Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875.Bäuerin geschlagen, und wie sie es nur dem Nachbar zu ver- Die Halserspitze, auf welcher die Alpen liegen, ist gegen Anfangs war der Weg unserer Sennerinnen und ihrer Bäuerin geſchlagen, und wie ſie es nur dem Nachbar zu ver- Die Halſerſpitze, auf welcher die Alpen liegen, iſt gegen Anfangs war der Weg unſerer Sennerinnen und ihrer <TEI> <text> <body> <div type="chapter"> <p><pb facs="#f0040"/> Bäuerin geſchlagen, und wie ſie es nur dem Nachbar zu ver-<lb/> danken habe, daß ſie noch am Leben iſt. Täuſchten nicht alle<lb/> Zeichen, ſo ſetze es bald etwas ab im Dorf. — So ſehr es<lb/> nun einerſeits die Resl freute, was ſie von ihrem Vater hörte,<lb/> ſo bedenklich war ihr andrerſeits das Uebrige der Erzählung.<lb/> „Eine ſchöne Ausſicht auf meine alten Tage!“ dachte ſie; „wenn<lb/> der Seppl dem Vater nachgerathet; und doch — ſoll ich es den<lb/> armen Burſchen entgelten laſſen, während ohnehin genug Kummer<lb/> im Hauſe iſt? Sagte er nicht, daß ſich durch mich allein alles<lb/> zum Guten wenden wird?“ Was ſollte ſie thun? — Aber in<lb/> einer ſo wichtigen Sache mit Gottes Hilfe eine Entſcheidung<lb/> zu treffen, dazu war heute, am Abend vor der Auffahrt, nicht<lb/> die Zeit. Auf der Hochalm konnte ſie ſich mehr ſammeln und<lb/> darüber nachdenken. Darum that die Resl lieber, als hörte ſie<lb/> die böſen Nachreden gar nicht, und machte ſich vor der Hütte<lb/> und im Stalle etwas zu thun. — Bald nach Mitternacht<lb/> ſprangen die Sennerinnen von ihrem Lager auf und machten<lb/> alles zum Aufbruch bereit. Vor der Hütte warteten auch ſchon<lb/> die Kraxenträger, und ſo durfte nur noch das Vieh losgemacht<lb/> werden. — Bei dieſer <choice><sic>zweiteu</sic><corr>zweiten</corr></choice>, beſchwerlicheren Reiſe müſſen<lb/> die Kühe ſelbſt ihre Ketten tragen, welche ihnen um die Hörner<lb/> gewunden werden. Bald waren auch die Kraxen gepackt und auf-<lb/> geladen, und mit dem Ausruf: „Jn Gott’s Namen!“ brach man auf.</p><lb/> <p>Die Halſerſpitze, auf welcher die Alpen liegen, iſt gegen<lb/> Oſten die äußerſte und zugleich höchſte Spitze des Planberges.<lb/> Ueberſchreitet man von Weſt nach Oſt den ganzen ſanft ge-<lb/> wellten Kamm des Berges, ſo braucht ein rüſtiger Fußgänger<lb/> drei volle Stunden, und zur Linken hat er alsdann die bayeriſchen,<lb/> zur Rechten aber ſchon die öſterreichiſchen Grenzzeichen.</p><lb/> <p>Anfangs war der Weg unſerer Sennerinnen und ihrer<lb/> Heerden eine gute Strecke lang ziemlich eben. Von einem<lb/> ſteinernen Kreuz an wurde er aber beſchwerlicher und immer be-<lb/> ſchwerlicher und gefährlicher. Die erfahrene Nandl kannte am<lb/> beſten die Gefahren beim Aufſteigen, wozu auch die gehört, daß<lb/> ſich unter dem ſchweren Tritt der Kühe große Steine loslöſen<lb/> können, welche dann auf die nachfolgenden Menſchen herabrollen;<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0040]
Bäuerin geſchlagen, und wie ſie es nur dem Nachbar zu ver-
danken habe, daß ſie noch am Leben iſt. Täuſchten nicht alle
Zeichen, ſo ſetze es bald etwas ab im Dorf. — So ſehr es
nun einerſeits die Resl freute, was ſie von ihrem Vater hörte,
ſo bedenklich war ihr andrerſeits das Uebrige der Erzählung.
„Eine ſchöne Ausſicht auf meine alten Tage!“ dachte ſie; „wenn
der Seppl dem Vater nachgerathet; und doch — ſoll ich es den
armen Burſchen entgelten laſſen, während ohnehin genug Kummer
im Hauſe iſt? Sagte er nicht, daß ſich durch mich allein alles
zum Guten wenden wird?“ Was ſollte ſie thun? — Aber in
einer ſo wichtigen Sache mit Gottes Hilfe eine Entſcheidung
zu treffen, dazu war heute, am Abend vor der Auffahrt, nicht
die Zeit. Auf der Hochalm konnte ſie ſich mehr ſammeln und
darüber nachdenken. Darum that die Resl lieber, als hörte ſie
die böſen Nachreden gar nicht, und machte ſich vor der Hütte
und im Stalle etwas zu thun. — Bald nach Mitternacht
ſprangen die Sennerinnen von ihrem Lager auf und machten
alles zum Aufbruch bereit. Vor der Hütte warteten auch ſchon
die Kraxenträger, und ſo durfte nur noch das Vieh losgemacht
werden. — Bei dieſer zweiten, beſchwerlicheren Reiſe müſſen
die Kühe ſelbſt ihre Ketten tragen, welche ihnen um die Hörner
gewunden werden. Bald waren auch die Kraxen gepackt und auf-
geladen, und mit dem Ausruf: „Jn Gott’s Namen!“ brach man auf.
Die Halſerſpitze, auf welcher die Alpen liegen, iſt gegen
Oſten die äußerſte und zugleich höchſte Spitze des Planberges.
Ueberſchreitet man von Weſt nach Oſt den ganzen ſanft ge-
wellten Kamm des Berges, ſo braucht ein rüſtiger Fußgänger
drei volle Stunden, und zur Linken hat er alsdann die bayeriſchen,
zur Rechten aber ſchon die öſterreichiſchen Grenzzeichen.
Anfangs war der Weg unſerer Sennerinnen und ihrer
Heerden eine gute Strecke lang ziemlich eben. Von einem
ſteinernen Kreuz an wurde er aber beſchwerlicher und immer be-
ſchwerlicher und gefährlicher. Die erfahrene Nandl kannte am
beſten die Gefahren beim Aufſteigen, wozu auch die gehört, daß
ſich unter dem ſchweren Tritt der Kühe große Steine loslöſen
können, welche dann auf die nachfolgenden Menſchen herabrollen;
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