Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Joseph Winter. Abend im Prater. Deutsches Dichterbuch aus Oesterreich. Des Sommerabends feurig Glühn Lag auf der Praterauen Grün. Ein frischer Wind von der Alpen Saum Wob in dem dämmerrothen Baum, Warf bald der Wipfel rauschende Flammen Mit seinem muntern Weh'n zusammen, Oder vergaß das Rascheln und Rauschen, Selber den Weisen von drüben zu lauschen, Wo in den dunkelnden Abend hinaus Wiegend erklang ein Walzer von Strauß. Sinnend lag ich im duftenden Gras Gar nicht übel gefiel mir das, Fühlte mich so fröhlich und frank, Wahrlich dem Schicksal wußt' ich's Dank, Daß es an dieser Stätte traut Mir das Haus der Kindheit erbaut, Breit mir die Bühne der Welt entfaltet, Lebensfreudig den Sinn mir gestaltet, Daß es im Wechsel von Welken und Sprießen Mich gelehrt, des Tags zu genießen, Mich des Schätzleins, der lieben Getreu'n Und des klingenden Liedes zu freu'n. Gar mancher Lenz ist hold ersprossen, Seit mir der Garten des Lebens erschlossen, Und ob in Nebel dem werdenden Mann Manch Traumgespinst des Jünglings zerrann, Joſeph Winter. Abend im Prater. Deutſches Dichterbuch aus Oeſterreich. Des Sommerabends feurig Glühn Lag auf der Praterauen Grün. Ein friſcher Wind von der Alpen Saum Wob in dem dämmerrothen Baum, Warf bald der Wipfel rauſchende Flammen Mit ſeinem muntern Weh’n zuſammen, Oder vergaß das Raſcheln und Rauſchen, Selber den Weiſen von drüben zu lauſchen, Wo in den dunkelnden Abend hinaus Wiegend erklang ein Walzer von Strauß. Sinnend lag ich im duftenden Gras Gar nicht übel gefiel mir das, Fühlte mich ſo fröhlich und frank, Wahrlich dem Schickſal wußt’ ich’s Dank, Daß es an dieſer Stätte traut Mir das Haus der Kindheit erbaut, Breit mir die Bühne der Welt entfaltet, Lebensfreudig den Sinn mir geſtaltet, Daß es im Wechſel von Welken und Sprießen Mich gelehrt, des Tags zu genießen, Mich des Schätzleins, der lieben Getreu’n Und des klingenden Liedes zu freu’n. Gar mancher Lenz iſt hold erſproſſen, Seit mir der Garten des Lebens erſchloſſen, Und ob in Nebel dem werdenden Mann Manch Traumgeſpinſt des Jünglings zerrann, <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0246" n="[228]"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">Joſeph Winter.</hi> </head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Abend im Prater.</hi> </head><lb/> <p> <hi rendition="#c">Deutſches Dichterbuch aus Oeſterreich.</hi> </p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">D</hi>es Sommerabends feurig Glühn</l><lb/> <l>Lag auf der Praterauen Grün.</l><lb/> <l>Ein friſcher Wind von der Alpen Saum</l><lb/> <l>Wob in dem dämmerrothen Baum,</l><lb/> <l>Warf bald der Wipfel rauſchende Flammen</l><lb/> <l>Mit ſeinem muntern Weh’n zuſammen,</l><lb/> <l>Oder vergaß das Raſcheln und Rauſchen,</l><lb/> <l>Selber den Weiſen von drüben zu lauſchen,</l><lb/> <l>Wo in den dunkelnden Abend hinaus</l><lb/> <l>Wiegend erklang ein Walzer von Strauß.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>Sinnend lag ich im duftenden Gras</l><lb/> <l>Gar nicht übel gefiel mir das,</l><lb/> <l>Fühlte mich ſo fröhlich und frank,</l><lb/> <l>Wahrlich dem Schickſal wußt’ ich’s Dank,</l><lb/> <l>Daß es an dieſer Stätte traut</l><lb/> <l>Mir das Haus der Kindheit erbaut,</l><lb/> <l>Breit mir die Bühne der Welt entfaltet,</l><lb/> <l>Lebensfreudig den Sinn mir geſtaltet,</l><lb/> <l>Daß es im Wechſel von Welken und Sprießen</l><lb/> <l>Mich gelehrt, des Tags zu genießen,</l><lb/> <l>Mich des Schätzleins, der lieben Getreu’n</l><lb/> <l>Und des klingenden Liedes zu freu’n.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Gar mancher Lenz iſt hold erſproſſen,</l><lb/> <l>Seit mir der Garten des Lebens erſchloſſen,</l><lb/> <l>Und ob in Nebel dem werdenden Mann</l><lb/> <l>Manch Traumgeſpinſt des Jünglings zerrann,</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[228]/0246]
Joſeph Winter.
Abend im Prater.
Deutſches Dichterbuch aus Oeſterreich.
Des Sommerabends feurig Glühn
Lag auf der Praterauen Grün.
Ein friſcher Wind von der Alpen Saum
Wob in dem dämmerrothen Baum,
Warf bald der Wipfel rauſchende Flammen
Mit ſeinem muntern Weh’n zuſammen,
Oder vergaß das Raſcheln und Rauſchen,
Selber den Weiſen von drüben zu lauſchen,
Wo in den dunkelnden Abend hinaus
Wiegend erklang ein Walzer von Strauß.
Sinnend lag ich im duftenden Gras
Gar nicht übel gefiel mir das,
Fühlte mich ſo fröhlich und frank,
Wahrlich dem Schickſal wußt’ ich’s Dank,
Daß es an dieſer Stätte traut
Mir das Haus der Kindheit erbaut,
Breit mir die Bühne der Welt entfaltet,
Lebensfreudig den Sinn mir geſtaltet,
Daß es im Wechſel von Welken und Sprießen
Mich gelehrt, des Tags zu genießen,
Mich des Schätzleins, der lieben Getreu’n
Und des klingenden Liedes zu freu’n.
Gar mancher Lenz iſt hold erſproſſen,
Seit mir der Garten des Lebens erſchloſſen,
Und ob in Nebel dem werdenden Mann
Manch Traumgeſpinſt des Jünglings zerrann,
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