Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 1. Heidelberg, 1806.die wir verstoßen und verfolgt haben: Durch so viel Liebe konn- Auch die hellen Triangel der Böhmischen Bergleute klingen *) Wenn ich es verkehrt kenne, wie die Alten in vielen Schulen betrieben,
so ist es meine Erfahrung. An allem Orten des Altdeutschen war nichts, des Lateins zu viel, des Griechischen zu wenig. Verkehrt nenne ich der Annäherung Schulen nationale Geschichte, das Eigenste des Volks den Alten nachzubilden, da doch diese nur wegen dieser erschöpfenden Natio- nalität vortrefflich sind. Bis jetzt sind unsre Chroniken unsre einzigen Hi- storiker, alle andern in conventioneller Ziererey und Ansicht versunken, und diese werden in Schulen ebenso wenig zugelassen, als die nationalen epi- schen Gedichte, ja es möchte den meisten Schulmännern sehr wunderlich noch vorkommen, wenn ich ihnen die Volkslieder als lehrreicher zur Dekla- die wir verſtoßen und verfolgt haben: Durch ſo viel Liebe konn- Auch die hellen Triangel der Boͤhmiſchen Bergleute klingen *) Wenn ich es verkehrt kenne, wie die Alten in vielen Schulen betrieben,
ſo iſt es meine Erfahrung. An allem Orten des Altdeutſchen war nichts, des Lateins zu viel, des Griechiſchen zu wenig. Verkehrt nenne ich der Annaͤherung Schulen nationale Geſchichte, das Eigenſte des Volks den Alten nachzubilden, da doch dieſe nur wegen dieſer erſchoͤpfenden Natio- nalitaͤt vortrefflich ſind. Bis jetzt ſind unſre Chroniken unſre einzigen Hi- ſtoriker, alle andern in conventioneller Ziererey und Anſicht verſunken, und dieſe werden in Schulen ebenſo wenig zugelaſſen, als die nationalen epi- ſchen Gedichte, ja es moͤchte den meiſten Schulmaͤnnern ſehr wunderlich noch vorkommen, wenn ich ihnen die Volkslieder als lehrreicher zur Dekla- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0461" n="442[452]"/> die wir verſtoßen und verfolgt haben: Durch ſo viel Liebe konn-<lb/> ten ſie keine Heimath erwerben! —</p><lb/> <p>Auch die hellen Triangel der Boͤhmiſchen Bergleute klingen<lb/> den Kindern nicht mehr, am Leitbande darnach zu treten: die<lb/> treuen heilgen Drey Koͤnige begruͤßen ſie nicht mehr! — Aber<lb/> was rede ich von Kindern, waͤhrend die Politiker zehnmal in<lb/> einer Viertelſtunde zwiſchen Aufklaͤrung und Verfinſterung die<lb/> Welt wenden laſſen, weil es in ihre Koͤpfe aus allen Ecken<lb/> hineinblaͤſt, den alten Staub zu heben und wegzutreiben, viel-<lb/> leicht iſt in der Zeit anders geſchehen, was nicht bemerkt wurde,<lb/> eben weil es geſchah? — Das Wandern der Handwerker wird<lb/> beſchraͤnkt, wenigſtens verkuͤmmert, der Kriegsdienſt in fremdem<lb/> Lande hoͤrt ganz auf, den Studenten ſucht man ihre Weisheit allent-<lb/> halben im Vaterlande auszumitteln und zwingt ſie voraus darin zu<lb/> bleiben, waͤhrend es gerade das hoͤchſte Verdienſt freyer Jahre, das<lb/> Fremde in ganzer Kraft zu empfangen, das Einheimiſche damit aus<lb/> zugleichen. Dafuͤr wird dem Landmann gelehrt, was er nicht<lb/> braucht, Schreiben, Leſen, Rechnen, da er wenig Gutes mehr<lb/> zu leſen, nichts aufzuſchreiben, noch weniger zu berechnen hat.