Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Savignys Geburtstag. Deine Mutter kam Mittags um
zwölf, und blieb bis Nachts um ein Uhr, sie fand sich auch
den andern Tag ganz wohl darauf. Bei der Tafel war
große Musik von blasenden Instrumenten, auch wurden
Verse zu Savignys Lob gesungen, wo sie so tapfer ein-
stimmte, daß man sie durch den ganzen Chor durchhörte.
Da wir nun auch deine und ihre Gesundheit tranken, wobei
Trompeten und Pauken schmetterten, so ward sie feierlich
vergnügt. Nach Tisch erzählte sie der Gesellschaft ein Mähr-
chen, alles hatte sich in feierlicher Stille um sie versammelt.
Im Anfang holte sie weit aus, das große Auditorium
mochte ihr doch ein wenig bange machen; bald aber
tanzten alle Rollefähigen Personen in der grotesken
Weise aus ihrem großen Gedächtniß-Kasten auf das
fantastischste geschmückt, es wurden noch allerlei kleinen
Scenen aufgeführt, dann trat eine junge Spanische Tän-
zerin auf, die mit Castegnetten sehr schön tanzte. Die-
ses graziöse Kind giebt hier beim Theater Vorstellungen,
ich hab' Dir von ihr noch nicht gesagt, daß sie mich
seit Wochen in einem stillen Enthusiasmus erhält, und
daß ich oft denke, ob denn Gott was anders will, als
daß sich die Tugend in die reine Kunst verwandle, daß
man nehmlich nach den Gesetzen einer himmlischen Har-
monie die Glieder des Geistes mit leichtem Enthusias-

9**

Savignys Geburtstag. Deine Mutter kam Mittags um
zwölf, und blieb bis Nachts um ein Uhr, ſie fand ſich auch
den andern Tag ganz wohl darauf. Bei der Tafel war
große Muſik von blaſenden Inſtrumenten, auch wurden
Verſe zu Savignys Lob geſungen, wo ſie ſo tapfer ein-
ſtimmte, daß man ſie durch den ganzen Chor durchhörte.
Da wir nun auch deine und ihre Geſundheit tranken, wobei
Trompeten und Pauken ſchmetterten, ſo ward ſie feierlich
vergnügt. Nach Tiſch erzählte ſie der Geſellſchaft ein Mähr-
chen, alles hatte ſich in feierlicher Stille um ſie verſammelt.
Im Anfang holte ſie weit aus, das große Auditorium
mochte ihr doch ein wenig bange machen; bald aber
tanzten alle Rollefähigen Perſonen in der grotesken
Weiſe aus ihrem großen Gedächtniß-Kaſten auf das
fantaſtiſchſte geſchmückt, es wurden noch allerlei kleinen
Scenen aufgeführt, dann trat eine junge Spaniſche Tän-
zerin auf, die mit Caſtegnetten ſehr ſchön tanzte. Die-
ſes graziöſe Kind giebt hier beim Theater Vorſtellungen,
ich hab' Dir von ihr noch nicht geſagt, daß ſie mich
ſeit Wochen in einem ſtillen Enthuſiasmus erhält, und
daß ich oft denke, ob denn Gott was anders will, als
daß ſich die Tugend in die reine Kunſt verwandle, daß
man nehmlich nach den Geſetzen einer himmliſchen Har-
monie die Glieder des Geiſtes mit leichtem Enthuſias-

