Mit ihren Jungfrauen da erschien, Die heilge Jungfrau Katharin, Dem Grafen, der vor dem Altar, Da lag und halb entschlafen war. Ging zu ihm hin, wischt seine Augen Mit ihren beyden Beyjungfraueu. Sie sprach zu ihm: "Hast unrecht gethan, "Daß du mich so verlassen Mann, "Auf dich genommen andre Last, "Dein Treu an mir gebrochen hast, "Doch hast du mich ziemlicher massen "Geliebt und mich nicht gar verlassen. "Steh auf und geh mit Freuden heim, "Dir soll diesmal geholfen seyn. "Dein Hausfrau ist lebendig worden, "Hat eine Tochter dir geboren. "Die wird dir lange Zeit nachleben, "Der sollst du meinen Namen geben, "In ihrem Gebet wird sie sich üben, "Daß Gott der Herr sie sehr wird lieben, "Also, daß sie in einem Jahr "Den Großvater aus grosser Gefahr "Des Fegefeuers erlösen wird, "Der immer noch im Feuer irrt." Sie neigt sich ihm, wischt seine Augen, Die Thränen ihr Händ einsaugen. Doch wie der Bircken weisse Rinde, So wächst ein Handschuh davon geschwinde Auf ihren Händen weiß wie Schnee, Den streift sie ab, als sie zur Höh, Der fällt und weckt ihn am Altar.
Mit ihren Jungfrauen da erſchien, Die heilge Jungfrau Katharin, Dem Grafen, der vor dem Altar, Da lag und halb entſchlafen war. Ging zu ihm hin, wiſcht ſeine Augen Mit ihren beyden Beyjungfraueu. Sie ſprach zu ihm: „Haſt unrecht gethan, „Daß du mich ſo verlaſſen Mann, „Auf dich genommen andre Laſt, „Dein Treu an mir gebrochen haſt, „Doch haſt du mich ziemlicher maſſen „Geliebt und mich nicht gar verlaſſen. „Steh auf und geh mit Freuden heim, „Dir ſoll diesmal geholfen ſeyn. „Dein Hausfrau iſt lebendig worden, „Hat eine Tochter dir geboren. „Die wird dir lange Zeit nachleben, „Der ſollſt du meinen Namen geben, „In ihrem Gebet wird ſie ſich uͤben, „Daß Gott der Herr ſie ſehr wird lieben, „Alſo, daß ſie in einem Jahr „Den Großvater aus groſſer Gefahr „Des Fegefeuers erloͤſen wird, „Der immer noch im Feuer irrt.“ Sie neigt ſich ihm, wiſcht ſeine Augen, Die Thraͤnen ihr Haͤnd einſaugen. Doch wie der Bircken weiſſe Rinde, So waͤchſt ein Handſchuh davon geſchwinde Auf ihren Haͤnden weiß wie Schnee, Den ſtreift ſie ab, als ſie zur Hoͤh, Der faͤllt und weckt ihn am Altar.
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Mit ihren Jungfrauen da erſchien,
Die heilge Jungfrau Katharin,
Dem Grafen, der vor dem Altar,
Da lag und halb entſchlafen war.
Ging zu ihm hin, wiſcht ſeine Augen
Mit ihren beyden Beyjungfraueu.
Sie ſprach zu ihm: „Haſt unrecht gethan,
„Daß du mich ſo verlaſſen Mann,
„Auf dich genommen andre Laſt,
„Dein Treu an mir gebrochen haſt,
„Doch haſt du mich ziemlicher maſſen
„Geliebt und mich nicht gar verlaſſen.
„Steh auf und geh mit Freuden heim,
„Dir ſoll diesmal geholfen ſeyn.
„Dein Hausfrau iſt lebendig worden,
„Hat eine Tochter dir geboren.
„Die wird dir lange Zeit nachleben,
„Der ſollſt du meinen Namen geben,
„In ihrem Gebet wird ſie ſich uͤben,
„Daß Gott der Herr ſie ſehr wird lieben,
„Alſo, daß ſie in einem Jahr
„Den Großvater aus groſſer Gefahr
„Des Fegefeuers erloͤſen wird,
„Der immer noch im Feuer irrt.“
Sie neigt ſich ihm, wiſcht ſeine Augen,
Die Thraͤnen ihr Haͤnd einſaugen.
Doch wie der Bircken weiſſe Rinde,
So waͤchſt ein Handſchuh davon geſchwinde
Auf ihren Haͤnden weiß wie Schnee,
Den ſtreift ſie ab, als ſie zur Hoͤh,
Der faͤllt und weckt ihn am Altar.
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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808/335>, abgerufen am 21.11.2024.
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