Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

wartung, und dann in der Meinung; Wir Deutschen
erwarten, daß Goethe zwanzig Helden aus dem Ärmel
schüttlen kann, die den Franzosen so imponiren, Wir
meinen, daß er selbst aber noch ein ganz andrer Held
ist. -- Der Schlegel hat unrecht, daß er ihr keinen bes-
sern Verstand hierüber beigebracht hat. Sie warf ein
Lorbeerblatt, womit sie gespielt hatte, auf die Erde; ich
trat drauf und schubste es mit dem Fuß auf die Seite
und ging fort. -- Das war die Geschicht' mit der be-
rühmten Frau; hab' Sie keine Noth mit ihrem franzö-
sisch, sprech' Sie die Fingersprach mit ihr, und mache
Sie den Commentar dazu mit ihren großen Augen, das
wird imponiren; die Stael hat ja einen ganzen Amei-
senhaufen Gedanken im Kopf, was soll man ihr noch
zu sagen haben? Bald komm' ich nach Frankfurt, da
können wir's besser besprechen.

Hier ist's sehr voll von Rheingästen; wenn ich Morgens
durch den dicken Nebel einen Nachen hervorstechen seh', da
lauf' ich an's Ufer und wink' mit dem Schnupftuch, immer
sind's Freunde oder Bekannte; vor ein paar Tagen waren
Wir in Nothgottes, da war eine große Wallfahrt, der
ganze Rhein war voll Nachen, und wenn sie anlande-
ten, ward eine Prozession draus, und wanderten singend
eine jede ihr eigen Lied, neben einander hin; das war

3**

wartung, und dann in der Meinung; Wir Deutſchen
erwarten, daß Goethe zwanzig Helden aus dem Ärmel
ſchüttlen kann, die den Franzoſen ſo imponiren, Wir
meinen, daß er ſelbſt aber noch ein ganz andrer Held
iſt. — Der Schlegel hat unrecht, daß er ihr keinen beſ-
ſern Verſtand hierüber beigebracht hat. Sie warf ein
Lorbeerblatt, womit ſie geſpielt hatte, auf die Erde; ich
trat drauf und ſchubſte es mit dem Fuß auf die Seite
und ging fort. — Das war die Geſchicht' mit der be-
rühmten Frau; hab' Sie keine Noth mit ihrem franzö-
ſiſch, ſprech' Sie die Fingerſprach mit ihr, und mache
Sie den Commentar dazu mit ihren großen Augen, das
wird imponiren; die Staël hat ja einen ganzen Amei-
ſenhaufen Gedanken im Kopf, was ſoll man ihr noch
zu ſagen haben? Bald komm' ich nach Frankfurt, da
können wir's beſſer beſprechen.

Hier iſt's ſehr voll von Rheingäſten; wenn ich Morgens
durch den dicken Nebel einen Nachen hervorſtechen ſeh', da
lauf' ich an's Ufer und wink' mit dem Schnupftuch, immer
ſind's Freunde oder Bekannte; vor ein paar Tagen waren
Wir in Nothgottes, da war eine große Wallfahrt, der
ganze Rhein war voll Nachen, und wenn ſie anlande-
ten, ward eine Prozeſſion draus, und wanderten ſingend
eine jede ihr eigen Lied, neben einander hin; das war

3**
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0089" n="57"/>
wartung, und dann in der Meinung; Wir Deut&#x017F;chen<lb/>
erwarten, daß Goethe zwanzig Helden aus dem Ärmel<lb/>
&#x017F;chüttlen kann, die den Franzo&#x017F;en &#x017F;o imponiren, Wir<lb/>
meinen, daß er &#x017F;elb&#x017F;t aber noch ein ganz andrer Held<lb/>
i&#x017F;t. &#x2014; Der Schlegel hat unrecht, daß er ihr keinen be&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ern Ver&#x017F;tand hierüber beigebracht hat. Sie warf ein<lb/>
Lorbeerblatt, womit &#x017F;ie ge&#x017F;pielt hatte, auf die Erde; ich<lb/>
trat <choice><sic>dranf</sic><corr>drauf</corr></choice> und &#x017F;chub&#x017F;te es mit dem Fuß auf die Seite<lb/>
und ging fort. &#x2014; Das war die Ge&#x017F;chicht' mit der be-<lb/>
rühmten Frau; hab' Sie keine Noth mit ihrem franzö-<lb/>
&#x017F;i&#x017F;ch, &#x017F;prech' Sie die Finger&#x017F;prach mit ihr, und mache<lb/>
Sie den Commentar dazu mit ihren großen Augen, das<lb/>
wird imponiren; die Sta<hi rendition="#aq">ë</hi>l hat ja einen ganzen Amei-<lb/>
&#x017F;enhaufen Gedanken im Kopf, was &#x017F;oll man ihr noch<lb/>
zu &#x017F;agen haben? Bald komm' ich nach Frankfurt, da<lb/>
können wir's be&#x017F;&#x017F;er be&#x017F;prechen.</p><lb/>
          <p>Hier i&#x017F;t's &#x017F;ehr voll von Rheingä&#x017F;ten; wenn ich Morgens<lb/>
durch den dicken Nebel einen Nachen hervor&#x017F;techen &#x017F;eh', da<lb/>
lauf' ich an's Ufer und wink' mit dem Schnupftuch, immer<lb/>
&#x017F;ind's Freunde oder Bekannte; vor ein paar Tagen waren<lb/>
Wir in Nothgottes, da war eine große Wallfahrt, der<lb/>
ganze Rhein war voll Nachen, und wenn &#x017F;ie anlande-<lb/>
ten, ward eine Proze&#x017F;&#x017F;ion draus, und wanderten &#x017F;ingend<lb/>
eine jede ihr eigen Lied, neben einander hin; das war<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">3**</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[57/0089] wartung, und dann in der Meinung; Wir Deutſchen erwarten, daß Goethe zwanzig Helden aus dem Ärmel ſchüttlen kann, die den Franzoſen ſo imponiren, Wir meinen, daß er ſelbſt aber noch ein ganz andrer Held iſt. — Der Schlegel hat unrecht, daß er ihr keinen beſ- ſern Verſtand hierüber beigebracht hat. Sie warf ein Lorbeerblatt, womit ſie geſpielt hatte, auf die Erde; ich trat drauf und ſchubſte es mit dem Fuß auf die Seite und ging fort. — Das war die Geſchicht' mit der be- rühmten Frau; hab' Sie keine Noth mit ihrem franzö- ſiſch, ſprech' Sie die Fingerſprach mit ihr, und mache Sie den Commentar dazu mit ihren großen Augen, das wird imponiren; die Staël hat ja einen ganzen Amei- ſenhaufen Gedanken im Kopf, was ſoll man ihr noch zu ſagen haben? Bald komm' ich nach Frankfurt, da können wir's beſſer beſprechen. Hier iſt's ſehr voll von Rheingäſten; wenn ich Morgens durch den dicken Nebel einen Nachen hervorſtechen ſeh', da lauf' ich an's Ufer und wink' mit dem Schnupftuch, immer ſind's Freunde oder Bekannte; vor ein paar Tagen waren Wir in Nothgottes, da war eine große Wallfahrt, der ganze Rhein war voll Nachen, und wenn ſie anlande- ten, ward eine Prozeſſion draus, und wanderten ſingend eine jede ihr eigen Lied, neben einander hin; das war 3**

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/89
Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/89>, abgerufen am 21.11.2024.