Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Bein, und band es geschickt an dem Tischbein fest,
ganz heimlich, daß es Niemand sah; er ließ es gesche-
hen, ich sagte: bee good fine boy. -- Und nun waren
wir voll Scherz und Witz bis zum End' der Tafel, und
es war wirklich eine zärtliche Lust zwischen uns; und
ich ließ ihn sehr gern' meine Hand an sein Herz ziehen,
wie er sie küßte. --

Ich hab' meine Geschichte der Mutter erzählt', die
sagt', ich soll sie Dir schreiben, es sei ein artig Lust-
spiel für Dich, und Du würdest sie allein schön ausle-
gen; es ist ja wahr, Du! der es weiß, daß ich gern
den Nacken unter deine Füße lege, Du wirst mich nicht
schelten, daß ich der Kühnheit des Engländers, der gern
mit meinem Fuß gespielt hätte, keinen strengeren Ver-
weis gab. -- Du, der die Liebe erkennt, und die Fein-
heit der Sinne, o wie ist alles so schön in Dir; wie
rauschen die Lebensströme so kräftig durch dein erregtes
Herz, und stürzen sich mit Macht in die kalten Wellen
deiner Zeit, und brausen auf, daß Berg und Thal rau-
chen von Lebensgluth, und die Wälder stehen mit glü-
henden Stämmen an deinen Gestaden; und alles was
Du anblickst wird herrlich und lebendig. Gott, wie
gern möcht' ich jetzt bei Dir sein! und wär' ich im Flug,
weit über alle Zeiten, und schwebte über Dir: ich müßte

Bein, und band es geſchickt an dem Tiſchbein feſt,
ganz heimlich, daß es Niemand ſah; er ließ es geſche-
hen, ich ſagte: bee good fine boy. — Und nun waren
wir voll Scherz und Witz bis zum End' der Tafel, und
es war wirklich eine zärtliche Luſt zwiſchen uns; und
ich ließ ihn ſehr gern' meine Hand an ſein Herz ziehen,
wie er ſie küßte. —

Ich hab' meine Geſchichte der Mutter erzählt', die
ſagt', ich ſoll ſie Dir ſchreiben, es ſei ein artig Luſt-
ſpiel für Dich, und Du würdeſt ſie allein ſchön ausle-
gen; es iſt ja wahr, Du! der es weiß, daß ich gern
den Nacken unter deine Füße lege, Du wirſt mich nicht
ſchelten, daß ich der Kühnheit des Engländers, der gern
mit meinem Fuß geſpielt hätte, keinen ſtrengeren Ver-
weis gab. — Du, der die Liebe erkennt, und die Fein-
heit der Sinne, o wie iſt alles ſo ſchön in Dir; wie
rauſchen die Lebensſtröme ſo kräftig durch dein erregtes
Herz, und ſtürzen ſich mit Macht in die kalten Wellen
deiner Zeit, und brauſen auf, daß Berg und Thal rau-
chen von Lebensgluth, und die Wälder ſtehen mit glü-
henden Stämmen an deinen Geſtaden; und alles was
Du anblickſt wird herrlich und lebendig. Gott, wie
gern möcht' ich jetzt bei Dir ſein! und wär' ich im Flug,
weit über alle Zeiten, und ſchwebte über Dir: ich müßte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0174" n="142"/>
Bein, und band es ge&#x017F;chickt an dem Ti&#x017F;chbein fe&#x017F;t,<lb/>
ganz heimlich, daß es Niemand &#x017F;ah; er ließ es ge&#x017F;che-<lb/>
hen, ich &#x017F;agte: <hi rendition="#aq">bee good fine boy.</hi> &#x2014; Und nun waren<lb/>
wir voll Scherz und Witz bis zum End' der Tafel, und<lb/>
es war wirklich eine zärtliche Lu&#x017F;t zwi&#x017F;chen uns; und<lb/>
ich ließ ihn &#x017F;ehr gern' meine Hand an &#x017F;ein Herz ziehen,<lb/>
wie er &#x017F;ie küßte. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Ich hab' meine Ge&#x017F;chichte der Mutter erzählt', die<lb/>
&#x017F;agt', ich &#x017F;oll &#x017F;ie Dir &#x017F;chreiben, es &#x017F;ei ein artig Lu&#x017F;t-<lb/>
&#x017F;piel für Dich, und Du würde&#x017F;t &#x017F;ie allein &#x017F;chön ausle-<lb/>
gen; es i&#x017F;t ja wahr, Du! der es weiß, daß ich gern<lb/>
den <hi rendition="#g">Nacken</hi> unter deine Füße lege, Du wir&#x017F;t mich nicht<lb/>
&#x017F;chelten, daß ich der Kühnheit des Engländers, der gern<lb/>
mit meinem Fuß ge&#x017F;pielt hätte, keinen &#x017F;trengeren Ver-<lb/>
weis gab. &#x2014; Du, der die Liebe erkennt, und die Fein-<lb/>
heit der Sinne, o wie i&#x017F;t alles &#x017F;o &#x017F;chön in Dir; wie<lb/>
rau&#x017F;chen die Lebens&#x017F;tröme &#x017F;o kräftig durch dein erregtes<lb/>
Herz, und &#x017F;türzen &#x017F;ich mit Macht in die kalten Wellen<lb/>
deiner Zeit, und brau&#x017F;en auf, daß Berg und Thal rau-<lb/>
chen von Lebensgluth, und die Wälder &#x017F;tehen mit glü-<lb/>
henden Stämmen an deinen Ge&#x017F;taden; und alles was<lb/>
Du anblick&#x017F;t wird herrlich und lebendig. Gott, wie<lb/>
gern möcht' ich jetzt bei Dir &#x017F;ein! und wär' ich im Flug,<lb/>
weit über alle Zeiten, und &#x017F;chwebte über Dir: ich müßte<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[142/0174] Bein, und band es geſchickt an dem Tiſchbein feſt, ganz heimlich, daß es Niemand ſah; er ließ es geſche- hen, ich ſagte: bee good fine boy. — Und nun waren wir voll Scherz und Witz bis zum End' der Tafel, und es war wirklich eine zärtliche Luſt zwiſchen uns; und ich ließ ihn ſehr gern' meine Hand an ſein Herz ziehen, wie er ſie küßte. — Ich hab' meine Geſchichte der Mutter erzählt', die ſagt', ich ſoll ſie Dir ſchreiben, es ſei ein artig Luſt- ſpiel für Dich, und Du würdeſt ſie allein ſchön ausle- gen; es iſt ja wahr, Du! der es weiß, daß ich gern den Nacken unter deine Füße lege, Du wirſt mich nicht ſchelten, daß ich der Kühnheit des Engländers, der gern mit meinem Fuß geſpielt hätte, keinen ſtrengeren Ver- weis gab. — Du, der die Liebe erkennt, und die Fein- heit der Sinne, o wie iſt alles ſo ſchön in Dir; wie rauſchen die Lebensſtröme ſo kräftig durch dein erregtes Herz, und ſtürzen ſich mit Macht in die kalten Wellen deiner Zeit, und brauſen auf, daß Berg und Thal rau- chen von Lebensgluth, und die Wälder ſtehen mit glü- henden Stämmen an deinen Geſtaden; und alles was Du anblickſt wird herrlich und lebendig. Gott, wie gern möcht' ich jetzt bei Dir ſein! und wär' ich im Flug, weit über alle Zeiten, und ſchwebte über Dir: ich müßte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/174
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/174>, abgerufen am 17.05.2024.