stillen See um den verzauberten Lurelei sich herum- schwingt, über Felsschichten hinrauschend, schäumt, bul- lert, schwillt, gegen den Riff anschießt und den über- brausenden Zorn der schäumenden Fluthen, wie ein echter Zecher, in sich hineintrinkt.
Da oben sah ich bequem unter der schützenden Mauer des Rheinfels die Nachkommenden mit rothen und grünen Parapluies mühsam den schlüpfrigen Pfad hinaufklettern, und da eben der Sonne letzter Hoffnungs- strahl verschwand, und ein tüchtiger Guß dem Gebet um schön Wetter ein End' machte, kehrte die Naturlie- bende Gesellschaft beinah am Ziel, verzagt wieder um und ich blieb allein unter den gekrönten Häuptern. Wie beschreib' ich Dir diese erlebte Stunde mit kurzem Wort, treffend; kaum konnte ich Athem holen, -- so streng und gewaltig. Ach ich bin glücklich! die ganze Welt ist schön, und ich erleb' alles für Dich.
Ich sah still und einsam in die tobende Fluth, die Riesengesichter der Felsen schüchterten mich ein; ich ge- traute kaum den Blick zu heben; -- manche machen's zu arg, wie sie sich überhängen, und mit dem düstern Gesträuch, das sich aus geborstener Wand hervor drängt; die nackten Wurzeln, kaum vom Stein gehalten, die hängenden Zweige schwankend im reißenden Strom; --
ſtillen See um den verzauberten Lurelei ſich herum- ſchwingt, über Felsſchichten hinrauſchend, ſchäumt, bul- lert, ſchwillt, gegen den Riff anſchießt und den über- brauſenden Zorn der ſchäumenden Fluthen, wie ein echter Zecher, in ſich hineintrinkt.
Da oben ſah ich bequem unter der ſchützenden Mauer des Rheinfels die Nachkommenden mit rothen und grünen Parapluies mühſam den ſchlüpfrigen Pfad hinaufklettern, und da eben der Sonne letzter Hoffnungs- ſtrahl verſchwand, und ein tüchtiger Guß dem Gebet um ſchön Wetter ein End' machte, kehrte die Naturlie- bende Geſellſchaft beinah am Ziel, verzagt wieder um und ich blieb allein unter den gekrönten Häuptern. Wie beſchreib' ich Dir dieſe erlebte Stunde mit kurzem Wort, treffend; kaum konnte ich Athem holen, — ſo ſtreng und gewaltig. Ach ich bin glücklich! die ganze Welt iſt ſchön, und ich erleb' alles für Dich.
Ich ſah ſtill und einſam in die tobende Fluth, die Rieſengeſichter der Felſen ſchüchterten mich ein; ich ge- traute kaum den Blick zu heben; — manche machen's zu arg, wie ſie ſich überhängen, und mit dem düſtern Geſträuch, das ſich aus geborſtener Wand hervor drängt; die nackten Wurzeln, kaum vom Stein gehalten, die hängenden Zweige ſchwankend im reißenden Strom; —
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ſtillen See um den verzauberten Lurelei ſich herum-
ſchwingt, über Felsſchichten hinrauſchend, ſchäumt, bul-
lert, ſchwillt, gegen den Riff anſchießt und den über-
brauſenden Zorn der ſchäumenden Fluthen, wie ein echter
Zecher, in ſich hineintrinkt.
Da oben ſah ich bequem unter der ſchützenden
Mauer des Rheinfels die Nachkommenden mit rothen
und grünen Parapluies mühſam den ſchlüpfrigen Pfad
hinaufklettern, und da eben der Sonne letzter Hoffnungs-
ſtrahl verſchwand, und ein tüchtiger Guß dem Gebet
um ſchön Wetter ein End' machte, kehrte die Naturlie-
bende Geſellſchaft beinah am Ziel, verzagt wieder um
und ich blieb allein unter den gekrönten Häuptern. Wie
beſchreib' ich Dir dieſe erlebte Stunde mit kurzem Wort,
treffend; kaum konnte ich Athem holen, — ſo ſtreng und
gewaltig. Ach ich bin glücklich! die ganze Welt iſt
ſchön, und ich erleb' alles für Dich.
Ich ſah ſtill und einſam in die tobende Fluth, die
Rieſengeſichter der Felſen ſchüchterten mich ein; ich ge-
traute kaum den Blick zu heben; — manche machen's
zu arg, wie ſie ſich überhängen, und mit dem düſtern
Geſträuch, das ſich aus geborſtener Wand hervor drängt;
die nackten Wurzeln, kaum vom Stein gehalten, die
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/307>, abgerufen am 24.11.2024.
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