Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

In Kassel bleib' ich vierzehn Tage, dort werd' ich
der Mutter schreiben; sie weiß noch nicht, daß ich bei
Dir war.

Bettine.
An Bettine.

War unersättlich nach viel tausend Küssen,
Und mußt' mit Einem Kuß am Ende scheiden.
Bei solcher Trennung herb empfundnem Leiden
War mir das Ufer, dem ich mich entrissen,
Mit Wohnungen, mit Bergen, Hügeln, Flüssen,
So lang' ich's deutlich sah, ein Schatz der Freuden.
Zuletzt im Blauen blieb ein Augenweiden
An fern entwichnen lichten Finsternissen.
Und endlich als das Meer den Blick umgränzte,
Fiel mir's zurück in's Herz, mein heiß Verlangen,
Ich suchte mein Verlornes gar verdrossen.
Da war es gleich als ob der Himmel glänzte,
Mir schien, als wäre nichts mir, nichts entgangen,
Als hätt' ich alles, was ich je genossen.



7**

In Kaſſel bleib' ich vierzehn Tage, dort werd' ich
der Mutter ſchreiben; ſie weiß noch nicht, daß ich bei
Dir war.

Bettine.
An Bettine.

War unerſättlich nach viel tauſend Küſſen,
Und mußt' mit Einem Kuß am Ende ſcheiden.
Bei ſolcher Trennung herb empfundnem Leiden
War mir das Ufer, dem ich mich entriſſen,
Mit Wohnungen, mit Bergen, Hügeln, Flüſſen,
So lang' ich's deutlich ſah, ein Schatz der Freuden.
Zuletzt im Blauen blieb ein Augenweiden
An fern entwichnen lichten Finſterniſſen.
Und endlich als das Meer den Blick umgränzte,
Fiel mir's zurück in's Herz, mein heiß Verlangen,
Ich ſuchte mein Verlornes gar verdroſſen.
Da war es gleich als ob der Himmel glänzte,
Mir ſchien, als wäre nichts mir, nichts entgangen,
Als hätt' ich alles, was ich je genoſſen.



7**
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0185" n="153"/>
          <p>In Ka&#x017F;&#x017F;el bleib' ich vierzehn Tage, dort werd' ich<lb/>
der Mutter &#x017F;chreiben; &#x017F;ie weiß noch nicht, daß ich bei<lb/>
Dir war.</p><lb/>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#et">Bettine.</hi> </salute>
          </closer>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <opener>
            <salute>An Bettine.</salute>
          </opener><lb/>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>War uner&#x017F;ättlich nach viel tau&#x017F;end Kü&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>Und mußt' mit Einem Kuß am Ende &#x017F;cheiden.</l><lb/>
              <l>Bei &#x017F;olcher Trennung herb empfundnem Leiden</l><lb/>
              <l>War mir das Ufer, <hi rendition="#g">dem</hi> ich mich entri&#x017F;&#x017F;en,</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="2">
              <l>Mit Wohnungen, mit Bergen, Hügeln, Flü&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
              <l>So lang' ich's deutlich &#x017F;ah, ein Schatz der Freuden.</l><lb/>
              <l>Zuletzt im Blauen blieb ein Augenweiden</l><lb/>
              <l>An fern entwichnen lichten Fin&#x017F;terni&#x017F;&#x017F;en.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="3">
              <l>Und endlich als das Meer den Blick umgränzte,</l><lb/>
              <l>Fiel mir's zurück in's Herz, mein heiß Verlangen,</l><lb/>
              <l>Ich &#x017F;uchte mein Verlornes gar verdro&#x017F;&#x017F;en.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="4">
              <l>Da war es gleich als ob der Himmel glänzte,</l><lb/>
              <l>Mir &#x017F;chien, als wäre nichts mir, nichts entgangen,</l><lb/>
              <l>Als hätt' ich alles, was ich je geno&#x017F;&#x017F;en.</l>
            </lg><lb/>
            <l>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
            </l>
            <fw place="bottom" type="sig">7**</fw><lb/>
            <l>
</l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[153/0185] In Kaſſel bleib' ich vierzehn Tage, dort werd' ich der Mutter ſchreiben; ſie weiß noch nicht, daß ich bei Dir war. Bettine. An Bettine. War unerſättlich nach viel tauſend Küſſen, Und mußt' mit Einem Kuß am Ende ſcheiden. Bei ſolcher Trennung herb empfundnem Leiden War mir das Ufer, dem ich mich entriſſen, Mit Wohnungen, mit Bergen, Hügeln, Flüſſen, So lang' ich's deutlich ſah, ein Schatz der Freuden. Zuletzt im Blauen blieb ein Augenweiden An fern entwichnen lichten Finſterniſſen. Und endlich als das Meer den Blick umgränzte, Fiel mir's zurück in's Herz, mein heiß Verlangen, Ich ſuchte mein Verlornes gar verdroſſen. Da war es gleich als ob der Himmel glänzte, Mir ſchien, als wäre nichts mir, nichts entgangen, Als hätt' ich alles, was ich je genoſſen. 7**

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/185
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/185>, abgerufen am 21.11.2024.