im Gedächtniß als ob's gestern passiert wär', jetzt kann ich Dir die schönsten Geschichten vom Wolfgang erzäh- len, und ich glaub' Du hast mich angesteckt, ich mein immer das wär kein rechter Tag an dem ich nichts von ihm gesprochen hab'.
Deine Freundin Goethe.
Liebe Frau Rath.
Ich war in Köln da hab ich den schönen Krug ge- kauft, schenk Sie ihn Ihrem Sohn von sich, das wird Ihr besser Freud' machen, als wenn ich Ihr ihn schenkte. Ich selbst mag ihm nichts schenken, ich will nur von ihm nehmen.
Köln ist recht wunderlich, alle Augenblick hört man eine andre Glocke läuten, das klingt hoch und tief, dumpf und hell von allen Seiten unter einander. Da spazieren Franziskaner, Minoritten, Kapuziner, Domi- nikaner, Benediktiner an einander vorbei, die einen sin- gen, die andern brummen eine Litaney, und wenn sie aneinander vorbeikommen, da begrüßen sie sich mit ihren Fahnen und Heiligthümern und verschwinden in ihren Klöstern. Im Dom war ich grade bei Sonnenuntergang,
da
im Gedächtniß als ob's geſtern paſſiert wär', jetzt kann ich Dir die ſchönſten Geſchichten vom Wolfgang erzäh- len, und ich glaub' Du haſt mich angeſteckt, ich mein immer das wär kein rechter Tag an dem ich nichts von ihm geſprochen hab'.
Deine Freundin Goethe.
Liebe Frau Rath.
Ich war in Köln da hab ich den ſchönen Krug ge- kauft, ſchenk Sie ihn Ihrem Sohn von ſich, das wird Ihr beſſer Freud' machen, als wenn ich Ihr ihn ſchenkte. Ich ſelbſt mag ihm nichts ſchenken, ich will nur von ihm nehmen.
Köln iſt recht wunderlich, alle Augenblick hört man eine andre Glocke läuten, das klingt hoch und tief, dumpf und hell von allen Seiten unter einander. Da ſpazieren Franziskaner, Minoritten, Kapuziner, Domi- nikaner, Benediktiner an einander vorbei, die einen ſin- gen, die andern brummen eine Litaney, und wenn ſie aneinander vorbeikommen, da begrüßen ſie ſich mit ihren Fahnen und Heiligthümern und verſchwinden in ihren Klöſtern. Im Dom war ich grade bei Sonnenuntergang,
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im Gedächtniß als ob's geſtern paſſiert wär', jetzt kann
ich Dir die ſchönſten Geſchichten vom Wolfgang erzäh-
len, und ich glaub' Du haſt mich angeſteckt, ich mein
immer das wär kein rechter Tag an dem ich nichts von
ihm geſprochen hab'.
Deine Freundin Goethe.
Liebe Frau Rath.
Ich war in Köln da hab ich den ſchönen Krug ge-
kauft, ſchenk Sie ihn Ihrem Sohn von ſich, das wird
Ihr beſſer Freud' machen, als wenn ich Ihr ihn ſchenkte.
Ich ſelbſt mag ihm nichts ſchenken, ich will nur von
ihm nehmen.
Köln iſt recht wunderlich, alle Augenblick hört man
eine andre Glocke läuten, das klingt hoch und tief,
dumpf und hell von allen Seiten unter einander. Da
ſpazieren Franziskaner, Minoritten, Kapuziner, Domi-
nikaner, Benediktiner an einander vorbei, die einen ſin-
gen, die andern brummen eine Litaney, und wenn ſie
aneinander vorbeikommen, da begrüßen ſie ſich mit ihren
Fahnen und Heiligthümern und verſchwinden in ihren
Klöſtern. Im Dom war ich grade bei Sonnenuntergang,
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/80>, abgerufen am 21.11.2024.
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