Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.alles; was könnte dem auch wohl noch erfreulich schei- *)
Ein Blick von Deinen Augen in die meinen, Ein Kuß von Deinem Mund auf meinem Munde, Wer davon hat, wie ich, gewisse Kunde, Mag dem was anders wohl erfreulich scheinen? Entfernt von Dir, entfremdet von den Meinen, Führ' ich stets die Gedanken in die Runde, Und immer treffen sie auf jene Stunde, Die einzige; da fang' ich an zu weinen. Die Thräne trocknet wieder unversehens: Er liebt ja, denk' ich, her in diese Stille, Und solltest Du nicht in die Ferne reichen? alles; was könnte dem auch wohl noch erfreulich ſchei- *)
Ein Blick von Deinen Augen in die meinen, Ein Kuß von Deinem Mund auf meinem Munde, Wer davon hat, wie ich, gewiſſe Kunde, Mag dem was anders wohl erfreulich ſcheinen? Entfernt von Dir, entfremdet von den Meinen, Führ' ich ſtets die Gedanken in die Runde, Und immer treffen ſie auf jene Stunde, Die einzige; da fang' ich an zu weinen. Die Thräne trocknet wieder unverſehens: Er liebt ja, denk' ich, her in dieſe Stille, Und ſollteſt Du nicht in die Ferne reichen? <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0220" n="188"/> alles; was könnte dem auch wohl noch erfreulich ſchei-<lb/> nen zu lernen, der wie ich, hiervon Erfahrung hat. —<lb/> Ich bin entfernt von Dir, die Meinen ſind mir fremd<lb/> geworden, da muß ich immer in Gedanken auf jene<lb/> Stunde zurückkehren, wo Du mich in den ſanften<lb/> Schlingen Deiner Arme hielteſt, da fang' ich an zu<lb/> weinen; aber die Thränen trocknen mir unverſehens<lb/> wieder: Er liebt ja herüber in dieſe verborgne Stille,<lb/> denke ich, und ſollte ich mit meinem ewigen ungeſtör-<lb/> ten Sehnen nach ihm nicht in die Ferne reichen? Ach<lb/> vernimm es doch was Dir mein Herz zu ſagen hat, es<lb/> fließt über von leiſen Seufzern, alle flüſtern Dir zu:<lb/> mein einzig Glück auf Erden ſei Dein freundlicher Wille<lb/> zu mir. O lieber Freund, gieb mir doch ein Zeichen <note xml:id="note-0220" next="#note-0221" place="foot" n="*)"><lg type="poem"><lg n="1"><l>Ein Blick von Deinen Augen in die meinen,</l><lb/><l>Ein Kuß von Deinem Mund auf meinem Munde,</l><lb/><l>Wer davon hat, wie ich, gewiſſe Kunde,</l><lb/><l>Mag dem was anders wohl erfreulich ſcheinen?</l></lg><lb/><lg n="2"><l>Entfernt von Dir, entfremdet von den Meinen,</l><lb/><l>Führ' ich ſtets die Gedanken in die Runde,</l><lb/><l>Und immer treffen ſie auf jene Stunde,</l><lb/><l>Die einzige; da fang' ich an zu weinen.</l></lg><lb/><lg n="3"><l>Die Thräne trocknet wieder unverſehens:</l><lb/><l>Er liebt ja, denk' ich, her in dieſe Stille,</l><lb/><l>Und ſollteſt Du nicht in die Ferne reichen?</l></lg></lg></note>,<lb/> Du ſeiſt meiner gewärtig. Du ſchreibſt daß Du meine<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [188/0220]
alles; was könnte dem auch wohl noch erfreulich ſchei-
nen zu lernen, der wie ich, hiervon Erfahrung hat. —
Ich bin entfernt von Dir, die Meinen ſind mir fremd
geworden, da muß ich immer in Gedanken auf jene
Stunde zurückkehren, wo Du mich in den ſanften
Schlingen Deiner Arme hielteſt, da fang' ich an zu
weinen; aber die Thränen trocknen mir unverſehens
wieder: Er liebt ja herüber in dieſe verborgne Stille,
denke ich, und ſollte ich mit meinem ewigen ungeſtör-
ten Sehnen nach ihm nicht in die Ferne reichen? Ach
vernimm es doch was Dir mein Herz zu ſagen hat, es
fließt über von leiſen Seufzern, alle flüſtern Dir zu:
mein einzig Glück auf Erden ſei Dein freundlicher Wille
zu mir. O lieber Freund, gieb mir doch ein Zeichen *),
Du ſeiſt meiner gewärtig. Du ſchreibſt daß Du meine
*) Ein Blick von Deinen Augen in die meinen,
Ein Kuß von Deinem Mund auf meinem Munde,
Wer davon hat, wie ich, gewiſſe Kunde,
Mag dem was anders wohl erfreulich ſcheinen?
Entfernt von Dir, entfremdet von den Meinen,
Führ' ich ſtets die Gedanken in die Runde,
Und immer treffen ſie auf jene Stunde,
Die einzige; da fang' ich an zu weinen.
Die Thräne trocknet wieder unverſehens:
Er liebt ja, denk' ich, her in dieſe Stille,
Und ſollteſt Du nicht in die Ferne reichen?
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