Da sah ich erst ein traurig Heer, Wenig Volk, viel Fähnlein dabei, Die waren von Farben mancherlei, Waren zerrissen und zerplundert, In meinem Traume es mich sehr wundert, Was doch das all bedeuten thät? Funfzehn schwarze Fähnlein man hätt, Die trug man um ein Leich herum, Ich erschrack sehr, und sah mich um, Da sah ich ein Haufen in schwarzem Kleid, Die trugen allesamt groß Leid, Und wollten auch mitgehn zu Grab. Nach der Leich, da ritt ein Knab, Der hatt einen schwarzen Harnisch an, Däucht mich es war ein Edelmann, In der Hand hatt' er ein bloßes Schwerdt, Die Spitze kehrt' er zu der Erd, Und saß so gewaltig verdrossen, Auch war der Harnisch durchschossen, Hinten unter dem Gürtel 'nein, Ich dacht, weß mag die Leiche seyn? Von ferne sah ich ein heidnisch Weib, Von hohem Blick, von stolzem Leib, Mit Schwerdt und Harnisch samt Sturmhauben, Gekleidet wie ein Kriegesmann, Sie sah mich also traurig an. Ich sprach: "Ach Frau, thut mir erlauben, "Auf daß ich euch möcht reden an."
Da ſah ich erſt ein traurig Heer, Wenig Volk, viel Faͤhnlein dabei, Die waren von Farben mancherlei, Waren zerriſſen und zerplundert, In meinem Traume es mich ſehr wundert, Was doch das all bedeuten thaͤt? Funfzehn ſchwarze Faͤhnlein man haͤtt, Die trug man um ein Leich herum, Ich erſchrack ſehr, und ſah mich um, Da ſah ich ein Haufen in ſchwarzem Kleid, Die trugen alleſamt groß Leid, Und wollten auch mitgehn zu Grab. Nach der Leich, da ritt ein Knab, Der hatt einen ſchwarzen Harniſch an, Daͤucht mich es war ein Edelmann, In der Hand hatt' er ein bloßes Schwerdt, Die Spitze kehrt' er zu der Erd, Und ſaß ſo gewaltig verdroſſen, Auch war der Harniſch durchſchoſſen, Hinten unter dem Guͤrtel 'nein, Ich dacht, weß mag die Leiche ſeyn? Von ferne ſah ich ein heidniſch Weib, Von hohem Blick, von ſtolzem Leib, Mit Schwerdt und Harniſch ſamt Sturmhauben, Gekleidet wie ein Kriegesmann, Sie ſah mich alſo traurig an. Ich ſprach: „Ach Frau, thut mir erlauben, „Auf daß ich euch moͤcht reden an.“
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Da ſah ich erſt ein traurig Heer,
Wenig Volk, viel Faͤhnlein dabei,
Die waren von Farben mancherlei,
Waren zerriſſen und zerplundert,
In meinem Traume es mich ſehr wundert,
Was doch das all bedeuten thaͤt?
Funfzehn ſchwarze Faͤhnlein man haͤtt,
Die trug man um ein Leich herum,
Ich erſchrack ſehr, und ſah mich um,
Da ſah ich ein Haufen in ſchwarzem Kleid,
Die trugen alleſamt groß Leid,
Und wollten auch mitgehn zu Grab.
Nach der Leich, da ritt ein Knab,
Der hatt einen ſchwarzen Harniſch an,
Daͤucht mich es war ein Edelmann,
In der Hand hatt' er ein bloßes Schwerdt,
Die Spitze kehrt' er zu der Erd,
Und ſaß ſo gewaltig verdroſſen,
Auch war der Harniſch durchſchoſſen,
Hinten unter dem Guͤrtel 'nein,
Ich dacht, weß mag die Leiche ſeyn?
Von ferne ſah ich ein heidniſch Weib,
Von hohem Blick, von ſtolzem Leib,
Mit Schwerdt und Harniſch ſamt Sturmhauben,
Gekleidet wie ein Kriegesmann,
Sie ſah mich alſo traurig an.
Ich ſprach: „Ach Frau, thut mir erlauben,
„Auf daß ich euch moͤcht reden an.“
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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806, S. 271[281]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn01_1806/290>, abgerufen am 18.06.2024.
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