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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808.

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Sie gaben der Frau Wirthin einen süßen Getrank,
Daß sie vom Stuhl ins Bette hinsank.
Das Mägdlein greift der Mutter wohl an den Mund:
Ach Mutter leb jetzt noch eine Stund!
Es greift der Mutter wohl an die Brust:
Ach Gott wenn das mein Vater wußt!
Es greift der Mutter wohl an die Händ:
Ach Mutter du bist am letzten End!
Es greift der Mutter wohl an die Füß:
Ach Mutter was ist der Schlaf so süß.
Sie legten es auf einen viereckten Tisch
Und theilten es wie ein Wasserfisch,
Und wo ein Tröpfchen Blut hinsprang,
Da saß ein Engel ein Jahr und sang.
Und wo der Mörder das Schwerdt hinlegt,
Da saß ein Rabe ein Jahr und kräht.



Der Geist beym verborgnen Schatze.

(Mündlich.)

Ich habe einen Schatz und den muß ich meiden,
Muß von ihm gehn, kein Wort mit ihm zu reden,
Das Herze in dem Leibe möchte mir vergehn,
Den Sonntag, den Montag in aller fruh,
Schickt mir mein Schatz die traurige Botschaft zu,
Ich sollte ihn begleiten bis in das kühle Grab,
Dieweil er mich so treulich geliebet hat.
Ich habe ein Herz, ist härter als ein Stein,
Wo tausend Seufzer verborgen seyn,
Viel lieber wär mirs, ich läg in einem Grab,
So käm ich ja von allem meinem Trauren ab.

Sie gaben der Frau Wirthin einen ſuͤßen Getrank,
Daß ſie vom Stuhl ins Bette hinſank.
Das Maͤgdlein greift der Mutter wohl an den Mund:
Ach Mutter leb jetzt noch eine Stund!
Es greift der Mutter wohl an die Bruſt:
Ach Gott wenn das mein Vater wußt!
Es greift der Mutter wohl an die Haͤnd:
Ach Mutter du biſt am letzten End!
Es greift der Mutter wohl an die Fuͤß:
Ach Mutter was iſt der Schlaf ſo ſuͤß.
Sie legten es auf einen viereckten Tiſch
Und theilten es wie ein Waſſerfiſch,
Und wo ein Troͤpfchen Blut hinſprang,
Da ſaß ein Engel ein Jahr und ſang.
Und wo der Moͤrder das Schwerdt hinlegt,
Da ſaß ein Rabe ein Jahr und kraͤht.



Der Geiſt beym verborgnen Schatze.

(Muͤndlich.)

Ich habe einen Schatz und den muß ich meiden,
Muß von ihm gehn, kein Wort mit ihm zu reden,
Das Herze in dem Leibe moͤchte mir vergehn,
Den Sonntag, den Montag in aller fruh,
Schickt mir mein Schatz die traurige Botſchaft zu,
Ich ſollte ihn begleiten bis in das kuͤhle Grab,
Dieweil er mich ſo treulich geliebet hat.
Ich habe ein Herz, iſt haͤrter als ein Stein,
Wo tauſend Seufzer verborgen ſeyn,
Viel lieber waͤr mirs, ich laͤg in einem Grab,
So kaͤm ich ja von allem meinem Trauren ab.

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[201/0213] Sie gaben der Frau Wirthin einen ſuͤßen Getrank, Daß ſie vom Stuhl ins Bette hinſank. Das Maͤgdlein greift der Mutter wohl an den Mund: Ach Mutter leb jetzt noch eine Stund! Es greift der Mutter wohl an die Bruſt: Ach Gott wenn das mein Vater wußt! Es greift der Mutter wohl an die Haͤnd: Ach Mutter du biſt am letzten End! Es greift der Mutter wohl an die Fuͤß: Ach Mutter was iſt der Schlaf ſo ſuͤß. Sie legten es auf einen viereckten Tiſch Und theilten es wie ein Waſſerfiſch, Und wo ein Troͤpfchen Blut hinſprang, Da ſaß ein Engel ein Jahr und ſang. Und wo der Moͤrder das Schwerdt hinlegt, Da ſaß ein Rabe ein Jahr und kraͤht. Der Geiſt beym verborgnen Schatze. (Muͤndlich.) Ich habe einen Schatz und den muß ich meiden, Muß von ihm gehn, kein Wort mit ihm zu reden, Das Herze in dem Leibe moͤchte mir vergehn, Den Sonntag, den Montag in aller fruh, Schickt mir mein Schatz die traurige Botſchaft zu, Ich ſollte ihn begleiten bis in das kuͤhle Grab, Dieweil er mich ſo treulich geliebet hat. Ich habe ein Herz, iſt haͤrter als ein Stein, Wo tauſend Seufzer verborgen ſeyn, Viel lieber waͤr mirs, ich laͤg in einem Grab, So kaͤm ich ja von allem meinem Trauren ab.

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Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808/213>, abgerufen am 26.11.2024.