Bein, und band es geschickt an dem Tischbein fest, ganz heimlich, daß es Niemand sah; er ließ es gesche- hen, ich sagte: bee good fine boy. -- Und nun waren wir voll Scherz und Witz bis zum End' der Tafel, und es war wirklich eine zärtliche Lust zwischen uns; und ich ließ ihn sehr gern' meine Hand an sein Herz ziehen, wie er sie küßte. --
Ich hab' meine Geschichte der Mutter erzählt', die sagt', ich soll sie Dir schreiben, es sei ein artig Lust- spiel für Dich, und Du würdest sie allein schön ausle- gen; es ist ja wahr, Du! der es weiß, daß ich gern den Nacken unter deine Füße lege, Du wirst mich nicht schelten, daß ich der Kühnheit des Engländers, der gern mit meinem Fuß gespielt hätte, keinen strengeren Ver- weis gab. -- Du, der die Liebe erkennt, und die Fein- heit der Sinne, o wie ist alles so schön in Dir; wie rauschen die Lebensströme so kräftig durch dein erregtes Herz, und stürzen sich mit Macht in die kalten Wellen deiner Zeit, und brausen auf, daß Berg und Thal rau- chen von Lebensgluth, und die Wälder stehen mit glü- henden Stämmen an deinen Gestaden; und alles was Du anblickst wird herrlich und lebendig. Gott, wie gern möcht' ich jetzt bei Dir sein! und wär' ich im Flug, weit über alle Zeiten, und schwebte über Dir: ich müßte
Bein, und band es geſchickt an dem Tiſchbein feſt, ganz heimlich, daß es Niemand ſah; er ließ es geſche- hen, ich ſagte: bee good fine boy. — Und nun waren wir voll Scherz und Witz bis zum End' der Tafel, und es war wirklich eine zärtliche Luſt zwiſchen uns; und ich ließ ihn ſehr gern' meine Hand an ſein Herz ziehen, wie er ſie küßte. —
Ich hab' meine Geſchichte der Mutter erzählt', die ſagt', ich ſoll ſie Dir ſchreiben, es ſei ein artig Luſt- ſpiel für Dich, und Du würdeſt ſie allein ſchön ausle- gen; es iſt ja wahr, Du! der es weiß, daß ich gern den Nacken unter deine Füße lege, Du wirſt mich nicht ſchelten, daß ich der Kühnheit des Engländers, der gern mit meinem Fuß geſpielt hätte, keinen ſtrengeren Ver- weis gab. — Du, der die Liebe erkennt, und die Fein- heit der Sinne, o wie iſt alles ſo ſchön in Dir; wie rauſchen die Lebensſtröme ſo kräftig durch dein erregtes Herz, und ſtürzen ſich mit Macht in die kalten Wellen deiner Zeit, und brauſen auf, daß Berg und Thal rau- chen von Lebensgluth, und die Wälder ſtehen mit glü- henden Stämmen an deinen Geſtaden; und alles was Du anblickſt wird herrlich und lebendig. Gott, wie gern möcht' ich jetzt bei Dir ſein! und wär' ich im Flug, weit über alle Zeiten, und ſchwebte über Dir: ich müßte
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0174"n="142"/>
Bein, und band es geſchickt an dem Tiſchbein feſt,<lb/>
ganz heimlich, daß es Niemand ſah; er ließ es geſche-<lb/>
hen, ich ſagte: <hirendition="#aq">bee good fine boy.</hi>— Und nun waren<lb/>
wir voll Scherz und Witz bis zum End' der Tafel, und<lb/>
es war wirklich eine zärtliche Luſt zwiſchen uns; und<lb/>
ich ließ ihn ſehr gern' meine Hand an ſein Herz ziehen,<lb/>
wie er ſie küßte. —</p><lb/><p>Ich hab' meine Geſchichte der Mutter erzählt', die<lb/>ſagt', ich ſoll ſie Dir ſchreiben, es ſei ein artig Luſt-<lb/>ſpiel für Dich, und Du würdeſt ſie allein ſchön ausle-<lb/>
gen; es iſt ja wahr, Du! der es weiß, daß ich gern<lb/>
den <hirendition="#g">Nacken</hi> unter deine Füße lege, Du wirſt mich nicht<lb/>ſchelten, daß ich der Kühnheit des Engländers, der gern<lb/>
mit meinem Fuß geſpielt hätte, keinen ſtrengeren Ver-<lb/>
weis gab. — Du, der die Liebe erkennt, und die Fein-<lb/>
heit der Sinne, o wie iſt alles ſo ſchön in Dir; wie<lb/>
rauſchen die Lebensſtröme ſo kräftig durch dein erregtes<lb/>
Herz, und ſtürzen ſich mit Macht in die kalten Wellen<lb/>
deiner Zeit, und brauſen auf, daß Berg und Thal rau-<lb/>
chen von Lebensgluth, und die Wälder ſtehen mit glü-<lb/>
henden Stämmen an deinen Geſtaden; und alles was<lb/>
Du anblickſt wird herrlich und lebendig. Gott, wie<lb/>
gern möcht' ich jetzt bei Dir ſein! und wär' ich im Flug,<lb/>
weit über alle Zeiten, und ſchwebte über Dir: ich müßte<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[142/0174]
Bein, und band es geſchickt an dem Tiſchbein feſt,
ganz heimlich, daß es Niemand ſah; er ließ es geſche-
hen, ich ſagte: bee good fine boy. — Und nun waren
wir voll Scherz und Witz bis zum End' der Tafel, und
es war wirklich eine zärtliche Luſt zwiſchen uns; und
ich ließ ihn ſehr gern' meine Hand an ſein Herz ziehen,
wie er ſie küßte. —
Ich hab' meine Geſchichte der Mutter erzählt', die
ſagt', ich ſoll ſie Dir ſchreiben, es ſei ein artig Luſt-
ſpiel für Dich, und Du würdeſt ſie allein ſchön ausle-
gen; es iſt ja wahr, Du! der es weiß, daß ich gern
den Nacken unter deine Füße lege, Du wirſt mich nicht
ſchelten, daß ich der Kühnheit des Engländers, der gern
mit meinem Fuß geſpielt hätte, keinen ſtrengeren Ver-
weis gab. — Du, der die Liebe erkennt, und die Fein-
heit der Sinne, o wie iſt alles ſo ſchön in Dir; wie
rauſchen die Lebensſtröme ſo kräftig durch dein erregtes
Herz, und ſtürzen ſich mit Macht in die kalten Wellen
deiner Zeit, und brauſen auf, daß Berg und Thal rau-
chen von Lebensgluth, und die Wälder ſtehen mit glü-
henden Stämmen an deinen Geſtaden; und alles was
Du anblickſt wird herrlich und lebendig. Gott, wie
gern möcht' ich jetzt bei Dir ſein! und wär' ich im Flug,
weit über alle Zeiten, und ſchwebte über Dir: ich müßte
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/174>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.