mir ersetzen? -- was den feinen durchdringenden Strahl seines Blicks, der in mein Auge leuchtet? -- Ich achte die Klugheit nichts, ich habe das Glück unter anderer Gestalt kennen lernen, und auch was andern weh thut das kann mir nicht Leid thun, und meine Schmerzen; das wird keiner verstehen.
So hell wie diese Nacht ist! Glanzverhüllt liegen die Berg' da mit ihren Rebstöcken und saugen schlaf- trunken das nahrhafte Mondlicht. -- Schreib' Sie bald; ich hab' keinen Menschen dem ich so gern vertraue, denn weil ich weiß daß Sie mit keinem andern mehr anbin- det und abgeschlossen für mich da ist, und daß Sie mit niemand über mich spricht. -- Wenn Sie wüßt' wie tief es schon in der Nacht ist! Der Mond geht unter, das betrübt mich. Schreib' Sie mir recht bald.
Bettine.
Winckel am 25. Juni.
Frau Rath, ich war mit dem Franz auf einer Eisen- schmelze, zwei Tag' mußt' ich in der engen Thalschlucht aushalten, es regnete oder vielmehr näßte fortwährend, die Leute sagten: ja, das sind wir gewohnt, wir leben wie die Fisch', immer naß, und wenn einmal ein paar trockne Tage sind, so juckt einem die Haut, man möchte
mir erſetzen? — was den feinen durchdringenden Strahl ſeines Blicks, der in mein Auge leuchtet? — Ich achte die Klugheit nichts, ich habe das Glück unter anderer Geſtalt kennen lernen, und auch was andern weh thut das kann mir nicht Leid thun, und meine Schmerzen; das wird keiner verſtehen.
So hell wie dieſe Nacht iſt! Glanzverhüllt liegen die Berg' da mit ihren Rebſtöcken und ſaugen ſchlaf- trunken das nahrhafte Mondlicht. — Schreib' Sie bald; ich hab' keinen Menſchen dem ich ſo gern vertraue, denn weil ich weiß daß Sie mit keinem andern mehr anbin- det und abgeſchloſſen für mich da iſt, und daß Sie mit niemand über mich ſpricht. — Wenn Sie wüßt' wie tief es ſchon in der Nacht iſt! Der Mond geht unter, das betrübt mich. Schreib' Sie mir recht bald.
Bettine.
Winckel am 25. Juni.
Frau Rath, ich war mit dem Franz auf einer Eiſen- ſchmelze, zwei Tag' mußt' ich in der engen Thalſchlucht aushalten, es regnete oder vielmehr näßte fortwährend, die Leute ſagten: ja, das ſind wir gewohnt, wir leben wie die Fiſch', immer naß, und wenn einmal ein paar trockne Tage ſind, ſo juckt einem die Haut, man möchte
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mir erſetzen? — was den feinen durchdringenden Strahl
ſeines Blicks, der in mein Auge leuchtet? — Ich achte
die Klugheit nichts, ich habe das Glück unter anderer
Geſtalt kennen lernen, und auch was andern weh thut
das kann mir nicht Leid thun, und meine Schmerzen;
das wird keiner verſtehen.
So hell wie dieſe Nacht iſt! Glanzverhüllt liegen
die Berg' da mit ihren Rebſtöcken und ſaugen ſchlaf-
trunken das nahrhafte Mondlicht. — Schreib' Sie bald;
ich hab' keinen Menſchen dem ich ſo gern vertraue, denn
weil ich weiß daß Sie mit keinem andern mehr anbin-
det und abgeſchloſſen für mich da iſt, und daß Sie mit
niemand über mich ſpricht. — Wenn Sie wüßt' wie
tief es ſchon in der Nacht iſt! Der Mond geht unter,
das betrübt mich. Schreib' Sie mir recht bald.
Bettine.
Winckel am 25. Juni.
Frau Rath, ich war mit dem Franz auf einer Eiſen-
ſchmelze, zwei Tag' mußt' ich in der engen Thalſchlucht
aushalten, es regnete oder vielmehr näßte fortwährend,
die Leute ſagten: ja, das ſind wir gewohnt, wir leben
wie die Fiſch', immer naß, und wenn einmal ein paar
trockne Tage ſind, ſo juckt einem die Haut, man möchte
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/67>, abgerufen am 21.11.2024.
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