Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Du strahlst in mich, wie die Sonne in den Krystal der
Traube, und wie diese kochst Du mich immer feuriger,
aber auch klarer aus.

Ich hörte nun die Leute auf dem Schiff schon deut-
lich sprechen und zur Arbeit anrufen; sie ankerten an
der Insel, löschten die Fackeln; -- nun wurde alles
still, bis auf den Hund der bellte, und die Flaggen, die
sich in der frischen Nachtluft drehten. -- Nun ging'
auch ich nach Haus, zum Schlafen, und wenn Du's
erlaubst, so legte ich mich zu deinen Füßen nieder, und
es belohnte mich der Traum mit Liebkosungen von Dir,
wenns nicht Falschheit war.

Wer wollte nicht an Erscheinung glauben! Be-
glückt mich doch die Erinnerung dieser Träume noch
heute! Ja sag: was geht der Wirklichkeit ab? -- O
ich bin stolz, daß ich von Dir träume; ein guter Geist
dient meiner Seele; er führt Dich ein, weil meine Seele
Dich ruft; ich soll deine Züge trinken, weil mich nach
ihnen dürstet; ja, es giebt Bitten und Forderungen,
die werden erhört.

Nun wehr' Dich immer gegen meine Liebe; was
kann Dir's helfen? -- Wenn ich nur Geist genug
habe! -- Dem Geist stehen die Geister bei.

Bettine

Du ſtrahlſt in mich, wie die Sonne in den Kryſtal der
Traube, und wie dieſe kochſt Du mich immer feuriger,
aber auch klarer aus.

Ich hörte nun die Leute auf dem Schiff ſchon deut-
lich ſprechen und zur Arbeit anrufen; ſie ankerten an
der Inſel, löſchten die Fackeln; — nun wurde alles
ſtill, bis auf den Hund der bellte, und die Flaggen, die
ſich in der friſchen Nachtluft drehten. — Nun ging'
auch ich nach Hauſ, zum Schlafen, und wenn Du's
erlaubſt, ſo legte ich mich zu deinen Füßen nieder, und
es belohnte mich der Traum mit Liebkoſungen von Dir,
wenns nicht Falſchheit war.

Wer wollte nicht an Erſcheinung glauben! Be-
glückt mich doch die Erinnerung dieſer Träume noch
heute! Ja ſag: was geht der Wirklichkeit ab? — O
ich bin ſtolz, daß ich von Dir träume; ein guter Geiſt
dient meiner Seele; er führt Dich ein, weil meine Seele
Dich ruft; ich ſoll deine Züge trinken, weil mich nach
ihnen dürſtet; ja, es giebt Bitten und Forderungen,
die werden erhört.

Nun wehr' Dich immer gegen meine Liebe; was
kann Dir's helfen? — Wenn ich nur Geiſt genug
habe! — Dem Geiſt ſtehen die Geiſter bei.

Bettine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0383" n="351"/>
Du &#x017F;trahl&#x017F;t in mich, wie die Sonne in den Kry&#x017F;tal der<lb/>
Traube, und wie die&#x017F;e koch&#x017F;t Du mich immer feuriger,<lb/>
aber auch klarer aus.</p><lb/>
          <p>Ich hörte nun die Leute auf dem Schiff &#x017F;chon deut-<lb/>
lich &#x017F;prechen und zur Arbeit anrufen; &#x017F;ie ankerten an<lb/>
der In&#x017F;el, lö&#x017F;chten die Fackeln; &#x2014; nun wurde alles<lb/>
&#x017F;till, bis auf den Hund der bellte, und die Flaggen, die<lb/>
&#x017F;ich in der fri&#x017F;chen Nachtluft drehten. &#x2014; Nun ging'<lb/>
auch ich nach Hau&#x017F;, zum Schlafen, und wenn Du's<lb/>
erlaub&#x017F;t, &#x017F;o legte ich mich zu deinen Füßen nieder, und<lb/>
es belohnte mich der Traum mit Liebko&#x017F;ungen von Dir,<lb/>
wenns nicht Fal&#x017F;chheit war.</p><lb/>
          <p>Wer wollte nicht an Er&#x017F;cheinung glauben! Be-<lb/>
glückt mich doch die Erinnerung die&#x017F;er Träume noch<lb/>
heute! Ja &#x017F;ag: was geht der Wirklichkeit ab? &#x2014; O<lb/>
ich bin &#x017F;tolz, daß ich von Dir träume; ein guter Gei&#x017F;t<lb/>
dient meiner Seele; er führt Dich ein, weil meine Seele<lb/>
Dich ruft; ich &#x017F;oll deine Züge trinken, weil mich nach<lb/>
ihnen dür&#x017F;tet; ja, es giebt Bitten und Forderungen,<lb/>
die werden erhört.</p><lb/>
          <p>Nun wehr' Dich immer gegen meine Liebe; was<lb/>
kann Dir's helfen? &#x2014; Wenn ich nur Gei&#x017F;t genug<lb/>
habe! &#x2014; Dem Gei&#x017F;t &#x017F;tehen die Gei&#x017F;ter bei.</p><lb/>
          <closer>
            <salute> <hi rendition="#et">Bettine</hi> </salute>
          </closer>
        </div><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[351/0383] Du ſtrahlſt in mich, wie die Sonne in den Kryſtal der Traube, und wie dieſe kochſt Du mich immer feuriger, aber auch klarer aus. Ich hörte nun die Leute auf dem Schiff ſchon deut- lich ſprechen und zur Arbeit anrufen; ſie ankerten an der Inſel, löſchten die Fackeln; — nun wurde alles ſtill, bis auf den Hund der bellte, und die Flaggen, die ſich in der friſchen Nachtluft drehten. — Nun ging' auch ich nach Hauſ, zum Schlafen, und wenn Du's erlaubſt, ſo legte ich mich zu deinen Füßen nieder, und es belohnte mich der Traum mit Liebkoſungen von Dir, wenns nicht Falſchheit war. Wer wollte nicht an Erſcheinung glauben! Be- glückt mich doch die Erinnerung dieſer Träume noch heute! Ja ſag: was geht der Wirklichkeit ab? — O ich bin ſtolz, daß ich von Dir träume; ein guter Geiſt dient meiner Seele; er führt Dich ein, weil meine Seele Dich ruft; ich ſoll deine Züge trinken, weil mich nach ihnen dürſtet; ja, es giebt Bitten und Forderungen, die werden erhört. Nun wehr' Dich immer gegen meine Liebe; was kann Dir's helfen? — Wenn ich nur Geiſt genug habe! — Dem Geiſt ſtehen die Geiſter bei. Bettine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/383
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/383>, abgerufen am 24.11.2024.