jahre, als ob ich sie mit Dir verspiele, und wachs empor und wähne mich geborgen in Deinem Schutz, und fühle stolz mich in Deinem Vertrauen, und da regte sich's im Herzen vor heißer Liebe, da such' ich Dich, wie soll ich Ruhe finden? -- an Deiner Brust nur, umschränkt von Deinen Armen. -- Und wärst Du es nicht, so wär' ich bei Dir; aber so muß ich mich fürch- ten vor aller Augen, die sind auf Dich gerichtet, ach, und vor dem stechenden Blick, der unter Deinem Kranz hervorleuchtet! *)
Außer Dir erscheinen mir alle Menschen wie einer und derselbe, ich unterscheide sie nicht, ich begehr' nicht nach dem ungeheuren allseitigen Meer der Ereignisse. Der Lebensstrom trägt Dich, Du mich, in Deinen Ar- men durchschiff' ich ihn, Du trägst mich bis zum Ende, nicht wahr? -- Und wenn es auch noch tausendfache Existenzen giebt, ich kann mich nicht hinüberschwin- gen, bei Dir bin ich zu Hause, so sei doch auch zu Hause mit mir, oder weißt Du etwas besseres als mich und Dich im magischen Kreis des Lebens?
Unlängst hatten wir ein kleines Fest im Hause wegen
*) (Goethe's Werke, 2ter Band, Seite 7.)
jahre, als ob ich ſie mit Dir verſpiele, und wachs empor und wähne mich geborgen in Deinem Schutz, und fühle ſtolz mich in Deinem Vertrauen, und da regte ſich's im Herzen vor heißer Liebe, da ſuch' ich Dich, wie ſoll ich Ruhe finden? — an Deiner Bruſt nur, umſchränkt von Deinen Armen. — Und wärſt Du es nicht, ſo wär' ich bei Dir; aber ſo muß ich mich fürch- ten vor aller Augen, die ſind auf Dich gerichtet, ach, und vor dem ſtechenden Blick, der unter Deinem Kranz hervorleuchtet! *)
Außer Dir erſcheinen mir alle Menſchen wie einer und derſelbe, ich unterſcheide ſie nicht, ich begehr' nicht nach dem ungeheuren allſeitigen Meer der Ereigniſſe. Der Lebensſtrom trägt Dich, Du mich, in Deinen Ar- men durchſchiff' ich ihn, Du trägſt mich bis zum Ende, nicht wahr? — Und wenn es auch noch tauſendfache Exiſtenzen giebt, ich kann mich nicht hinüberſchwin- gen, bei Dir bin ich zu Hauſe, ſo ſei doch auch zu Hauſe mit mir, oder weißt Du etwas beſſeres als mich und Dich im magiſchen Kreis des Lebens?
Unlängſt hatten wir ein kleines Feſt im Hauſe wegen
*) (Goethe's Werke, 2ter Band, Seite 7.)
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0232"n="200"/>
jahre, als ob ich ſie mit Dir verſpiele, und wachs<lb/>
empor und wähne mich geborgen in Deinem Schutz,<lb/>
und fühle ſtolz mich in Deinem Vertrauen, und da regte<lb/>ſich's im Herzen vor heißer Liebe, da ſuch' ich Dich,<lb/>
wie ſoll ich Ruhe finden? — an Deiner Bruſt nur,<lb/>
umſchränkt von Deinen Armen. — Und wärſt <hirendition="#g">Du</hi> es<lb/>
nicht, ſo wär' ich bei Dir; aber ſo muß ich mich fürch-<lb/>
ten vor aller Augen, die ſind auf Dich gerichtet, ach,<lb/>
und vor dem ſtechenden Blick, der unter Deinem Kranz<lb/>
hervorleuchtet! <noteplace="foot"n="*)">(Goethe's Werke, 2ter Band, Seite 7.)</note></p><lb/><p>Außer Dir erſcheinen mir alle Menſchen wie einer<lb/>
und derſelbe, ich unterſcheide ſie nicht, ich begehr' nicht<lb/>
nach dem ungeheuren allſeitigen Meer der Ereigniſſe.<lb/>
Der Lebensſtrom trägt Dich, Du mich, in Deinen Ar-<lb/>
men durchſchiff' ich ihn, Du trägſt mich bis zum Ende,<lb/>
nicht wahr? — Und wenn es auch noch tauſendfache<lb/>
Exiſtenzen giebt, ich kann mich nicht hinüberſchwin-<lb/>
gen, bei Dir bin ich zu Hauſe, ſo ſei doch auch zu<lb/>
Hauſe mit mir, oder weißt Du etwas beſſeres als<lb/>
mich und Dich im magiſchen Kreis des Lebens?</p><lb/><p>Unlängſt hatten wir ein kleines Feſt im Hauſe wegen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[200/0232]
jahre, als ob ich ſie mit Dir verſpiele, und wachs
empor und wähne mich geborgen in Deinem Schutz,
und fühle ſtolz mich in Deinem Vertrauen, und da regte
ſich's im Herzen vor heißer Liebe, da ſuch' ich Dich,
wie ſoll ich Ruhe finden? — an Deiner Bruſt nur,
umſchränkt von Deinen Armen. — Und wärſt Du es
nicht, ſo wär' ich bei Dir; aber ſo muß ich mich fürch-
ten vor aller Augen, die ſind auf Dich gerichtet, ach,
und vor dem ſtechenden Blick, der unter Deinem Kranz
hervorleuchtet! *)
Außer Dir erſcheinen mir alle Menſchen wie einer
und derſelbe, ich unterſcheide ſie nicht, ich begehr' nicht
nach dem ungeheuren allſeitigen Meer der Ereigniſſe.
Der Lebensſtrom trägt Dich, Du mich, in Deinen Ar-
men durchſchiff' ich ihn, Du trägſt mich bis zum Ende,
nicht wahr? — Und wenn es auch noch tauſendfache
Exiſtenzen giebt, ich kann mich nicht hinüberſchwin-
gen, bei Dir bin ich zu Hauſe, ſo ſei doch auch zu
Hauſe mit mir, oder weißt Du etwas beſſeres als
mich und Dich im magiſchen Kreis des Lebens?
Unlängſt hatten wir ein kleines Feſt im Hauſe wegen
*) (Goethe's Werke, 2ter Band, Seite 7.)
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/232>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.