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Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875.

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kein Hinderniß sein. Es erklärten sich hierauf auch alle zu-
frieden. Nach dem Wunsche des königlichen Gebieters wählte
man noch einen Ehrenvater und eine Ehrenmutter, -- ein
sauberes, stattliches Wirthspaar, -- ebenso die übrigen nöthigen
Personen, und nach einer Stunde schon wurden die königlichen
Boten nach allen Enden hinausgeschickt, um die Hochzeitsleute
einzuladen.

9. Ein königlicher Werber.

Es war ein warmer Junitag, und der Adler saß in Hemd-
ärmeln im kühlen Schatten und rauchte. Die Resl aber in
ihrem einfachen Arbeitsgewand kniete im obern Stock auf der
Fensterbank und wusch und putzte die Fenstergläser wieder ein-
mal, obwohl kein Stäubchen daran zu sehen war, ja, mit einer
Emsigkeit that sie alles, als sollte morgen im Hause Hochzeit
sein. -- Plötzlich sieht der Adler einen königlichen Boten zu
Pferd von Tegernsee kommen. "Wohl eine Bestellung in's
Bad", dachte er. "Aber wie, blendet mich die Sonne nicht? er
reitet in's Dorf, und lenkt zu meinem Hof ein, was hat das
zu bedeuten?" Der Bote steigt ab, bindet sein Roß an einen
Baum, und nähert sich dem erschrockenen Bauer, der seine
Pfeife weglegt und rasch aufspringt. "Bin ich wohl recht, ist
dies der Adlerhof?" "Ganz recht, Herr, das ist mein Haus,
und ich, mit Verlaubniß, bin der Adler." "Schön, das freut
mich, daß ich's gleich so traf. Jch habe an Euch einen Wunsch
Seiner Majestät des Königs zu bestellen." Bei diesen Worten
schüttelte es den Adler förmlich vor lauter Ehrfurcht. "Was
kann von mir der Herr König zu wünschen haben?" frug er
mit bebender Stimme, "ich schenk' ihm ja gern Haus und Hof."
"O, so viel wird nicht begehrt," erwiederte der Bote, dem
Bauer auf die Schulter klopfend; "Jhr sollt nur Seiner Majestät
etwas zu Gefallen thun: ich komme nämlich um zu werben um
Eure Tochter." Die Resl, die sich bis dahin in ihrer Arbeit
nicht irre machen ließ, erschrak nun auch und wurde aufmerk-
sam. "Meine Theres", sagte der Adler, "kann doch keinen vor-

kein Hinderniß ſein. Es erklärten ſich hierauf auch alle zu-
frieden. Nach dem Wunſche des königlichen Gebieters wählte
man noch einen Ehrenvater und eine Ehrenmutter, — ein
ſauberes, ſtattliches Wirthspaar, — ebenſo die übrigen nöthigen
Perſonen, und nach einer Stunde ſchon wurden die königlichen
Boten nach allen Enden hinausgeſchickt, um die Hochzeitsleute
einzuladen.