9**
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0233" n="201"/>
Savignys Geburtstag. Deine Mutter kam Mittags um<lb/>
zwölf, und blieb bis Nachts um ein Uhr, &#x017F;ie fand &#x017F;ich auch<lb/>
den andern Tag ganz wohl darauf. Bei der Tafel war<lb/>
große Mu&#x017F;ik von bla&#x017F;enden In&#x017F;trumenten, auch wurden<lb/>
Ver&#x017F;e zu Savignys Lob ge&#x017F;ungen, wo &#x017F;ie &#x017F;o tapfer ein-<lb/>
&#x017F;timmte, daß man &#x017F;ie durch den ganzen Chor durchhörte.<lb/>
Da wir nun auch deine und ihre Ge&#x017F;undheit tranken, wobei<lb/>
Trompeten und Pauken &#x017F;chmetterten, &#x017F;o ward &#x017F;ie feierlich<lb/>
vergnügt. Nach Ti&#x017F;ch erzählte &#x017F;ie der Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft ein Mähr-<lb/>
chen, alles hatte &#x017F;ich in feierlicher Stille um &#x017F;ie ver&#x017F;ammelt.<lb/>
Im Anfang holte &#x017F;ie weit aus, das große Auditorium<lb/>
mochte ihr doch ein wenig bange machen; bald aber<lb/>
tanzten alle Rollefähigen Per&#x017F;onen in der grotesken<lb/>
Wei&#x017F;e aus ihrem großen Gedächtniß-Ka&#x017F;ten auf das<lb/>
fanta&#x017F;ti&#x017F;ch&#x017F;te ge&#x017F;chmückt, es wurden noch allerlei kleinen<lb/>
Scenen aufgeführt, dann trat eine junge Spani&#x017F;che Tän-<lb/>
zerin auf, die mit Ca&#x017F;tegnetten &#x017F;ehr &#x017F;chön tanzte. Die-<lb/>
&#x017F;es graziö&#x017F;e Kind giebt hier beim Theater Vor&#x017F;tellungen,<lb/>
ich hab' Dir von ihr noch nicht ge&#x017F;agt, daß &#x017F;ie mich<lb/>
&#x017F;eit Wochen in einem &#x017F;tillen Enthu&#x017F;iasmus erhält, und<lb/>
daß ich oft denke, ob denn Gott was anders will, als<lb/>
daß &#x017F;ich die Tugend in die reine Kun&#x017F;t verwandle, daß<lb/>
man nehmlich nach den Ge&#x017F;etzen einer himmli&#x017F;chen Har-<lb/>
monie die Glieder des Gei&#x017F;tes mit leichtem Enthu&#x017F;ias-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">9**</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[201/0233] Savignys Geburtstag. Deine Mutter kam Mittags um zwölf, und blieb bis Nachts um ein Uhr, ſie fand ſich auch den andern Tag ganz wohl darauf. Bei der Tafel war große Muſik von blaſenden Inſtrumenten, auch wurden Verſe zu Savignys Lob geſungen, wo ſie ſo tapfer ein- ſtimmte, daß man ſie durch den ganzen Chor durchhörte. Da wir nun auch deine und ihre Geſundheit tranken, wobei Trompeten und Pauken ſchmetterten, ſo ward ſie feierlich vergnügt. Nach Tiſch erzählte ſie der Geſellſchaft ein Mähr- chen, alles hatte ſich in feierlicher Stille um ſie verſammelt. Im Anfang holte ſie weit aus, das große Auditorium mochte ihr doch ein wenig bange machen; bald aber tanzten alle Rollefähigen Perſonen in der grotesken Weiſe aus ihrem großen Gedächtniß-Kaſten auf das fantaſtiſchſte geſchmückt, es wurden noch allerlei kleinen Scenen aufgeführt, dann trat eine junge Spaniſche Tän- zerin auf, die mit Caſtegnetten ſehr ſchön tanzte. Die- ſes graziöſe Kind giebt hier beim Theater Vorſtellungen, ich hab' Dir von ihr noch nicht geſagt, daß ſie mich ſeit Wochen in einem ſtillen Enthuſiasmus erhält, und daß ich oft denke, ob denn Gott was anders will, als daß ſich die Tugend in die reine Kunſt verwandle, daß man nehmlich nach den Geſetzen einer himmliſchen Har- monie die Glieder des Geiſtes mit leichtem Enthuſias- 9**

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/233
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/233>, abgerufen am 24.11.2024.