Arndts, Maria: Der Juhschrei auf der Halseralm. Novelle aus dem bayerischen Gebirgslande. Dresden, 1875.hilflich sein. Wenn er heut' am Abend heim geht, so fangen wir am *) Ein Wallfahrtskirchlein auf schroffer Felsenhöh' unweit unserem Thal.
hilflich ſein. Wenn er heut’ am Abend heim geht, ſo fangen wir am *) Ein Wallfahrtskirchlein auf ſchroffer Felſenhöh’ unweit unſerem Thal.
<TEI> <text> <body> <div type="chapter"> <p><pb facs="#f0066"/> hilflich ſein. Wenn er heut’ am Abend heim geht, ſo fangen wir am<lb/> Weg einen Streit mit ihm an, und“ — dabei zeigte er auf ſein<lb/> Meſſer — „ein Stich, und aus iſt’s mit Brautſchaft und Hoch-<lb/> zeit. Kein Menſch kann hernach herausbringen, wer angefangen<lb/> hat.“ „Du Verführer! Du Mörder!“ ſchrie Seppl. „Hätt’<lb/> ich mich doch nie mit dir eingelaſſen! jetzt möchteſt du mich gar<lb/> noch dazu bringen, daß ich wegen einem Mädel in’s Zuchthaus<lb/> und zuletzt in die Höll’ kommen ſoll? — wenn du dich nicht<lb/> gleich packſt, ſo zeig’ ich dich an.“ — „Nu, nu“, murmelte der<lb/> Michel mit verbiſſenem Aerger, „es war ja nicht ſo ſcharf ge-<lb/> meint. Man hätt’s halt einmal drauf ankommen laſſen, wer<lb/> von uns drei der Stärkere iſt.“ — Anſcheinend ruhiger ging er<lb/> hinweg; innerlich nahm er ſich aber vor: „Aus muß es werden<lb/> mit dem Gmund’ner, und wenn’s mich meinen Kopf koſtet, das<lb/> Leben freut mich doch nicht mehr.“ — Jm Seppl aber hatte<lb/> durch dieſen Vorfall, der ihn in einen furchtbaren Abgrund blicken<lb/> ließ, die frühere gute Natur wieder vollkommen die Oberhand<lb/> gewonnen. Zugleich kam ihm das Bild eines anderen Mädchens<lb/> in den Sinn, das ihm in letzter Zeit ſchon manchmal hübſcher<lb/> vorkam, als die Resl, welche er doch — dies fühlte er jetzt —<lb/> mehr aus falſchem Ehrgeiz als aus Neigung gefreit hätte, und<lb/> er dachte: „da gibt’s eine ganz andere Art, ſich zu rächen, die<lb/> keinem Menſchen einen Schaden bringt.“ — Am ſpäten Abend<lb/> nahm nun der Franz von ſeiner Braut und dem künftigen<lb/> Schwiegervater Abſchied, und zwar mit dem Verſprechen, bald<lb/> wieder zu kommen, der Resl aber verſprach er noch dazu, ihr<lb/> am andern Morgen ein goldenes Ringel zu ſchicken. — Kaum<lb/> war er jedoch fort, als die Resl ein unerklärliches Angſtgefühl<lb/> überkam. „Wenn dem Franz auf dem Heimwege ein Unglück<lb/> geſchäh’!“ dachte ſie, und immer ſchwerer und ſchwerer ward’s<lb/> ihr um’s Herz, ſo daß ſie ſich verlobte, eine Wallfahrt auf den<lb/> Riedererſtein<note place="foot" n="*)">Ein Wallfahrtskirchlein auf ſchroffer Felſenhöh’ unweit unſerem Thal.<lb/></note> zu machen, wenn ihr lieber Franz gut heim-<lb/> kommt. — Franz ging, mit allen Gedanken in ſein unerwartetes<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0066]
hilflich ſein. Wenn er heut’ am Abend heim geht, ſo fangen wir am
Weg einen Streit mit ihm an, und“ — dabei zeigte er auf ſein
Meſſer — „ein Stich, und aus iſt’s mit Brautſchaft und Hoch-
zeit. Kein Menſch kann hernach herausbringen, wer angefangen
hat.“ „Du Verführer! Du Mörder!“ ſchrie Seppl. „Hätt’
ich mich doch nie mit dir eingelaſſen! jetzt möchteſt du mich gar
noch dazu bringen, daß ich wegen einem Mädel in’s Zuchthaus
und zuletzt in die Höll’ kommen ſoll? — wenn du dich nicht
gleich packſt, ſo zeig’ ich dich an.“ — „Nu, nu“, murmelte der
Michel mit verbiſſenem Aerger, „es war ja nicht ſo ſcharf ge-
meint. Man hätt’s halt einmal drauf ankommen laſſen, wer
von uns drei der Stärkere iſt.“ — Anſcheinend ruhiger ging er
hinweg; innerlich nahm er ſich aber vor: „Aus muß es werden
mit dem Gmund’ner, und wenn’s mich meinen Kopf koſtet, das
Leben freut mich doch nicht mehr.“ — Jm Seppl aber hatte
durch dieſen Vorfall, der ihn in einen furchtbaren Abgrund blicken
ließ, die frühere gute Natur wieder vollkommen die Oberhand
gewonnen. Zugleich kam ihm das Bild eines anderen Mädchens
in den Sinn, das ihm in letzter Zeit ſchon manchmal hübſcher
vorkam, als die Resl, welche er doch — dies fühlte er jetzt —
mehr aus falſchem Ehrgeiz als aus Neigung gefreit hätte, und
er dachte: „da gibt’s eine ganz andere Art, ſich zu rächen, die
keinem Menſchen einen Schaden bringt.“ — Am ſpäten Abend
nahm nun der Franz von ſeiner Braut und dem künftigen
Schwiegervater Abſchied, und zwar mit dem Verſprechen, bald
wieder zu kommen, der Resl aber verſprach er noch dazu, ihr
am andern Morgen ein goldenes Ringel zu ſchicken. — Kaum
war er jedoch fort, als die Resl ein unerklärliches Angſtgefühl
überkam. „Wenn dem Franz auf dem Heimwege ein Unglück
geſchäh’!“ dachte ſie, und immer ſchwerer und ſchwerer ward’s
ihr um’s Herz, ſo daß ſie ſich verlobte, eine Wallfahrt auf den
Riedererſtein *) zu machen, wenn ihr lieber Franz gut heim-
kommt. — Franz ging, mit allen Gedanken in ſein unerwartetes
*) Ein Wallfahrtskirchlein auf ſchroffer Felſenhöh’ unweit unſerem Thal.
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