sich vermählen, die elfenbeinenen Thürme mit ihren dia- mantnen Lazuren im Abendroth schmelzen, und über die Sterne hinausragen, die im kalten Blau der Nacht wie gesammelte Heere dahin flogen, und tanzend im Takt der Musik, und um die Geister sich schwingend, Kreise bildeten. Da hörte ich in den fernen Wäl- dern das Seufzen der Thiere um Erlösung; und was schwärmte alles noch vor meinem Blick, und in mei- nem Wahn. -- Was glaubte ich thun zu müssen und zu können; welche Gelübde hab' ich den Gei- stern ausgesprochen; alles, was sie verlangten, hab' ich auf ewig und ewig gelobt. Ach Goethe, das alles hab' ich erlebt in dem grünen goldgeblümten Gras. Da lag ich in der Spielstunde, und hatte die feine Lein- wand über mich gebreitet, die man da bleichte, ich hörte oder fühlte mich vielmehr getragen und umbraust von diesen unaussprechlichen Symphonieen, die keiner deuten kann; da kamen sie, und begossen die Leinwand; und ich blieb liegen und fühlte die Gluth behaglich abgekühlt. Du wirst gewiß auch Ähnliches erlebt haben; diese Fieber- reize, in's Paradies der Phantasie aufzusteigen haben Dich auf irgend eine Weise durchdrungen; sie durchglü- hen die Natur, die wieder erkaltet -- etwas anders ge- worden, zu etwas anderm befähigt ist. An Dich haben
ſich vermählen, die elfenbeinenen Thürme mit ihren dia- mantnen Lazuren im Abendroth ſchmelzen, und über die Sterne hinausragen, die im kalten Blau der Nacht wie geſammelte Heere dahin flogen, und tanzend im Takt der Muſik, und um die Geiſter ſich ſchwingend, Kreiſe bildeten. Da hörte ich in den fernen Wäl- dern das Seufzen der Thiere um Erlöſung; und was ſchwärmte alles noch vor meinem Blick, und in mei- nem Wahn. — Was glaubte ich thun zu müſſen und zu können; welche Gelübde hab' ich den Gei- ſtern ausgeſprochen; alles, was ſie verlangten, hab' ich auf ewig und ewig gelobt. Ach Goethe, das alles hab' ich erlebt in dem grünen goldgeblümten Gras. Da lag ich in der Spielſtunde, und hatte die feine Lein- wand über mich gebreitet, die man da bleichte, ich hörte oder fühlte mich vielmehr getragen und umbrauſt von dieſen unausſprechlichen Symphonieen, die keiner deuten kann; da kamen ſie, und begoſſen die Leinwand; und ich blieb liegen und fühlte die Gluth behaglich abgekühlt. Du wirſt gewiß auch Ähnliches erlebt haben; dieſe Fieber- reize, in's Paradies der Phantaſie aufzuſteigen haben Dich auf irgend eine Weiſe durchdrungen; ſie durchglü- hen die Natur, die wieder erkaltet — etwas anders ge- worden, zu etwas anderm befähigt iſt. An Dich haben
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ſich vermählen, die elfenbeinenen Thürme mit ihren dia-
mantnen Lazuren im Abendroth ſchmelzen, und über
die Sterne hinausragen, die im kalten Blau der Nacht
wie geſammelte Heere dahin flogen, und tanzend im
Takt der Muſik, und um die Geiſter ſich ſchwingend,
Kreiſe bildeten. Da hörte ich in den fernen Wäl-
dern das Seufzen der Thiere um Erlöſung; und was
ſchwärmte alles noch vor meinem Blick, und in mei-
nem Wahn. — Was glaubte ich thun zu müſſen
und zu können; welche Gelübde hab' ich den Gei-
ſtern ausgeſprochen; alles, was ſie verlangten, hab'
ich auf ewig und ewig gelobt. Ach Goethe, das alles
hab' ich erlebt in dem grünen goldgeblümten Gras.
Da lag ich in der Spielſtunde, und hatte die feine Lein-
wand über mich gebreitet, die man da bleichte, ich hörte
oder fühlte mich vielmehr getragen und umbrauſt von dieſen
unausſprechlichen Symphonieen, die keiner deuten kann;
da kamen ſie, und begoſſen die Leinwand; und ich blieb
liegen und fühlte die Gluth behaglich abgekühlt. Du
wirſt gewiß auch Ähnliches erlebt haben; dieſe Fieber-
reize, in's Paradies der Phantaſie aufzuſteigen haben
Dich auf irgend eine Weiſe durchdrungen; ſie durchglü-
hen die Natur, die wieder erkaltet — etwas anders ge-
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/319>, abgerufen am 24.11.2024.
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