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Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808.

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"Die ist des Pfarrers Schwester nicht,
"Es ist ein andere der Frist,
"Die tausendmal viel schöner ist.
Stand also auf von seinem Bett,
Als wenn er noch zu buhlen hätt,
Ging doch nur wieder von ihr hin,
Wie vor auch zu Sankt Katharin.
Ob dieser Antwort das Gemüth
Der Gräfin war so tief betrübt,
Sie sprang im Zorn vom Bett herab
Und stach sich selbst die Kehle ab.
Der Graf von dem Gebet heimkam,
Die Trauerbotschaft nun vernahm,
Sah sein Gemahl des Tods verschieden
Und dort im Blut umwälzet liegen,
Erschrack er sehr, sein Herz ward kühl,
Daß er in ein Ohnmacht hinfiel.
Da er nun wieder zu sich kam
Hub bitterlich zu weinen an,
Klopft an sein Herz, rauft aus sein Haar,
Und sprach zu sich in der Gefahr:
"O heilge, heilge Katharin,
"Sieh an, in welcher Noth ich bin,
"Ach ich hab meine Treu verloren,
"Und bin meinneidig an dir worden."
Mit diesen Worten lief er hin
Zur Kirche der Sankt Katharin,
Mit Seufzen er sein Bitt vorbracht,
Bis um ihn her war dunkle Nacht,
Und traurig prächtig Stern bey Stern,
Durchs Kirchenfenster sah von fern.

„Die iſt des Pfarrers Schweſter nicht,
„Es iſt ein andere der Friſt,
„Die tauſendmal viel ſchoͤner iſt.
Stand alſo auf von ſeinem Bett,
Als wenn er noch zu buhlen haͤtt,
Ging doch nur wieder von ihr hin,
Wie vor auch zu Sankt Katharin.
Ob dieſer Antwort das Gemuͤth
Der Graͤfin war ſo tief betruͤbt,
Sie ſprang im Zorn vom Bett herab
Und ſtach ſich ſelbſt die Kehle ab.
Der Graf von dem Gebet heimkam,
Die Trauerbotſchaft nun vernahm,
Sah ſein Gemahl des Tods verſchieden
Und dort im Blut umwaͤlzet liegen,
Erſchrack er ſehr, ſein Herz ward kuͤhl,
Daß er in ein Ohnmacht hinfiel.
Da er nun wieder zu ſich kam
Hub bitterlich zu weinen an,
Klopft an ſein Herz, rauft aus ſein Haar,
Und ſprach zu ſich in der Gefahr:
„O heilge, heilge Katharin,
„Sieh an, in welcher Noth ich bin,
„Ach ich hab meine Treu verloren,
„Und bin meinneidig an dir worden.“
Mit dieſen Worten lief er hin
Zur Kirche der Sankt Katharin,
Mit Seufzen er ſein Bitt vorbracht,
Bis um ihn her war dunkle Nacht,
Und traurig praͤchtig Stern bey Stern,
Durchs Kirchenfenſter ſah von fern.

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[322/0334] „Die iſt des Pfarrers Schweſter nicht, „Es iſt ein andere der Friſt, „Die tauſendmal viel ſchoͤner iſt. Stand alſo auf von ſeinem Bett, Als wenn er noch zu buhlen haͤtt, Ging doch nur wieder von ihr hin, Wie vor auch zu Sankt Katharin. Ob dieſer Antwort das Gemuͤth Der Graͤfin war ſo tief betruͤbt, Sie ſprang im Zorn vom Bett herab Und ſtach ſich ſelbſt die Kehle ab. Der Graf von dem Gebet heimkam, Die Trauerbotſchaft nun vernahm, Sah ſein Gemahl des Tods verſchieden Und dort im Blut umwaͤlzet liegen, Erſchrack er ſehr, ſein Herz ward kuͤhl, Daß er in ein Ohnmacht hinfiel. Da er nun wieder zu ſich kam Hub bitterlich zu weinen an, Klopft an ſein Herz, rauft aus ſein Haar, Und ſprach zu ſich in der Gefahr: „O heilge, heilge Katharin, „Sieh an, in welcher Noth ich bin, „Ach ich hab meine Treu verloren, „Und bin meinneidig an dir worden.“ Mit dieſen Worten lief er hin Zur Kirche der Sankt Katharin, Mit Seufzen er ſein Bitt vorbracht, Bis um ihn her war dunkle Nacht, Und traurig praͤchtig Stern bey Stern, Durchs Kirchenfenſter ſah von fern.

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Zitationshilfe: Arnim, Achim von; Brentano, Clemens: Des Knaben Wunderhorn. Bd. 2. Heidelberg, 1808, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnim_wunderhorn02_1808/334>, abgerufen am 21.11.2024.