ward ich mir bewußt Und brünſtig drang die Sehnſucht auf mich ein, Urmutter Erde Dir ein Lied zu weihn, Ein Lied, das wogend wie der Ocean All Deine Pracht umſpannt, all Deinen Wahn … Mein Blick ward ſtarr, die Weſen und die Zeiten Sah ich noch einmal mir vorübergleiten. Vor meinen Augen brauſte Gluth in Gluth, Von tauſend Farben zitterte die Fluth, In langen Garben ſprühte Strahl um Strahl, Berghohe Feuer wuchſen auf im Thal. Und in den Weltraum ſtürzte wie ein Blatt, Das von dem Baume flattert, ſturmesmatt, Der Mond, aufziſchend, wirbelnd, nebelrauchend, Dem Urgewäſſer blaſſen Haupts enttauchend. Schon aber ſenkte Nachtgewölk von Dunſt Sich auf der Flammen niegeſtillte Brunſt Und praſſelnd, ſchäumend, immer neu geboren Warf ſich der Regen in des Gluthmeers Poren, Aufwallten blutige Nebel aus der Wunde, Gleich Speer- und Schwertglanz leuchtete die Runde Und ſtöhnend miſchten ſich im Kampf die Kräfte Und ſiedend gährten zukunftsſchwangere Säfte, Bis aus des Waſſers morgenkühlem Schoß Der Keim des Lebens ſtieg, geſtaltengroß. Nun drängte ſtarr Kriſtall ſich an Kriſtall Und donnernd hob ſich der Gebirge Wall, Die Wurzeln von Granit und gluthgeleckt, Den breiten Rücken hell von Schnee bedeckt.

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Zitationshilfe: Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885], S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arent_dichtercharaktere_1885/190>, abgerufen am 24.11.2024.