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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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ten Mauern, aus dem schwebte sie hervor und sah
mich ängstlich an und deutete mir, daß sie nicht sprechen
könne; -- ich lief wieder zum Schlafzimmer der Ge-
schwister und rief: nein, es ist gewiß wahr, denn mir
hat geträumt, daß ich sie gesehen habe, und ich hab'
gefragt: Günderode, warum hast Du mir dies gethan?
Und da hat sie geschwiegen und hat den Kopf gesenkt
und hat sich traurig nicht verantworten können. --
Nun überlegte ich im Bett alles, und besann mich, daß
sie mir früher gesagt hatte, sie wolle sich erst mit mir
entzweien eh' sie diesen Entschluß ausführen werde; nun
war mir unsre Trennung erklärt, auch daß sie mir ein
Zeichen geben werde, wenn ihr Entschluß reif sei; --
das war also die Geschichte von ihrer todten Schwester,
die sie mir ein halb Jahr früher mittheilte; da war
der Entschluß schon gefaßt. -- O ihr großen Seelen,
dieses Lamm in seiner Unschuld, dieses junge zaghafte
Herz, welche ungeheure Gewalt hat es bewogen, so zu
handeln? -- Am andern Morgen fuhren wir bei früher
Zeit auf dem Rhein weiter; -- Franz hatte befohlen,
daß das Schiff jenseits sich halten solle, um zu vermei-
den, daß wir dem Platz zu nahe kämen, aber dort stand
der Fritz Schlosser am Ufer, und der Bauer, der sie ge-
funden, zeigte ihm, wo der Kopf gelegen hatte und die

ten Mauern, aus dem ſchwebte ſie hervor und ſah
mich ängſtlich an und deutete mir, daß ſie nicht ſprechen
könne; — ich lief wieder zum Schlafzimmer der Ge-
ſchwiſter und rief: nein, es iſt gewiß wahr, denn mir
hat geträumt, daß ich ſie geſehen habe, und ich hab'
gefragt: Günderode, warum haſt Du mir dies gethan?
Und da hat ſie geſchwiegen und hat den Kopf geſenkt
und hat ſich traurig nicht verantworten können. —
Nun überlegte ich im Bett alles, und beſann mich, daß
ſie mir früher geſagt hatte, ſie wolle ſich erſt mit mir
entzweien eh' ſie dieſen Entſchluß ausführen werde; nun
war mir unſre Trennung erklärt, auch daß ſie mir ein
Zeichen geben werde, wenn ihr Entſchluß reif ſei; —
das war alſo die Geſchichte von ihrer todten Schweſter,
die ſie mir ein halb Jahr früher mittheilte; da war
der Entſchluß ſchon gefaßt. — O ihr großen Seelen,
dieſes Lamm in ſeiner Unſchuld, dieſes junge zaghafte
Herz, welche ungeheure Gewalt hat es bewogen, ſo zu
handeln? — Am andern Morgen fuhren wir bei früher
Zeit auf dem Rhein weiter; — Franz hatte befohlen,
daß das Schiff jenſeits ſich halten ſolle, um zu vermei-
den, daß wir dem Platz zu nahe kämen, aber dort ſtand
der Fritz Schloſſer am Ufer, und der Bauer, der ſie ge-
funden, zeigte ihm, wo der Kopf gelegen hatte und die

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[109/0141] ten Mauern, aus dem ſchwebte ſie hervor und ſah mich ängſtlich an und deutete mir, daß ſie nicht ſprechen könne; — ich lief wieder zum Schlafzimmer der Ge- ſchwiſter und rief: nein, es iſt gewiß wahr, denn mir hat geträumt, daß ich ſie geſehen habe, und ich hab' gefragt: Günderode, warum haſt Du mir dies gethan? Und da hat ſie geſchwiegen und hat den Kopf geſenkt und hat ſich traurig nicht verantworten können. — Nun überlegte ich im Bett alles, und beſann mich, daß ſie mir früher geſagt hatte, ſie wolle ſich erſt mit mir entzweien eh' ſie dieſen Entſchluß ausführen werde; nun war mir unſre Trennung erklärt, auch daß ſie mir ein Zeichen geben werde, wenn ihr Entſchluß reif ſei; — das war alſo die Geſchichte von ihrer todten Schweſter, die ſie mir ein halb Jahr früher mittheilte; da war der Entſchluß ſchon gefaßt. — O ihr großen Seelen, dieſes Lamm in ſeiner Unſchuld, dieſes junge zaghafte Herz, welche ungeheure Gewalt hat es bewogen, ſo zu handeln? — Am andern Morgen fuhren wir bei früher Zeit auf dem Rhein weiter; — Franz hatte befohlen, daß das Schiff jenſeits ſich halten ſolle, um zu vermei- den, daß wir dem Platz zu nahe kämen, aber dort ſtand der Fritz Schloſſer am Ufer, und der Bauer, der ſie ge- funden, zeigte ihm, wo der Kopf gelegen hatte und die

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/141>, abgerufen am 21.11.2024.