<lb/> In der Stadt macht die koͤrperliche Uebung druͤckender geiſti-<lb/> ger Anſtrengung Platz, um Kinder in die Plaͤtze der Maͤnner<lb/> einzuſchieben. Es mag verkehrt ſeyn <note xml:id="note-0461" next="#note-0462" place="foot" n="*)">Wenn ich es verkehrt kenne, wie die Alten in vielen Schulen betrieben,<lb/> ſo iſt es meine Erfahrung. An allem Orten des Altdeutſchen war nichts,<lb/> des Lateins zu viel, des Griechiſchen zu wenig. Verkehrt nenne ich der<lb/> Annaͤherung Schulen nationale Geſchichte, das Eigenſte des Volks den<lb/> Alten nachzubilden, da doch dieſe nur wegen dieſer erſchoͤpfenden Natio-<lb/> nalitaͤt vortrefflich ſind. Bis jetzt ſind unſre Chroniken unſre einzigen Hi-<lb/> ſtoriker, alle andern in conventioneller Ziererey und Anſicht verſunken, und<lb/> dieſe werden in Schulen ebenſo wenig zugelaſſen, als die nationalen epi-<lb/> ſchen Gedichte, ja es moͤchte den meiſten Schulmaͤnnern ſehr wunderlich<lb/> noch vorkommen, wenn ich ihnen die Volkslieder als lehrreicher zur Dekla-</note>, wie zuweilen die Alten<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [442[452]/0461]
die wir verſtoßen und verfolgt haben: Durch ſo viel Liebe konn-
ten ſie keine Heimath erwerben! —
Auch die hellen Triangel der Boͤhmiſchen Bergleute klingen
den Kindern nicht mehr, am Leitbande darnach zu treten: die
treuen heilgen Drey Koͤnige begruͤßen ſie nicht mehr! — Aber
was rede ich von Kindern, waͤhrend die Politiker zehnmal in
einer Viertelſtunde zwiſchen Aufklaͤrung und Verfinſterung die
Welt wenden laſſen, weil es in ihre Koͤpfe aus allen Ecken
hineinblaͤſt, den alten Staub zu heben und wegzutreiben, viel-
leicht iſt in der Zeit anders geſchehen, was nicht bemerkt wurde,
eben weil es geſchah? — Das Wandern der Handwerker wird
beſchraͤnkt, wenigſtens verkuͤmmert, der Kriegsdienſt in fremdem
Lande hoͤrt ganz auf, den Studenten ſucht man ihre Weisheit allent-
halben im Vaterlande auszumitteln und zwingt ſie voraus darin zu
bleiben, waͤhrend es gerade das hoͤchſte Verdienſt freyer Jahre, das
Fremde in ganzer Kraft zu empfangen, das Einheimiſche damit aus
zugleichen. Dafuͤr wird dem Landmann gelehrt, was er nicht
braucht, Schreiben, Leſen, Rechnen, da er wenig Gutes mehr
zu leſen, nichts aufzuſchreiben, noch weniger zu berechnen hat.
In der Stadt macht die koͤrperliche Uebung druͤckender geiſti-
ger Anſtrengung Platz, um Kinder in die Plaͤtze der Maͤnner
einzuſchieben. Es mag verkehrt ſeyn *), wie zuweilen die Alten
*) Wenn ich es verkehrt kenne, wie die Alten in vielen Schulen betrieben,
ſo iſt es meine Erfahrung. An allem Orten des Altdeutſchen war nichts,
des Lateins zu viel, des Griechiſchen zu wenig. Verkehrt nenne ich der
Annaͤherung Schulen nationale Geſchichte, das Eigenſte des Volks den
Alten nachzubilden, da doch dieſe nur wegen dieſer erſchoͤpfenden Natio-
nalitaͤt vortrefflich ſind. Bis jetzt ſind unſre Chroniken unſre einzigen Hi-
ſtoriker, alle andern in conventioneller Ziererey und Anſicht verſunken, und
dieſe werden in Schulen ebenſo wenig zugelaſſen, als die nationalen epi-
ſchen Gedichte, ja es moͤchte den meiſten Schulmaͤnnern ſehr wunderlich
noch vorkommen, wenn ich ihnen die Volkslieder als lehrreicher zur Dekla-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |