Ich habe so lange gezaudert, daher will ich dies Blatt gleich fort schicken, und schlage es an meine Mut- ter ein. Sage Dir alles selbst, wozu mir der Platz hier nicht gegönnt ist, und lasse mich gleich von Dir hören.
G.
Am 8. August.
Überall wo es gut ist, da muß man zu früh ver- lassen; -- so war es mir wahrlich gut bei Dir, drum mußt' ich Dich zu früh verlassen.
Ein guter lieber Aufenthalt ist für mich, was das fruchtbare Land einem Schiffer ist, der eine unsichre Reise vor hat, er wird Vorrath einssammeln, so viel ihm Zeit und Mittel erlauben. Ach, wenn er auf der ein- samen weiten See ist, wenn die frischen Früchte schwin- den, das süße Wasser! -- er sieht kein Ziel vor sich; -- wie sehnsuchtsvoll wird die Erinnerung an's Land. -- Jetzt geht mir's auch so, in zwei Tagen muß ich den Rhein verlassen, um mit dem ganzen Familientroß in Schlangenbad zusammen zu treffen. Ich war in dessen nicht immerwährend hier, sonst hätte Dich schon lange wieder eine Epistel von mir erreicht; viele Streifereien haben mich abgehalten: die Reise in die Wetterau, von wel-
Ich habe ſo lange gezaudert, daher will ich dies Blatt gleich fort ſchicken, und ſchlage es an meine Mut- ter ein. Sage Dir alles ſelbſt, wozu mir der Platz hier nicht gegönnt iſt, und laſſe mich gleich von Dir hören.
G.
Am 8. Auguſt.
Überall wo es gut iſt, da muß man zu früh ver- laſſen; — ſo war es mir wahrlich gut bei Dir, drum mußt' ich Dich zu früh verlaſſen.
Ein guter lieber Aufenthalt iſt für mich, was das fruchtbare Land einem Schiffer iſt, der eine unſichre Reiſe vor hat, er wird Vorrath einſsammeln, ſo viel ihm Zeit und Mittel erlauben. Ach, wenn er auf der ein- ſamen weiten See iſt, wenn die friſchen Früchte ſchwin- den, das ſüße Waſſer! — er ſieht kein Ziel vor ſich; — wie ſehnſuchtsvoll wird die Erinnerung an's Land. — Jetzt geht mir's auch ſo, in zwei Tagen muß ich den Rhein verlaſſen, um mit dem ganzen Familientroß in Schlangenbad zuſammen zu treffen. Ich war in deſſen nicht immerwährend hier, ſonſt hätte Dich ſchon lange wieder eine Epiſtel von mir erreicht; viele Streifereien haben mich abgehalten: die Reiſe in die Wetterau, von wel-
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Ich habe ſo lange gezaudert, daher will ich dies
Blatt gleich fort ſchicken, und ſchlage es an meine Mut-
ter ein. Sage Dir alles ſelbſt, wozu mir der Platz hier
nicht gegönnt iſt, und laſſe mich gleich von Dir hören.
G.
Am 8. Auguſt.
Überall wo es gut iſt, da muß man zu früh ver-
laſſen; — ſo war es mir wahrlich gut bei Dir, drum
mußt' ich Dich zu früh verlaſſen.
Ein guter lieber Aufenthalt iſt für mich, was das
fruchtbare Land einem Schiffer iſt, der eine unſichre
Reiſe vor hat, er wird Vorrath einſsammeln, ſo viel ihm
Zeit und Mittel erlauben. Ach, wenn er auf der ein-
ſamen weiten See iſt, wenn die friſchen Früchte ſchwin-
den, das ſüße Waſſer! — er ſieht kein Ziel vor ſich;
— wie ſehnſuchtsvoll wird die Erinnerung an's Land.
— Jetzt geht mir's auch ſo, in zwei Tagen muß ich den
Rhein verlaſſen, um mit dem ganzen Familientroß in
Schlangenbad zuſammen zu treffen. Ich war in deſſen nicht
immerwährend hier, ſonſt hätte Dich ſchon lange wieder
eine Epiſtel von mir erreicht; viele Streifereien haben
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/341>, abgerufen am 23.11.2024.
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