Arent, Wilhelm (Hrsg.): Moderne Dichter-Charaktere. Leipzig, [1885].Joseph Winter. Mich aber drängte sehnsuchtgeschwellt Mein Herz, zu rasten am Herzen der Welt. Zu schlummernden Auen, vom Monde verklärt, Bin ich auf verlass'nen Pfaden gekehrt, Saß unter den Eichen nieder, den alten, Und hab' mit den Sternen Zwiesprach gehalten. Frühling. Originalbeitrag. Nun ist die Welt in Rosen erwacht, Gelöst ist die liebliche Fraue. In Stücken zerbrach der Stirnreif der Nacht, Und im Morgen lacht Der blühende Wald und die Aue. An die Reise nun geht der rieselnde Quell, Es schimmert die Näh' und die Ferne. O Tag, sei du mein Trautgesell Vielhold und hell, Dir wollt' ich dienen so gerne. Auf Lerchenschwingen steigt mein Gesang, Sich über den Wolken zu wiegen. Doch was im tiefsten Herzen erklang, Nie laut sich erschwang, Das wahr' ich getreu und verschwiegen. Nur Eine hörte das heimliche Wort, Das Rufen der Lust und des Leides. Nicht weiß ich den Tag und nicht den Ort Sie küßte mir fort Vergessen und Wissen, beides. -- Schlummerlied. Originalbeitrag. Langsam, ihr funkelnden Sterne der Nacht, Schreitet dahin im Reigen. Rauschender Wind, nun wehe sacht, Wiege dich sanft in den Zweigen. Joſeph Winter. Mich aber drängte ſehnſuchtgeſchwellt Mein Herz, zu raſten am Herzen der Welt. Zu ſchlummernden Auen, vom Monde verklärt, Bin ich auf verlaſſ’nen Pfaden gekehrt, Saß unter den Eichen nieder, den alten, Und hab’ mit den Sternen Zwieſprach gehalten. Frühling. Originalbeitrag. Nun iſt die Welt in Roſen erwacht, Gelöſt iſt die liebliche Fraue. In Stücken zerbrach der Stirnreif der Nacht, Und im Morgen lacht Der blühende Wald und die Aue. An die Reiſe nun geht der rieſelnde Quell, Es ſchimmert die Näh’ und die Ferne. O Tag, ſei du mein Trautgeſell Vielhold und hell, Dir wollt’ ich dienen ſo gerne. Auf Lerchenſchwingen ſteigt mein Geſang, Sich über den Wolken zu wiegen. Doch was im tiefſten Herzen erklang, Nie laut ſich erſchwang, Das wahr’ ich getreu und verſchwiegen. Nur Eine hörte das heimliche Wort, Das Rufen der Luſt und des Leides. Nicht weiß ich den Tag und nicht den Ort Sie küßte mir fort Vergeſſen und Wiſſen, beides. — Schlummerlied. Originalbeitrag. Langſam, ihr funkelnden Sterne der Nacht, Schreitet dahin im Reigen. Rauſchender Wind, nun wehe ſacht, Wiege dich ſanft in den Zweigen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0248" n="230"/> <fw place="top" type="header">Joſeph Winter.</fw><lb/> <lg n="8"> <l>Mich aber drängte ſehnſuchtgeſchwellt</l><lb/> <l>Mein Herz, zu raſten am Herzen der Welt.</l><lb/> <l>Zu ſchlummernden Auen, vom Monde verklärt,</l><lb/> <l>Bin ich auf verlaſſ’nen Pfaden gekehrt,</l><lb/> <l>Saß unter den Eichen nieder, den alten,</l><lb/> <l>Und hab’ mit den Sternen Zwieſprach gehalten.</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Frühling</hi>.</hi> </head><lb/> <p> <hi rendition="#c">Originalbeitrag.</hi> </p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Nun iſt die Welt in Roſen erwacht,</l><lb/> <l>Gelöſt iſt die liebliche Fraue.</l><lb/> <l>In Stücken zerbrach der Stirnreif der Nacht,</l><lb/> <l>Und im Morgen lacht</l><lb/> <l>Der blühende Wald und die Aue.</l> </lg><lb/> <lg n="2"> <l>An die Reiſe nun geht der rieſelnde Quell,</l><lb/> <l>Es ſchimmert die Näh’ und die Ferne.</l><lb/> <l>O Tag, ſei du mein Trautgeſell</l><lb/> <l>Vielhold und hell,</l><lb/> <l>Dir wollt’ ich dienen ſo gerne.</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Auf Lerchenſchwingen ſteigt mein Geſang,</l><lb/> <l>Sich über den Wolken zu wiegen.</l><lb/> <l>Doch was im tiefſten Herzen erklang,</l><lb/> <l>Nie laut ſich erſchwang,</l><lb/> <l>Das wahr’ ich getreu und verſchwiegen.</l> </lg><lb/> <lg n="4"> <l>Nur Eine hörte das heimliche Wort,</l><lb/> <l>Das Rufen der Luſt und des Leides.</l><lb/> <l>Nicht weiß ich den Tag und nicht den Ort</l><lb/> <l>Sie küßte mir fort</l><lb/> <l>Vergeſſen und Wiſſen, beides. —</l> </lg> </lg> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Schlummerlied.</hi> </head><lb/> <p> <hi rendition="#c">Originalbeitrag.</hi> </p><lb/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Langſam, ihr funkelnden Sterne der Nacht,</l><lb/> <l>Schreitet dahin im Reigen.</l><lb/> <l>Rauſchender Wind, nun wehe ſacht,</l><lb/> <l>Wiege dich ſanft in den Zweigen.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [230/0248]
Joſeph Winter.
Mich aber drängte ſehnſuchtgeſchwellt
Mein Herz, zu raſten am Herzen der Welt.
Zu ſchlummernden Auen, vom Monde verklärt,
Bin ich auf verlaſſ’nen Pfaden gekehrt,
Saß unter den Eichen nieder, den alten,
Und hab’ mit den Sternen Zwieſprach gehalten.
Frühling.
Originalbeitrag.
Nun iſt die Welt in Roſen erwacht,
Gelöſt iſt die liebliche Fraue.
In Stücken zerbrach der Stirnreif der Nacht,
Und im Morgen lacht
Der blühende Wald und die Aue.
An die Reiſe nun geht der rieſelnde Quell,
Es ſchimmert die Näh’ und die Ferne.
O Tag, ſei du mein Trautgeſell
Vielhold und hell,
Dir wollt’ ich dienen ſo gerne.
Auf Lerchenſchwingen ſteigt mein Geſang,
Sich über den Wolken zu wiegen.
Doch was im tiefſten Herzen erklang,
Nie laut ſich erſchwang,
Das wahr’ ich getreu und verſchwiegen.
Nur Eine hörte das heimliche Wort,
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Nicht weiß ich den Tag und nicht den Ort
Sie küßte mir fort
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