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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

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und der Ritter die Hauptrollen, da hab' ich nah' an
sechs Wochen die Rolle der Katze studirt, sie war keine
Philosophin, sonst hätt' ich vielleicht profitirt. Im Früh-
jahr blühte der Orangenbaum in meinem Zimmer; ich
ließ mir einen Tisch d'rum zimmern und eine Bank,
und in seinem duftenden Schatten hab' ich an meinen
Freund geschrieben. Das war eine Lust die keine Weis-
heit mir ersetzen konnte. Im Spiegel gegenüber sah ich
den Baum noch einmal und wie die Sonnenstrahlen
durch sein Laub brachen; ich sah sie drüben sitzen die
Braune, Vermessene; an den größten Dichter, an den Er-
habenen über alle, zu schreiben. Im April bin ich früh
drauß gewesen auf dem Wall und hab' die ersten Veil-
chen gesucht und botanisirt, im Mai hab' ich fahren
gelernt mit zwei Pferd', Morgens mit Sonnenaufgang
fuhr ich hinaus nach Oberrad, ich spaziert' in die Ge-
müsfelder und half dem Gärtner alles nach der Schnur
pflanzen, bei der Milchfrau hab' ich mir einen Nelken-
flor angelegt, die dunkelrothen Nelken sind meine Lieb-
lingsblumen. -- Bei solcher Lebensweise, was soll ich
da lernen, woher soll ich klug werden? -- Was ich
Ihrem Sohn schreib' das gefällt ihm, er verlangt im-
mer mehr, und mich macht das seelig, denn ich schwelge
in einem Überfluß von Gedanken die meine Liebe, mein

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und der Ritter die Hauptrollen, da hab' ich nah' an
ſechs Wochen die Rolle der Katze ſtudirt, ſie war keine
Philoſophin, ſonſt hätt' ich vielleicht profitirt. Im Früh-
jahr blühte der Orangenbaum in meinem Zimmer; ich
ließ mir einen Tiſch d'rum zimmern und eine Bank,
und in ſeinem duftenden Schatten hab' ich an meinen
Freund geſchrieben. Das war eine Luſt die keine Weis-
heit mir erſetzen konnte. Im Spiegel gegenüber ſah ich
den Baum noch einmal und wie die Sonnenſtrahlen
durch ſein Laub brachen; ich ſah ſie drüben ſitzen die
Braune, Vermeſſene; an den größten Dichter, an den Er-
habenen über alle, zu ſchreiben. Im April bin ich früh
drauß geweſen auf dem Wall und hab' die erſten Veil-
chen geſucht und botaniſirt, im Mai hab' ich fahren
gelernt mit zwei Pferd', Morgens mit Sonnenaufgang
fuhr ich hinaus nach Oberrad, ich ſpaziert' in die Ge-
müsfelder und half dem Gärtner alles nach der Schnur
pflanzen, bei der Milchfrau hab' ich mir einen Nelken-
flor angelegt, die dunkelrothen Nelken ſind meine Lieb-
lingsblumen. — Bei ſolcher Lebensweiſe, was ſoll ich
da lernen, woher ſoll ich klug werden? — Was ich
Ihrem Sohn ſchreib' das gefällt ihm, er verlangt im-
mer mehr, und mich macht das ſeelig, denn ich ſchwelge
in einem Überfluß von Gedanken die meine Liebe, mein

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[33/0065] und der Ritter die Hauptrollen, da hab' ich nah' an ſechs Wochen die Rolle der Katze ſtudirt, ſie war keine Philoſophin, ſonſt hätt' ich vielleicht profitirt. Im Früh- jahr blühte der Orangenbaum in meinem Zimmer; ich ließ mir einen Tiſch d'rum zimmern und eine Bank, und in ſeinem duftenden Schatten hab' ich an meinen Freund geſchrieben. Das war eine Luſt die keine Weis- heit mir erſetzen konnte. Im Spiegel gegenüber ſah ich den Baum noch einmal und wie die Sonnenſtrahlen durch ſein Laub brachen; ich ſah ſie drüben ſitzen die Braune, Vermeſſene; an den größten Dichter, an den Er- habenen über alle, zu ſchreiben. Im April bin ich früh drauß geweſen auf dem Wall und hab' die erſten Veil- chen geſucht und botaniſirt, im Mai hab' ich fahren gelernt mit zwei Pferd', Morgens mit Sonnenaufgang fuhr ich hinaus nach Oberrad, ich ſpaziert' in die Ge- müsfelder und half dem Gärtner alles nach der Schnur pflanzen, bei der Milchfrau hab' ich mir einen Nelken- flor angelegt, die dunkelrothen Nelken ſind meine Lieb- lingsblumen. — Bei ſolcher Lebensweiſe, was ſoll ich da lernen, woher ſoll ich klug werden? — Was ich Ihrem Sohn ſchreib' das gefällt ihm, er verlangt im- mer mehr, und mich macht das ſeelig, denn ich ſchwelge in einem Überfluß von Gedanken die meine Liebe, mein 2**

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/65>, abgerufen am 21.11.2024.