9. Ein königlicher Werber.

Es war ein warmer Junitag, und der Adler ſaß in Hemd-
ärmeln im kühlen Schatten und rauchte. Die Resl aber in
ihrem einfachen Arbeitsgewand kniete im obern Stock auf der
Fenſterbank und wuſch und putzte die Fenſtergläſer wieder ein-
mal, obwohl kein Stäubchen daran zu ſehen war, ja, mit einer
Emſigkeit that ſie alles, als ſollte morgen im Hauſe Hochzeit
ſein. — Plötzlich ſieht der Adler einen königlichen Boten zu
Pferd von Tegernſee kommen. „Wohl eine Beſtellung in’s
Bad“, dachte er. „Aber wie, blendet mich die Sonne nicht? er
reitet in’s Dorf, und lenkt zu meinem Hof ein, was hat das
zu bedeuten?“ Der Bote ſteigt ab, bindet ſein Roß an einen
Baum, und nähert ſich dem erſchrockenen Bauer, der ſeine
Pfeife weglegt und raſch aufſpringt. „Bin ich wohl recht, iſt
dies der Adlerhof?“ „Ganz recht, Herr, das iſt mein Haus,
und ich, mit Verlaubniß, bin der Adler.“ „Schön, das freut
mich, daß ich’s gleich ſo traf. Jch habe an Euch einen Wunſch
Seiner Majeſtät des Königs zu beſtellen.“ Bei dieſen Worten
ſchüttelte es den Adler förmlich vor lauter Ehrfurcht. „Was
kann von mir der Herr König zu wünſchen haben?“ frug er
mit bebender Stimme, „ich ſchenk’ ihm ja gern Haus und Hof.“
„O, ſo viel wird nicht begehrt,“ erwiederte der Bote, dem
Bauer auf die Schulter klopfend; „Jhr ſollt nur Seiner Majeſtät
etwas zu Gefallen thun: ich komme nämlich um zu werben um
Eure Tochter.“ Die Resl, die ſich bis dahin in ihrer Arbeit
nicht irre machen ließ, erſchrak nun auch und wurde aufmerk-
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[0028] kein Hinderniß ſein. Es erklärten ſich hierauf auch alle zu- frieden. Nach dem Wunſche des königlichen Gebieters wählte man noch einen Ehrenvater und eine Ehrenmutter, — ein ſauberes, ſtattliches Wirthspaar, — ebenſo die übrigen nöthigen Perſonen, und nach einer Stunde ſchon wurden die königlichen Boten nach allen Enden hinausgeſchickt, um die Hochzeitsleute einzuladen. 9. Ein königlicher Werber. Es war ein warmer Junitag, und der Adler ſaß in Hemd- ärmeln im kühlen Schatten und rauchte. Die Resl aber in ihrem einfachen Arbeitsgewand kniete im obern Stock auf der Fenſterbank und wuſch und putzte die Fenſtergläſer wieder ein- mal, obwohl kein Stäubchen daran zu ſehen war, ja, mit einer Emſigkeit that ſie alles, als ſollte morgen im Hauſe Hochzeit ſein. — Plötzlich ſieht der Adler einen königlichen Boten zu Pferd von Tegernſee kommen. „Wohl eine Beſtellung in’s Bad“, dachte er. „Aber wie, blendet mich die Sonne nicht? er reitet in’s Dorf, und lenkt zu meinem Hof ein, was hat das zu bedeuten?“ Der Bote ſteigt ab, bindet ſein Roß an einen Baum, und nähert ſich dem erſchrockenen Bauer, der ſeine Pfeife weglegt und raſch aufſpringt. „Bin ich wohl recht, iſt dies der Adlerhof?“ „Ganz recht, Herr, das iſt mein Haus, und ich, mit Verlaubniß, bin der Adler.“ „Schön, das freut mich, daß ich’s gleich ſo traf. Jch habe an Euch einen Wunſch Seiner Majeſtät des Königs zu beſtellen.“ Bei dieſen Worten ſchüttelte es den Adler förmlich vor lauter Ehrfurcht. „Was kann von mir der Herr König zu wünſchen haben?“ frug er mit bebender Stimme, „ich ſchenk’ ihm ja gern Haus und Hof.“ „O, ſo viel wird nicht begehrt,“ erwiederte der Bote, dem Bauer auf die Schulter klopfend; „Jhr ſollt nur Seiner Majeſtät etwas zu Gefallen thun: ich komme nämlich um zu werben um Eure Tochter.“ Die Resl, die ſich bis dahin in ihrer Arbeit nicht irre machen ließ, erſchrak nun auch und wurde aufmerk- ſam. „Meine Theres“, ſagte der Adler, „kann doch keinen vor-

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Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2020-06-17T10:39:18Z)

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Zitationshilfe: Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arndts_juhschrei_1875/28>, abgerufen am 21.11.2024.