ein Schariwari, mir war Angst, es möcht' unserm Herr- gott zu viel werden; so kam's auch: er setzte ein Ge- witter dagegen und donnerte laut genug, sie haben ihn übertäubt, aber der gewaltige Regenguß hat die lieben Wallfahrter aus einander gejagt, die da im Gras la- gen, wohl tausende und zechten; -- ich hab' grad' kei- nen empfindsamen Respekt vor der Natur, aber ich kann's doch nicht leiden, wenn sie so beschmutzt wird mit Papier und Wurstzipfel und zerbrochnen Tellern und Flaschen, wie hier auf dem großen grünen Plan, wo das Kreuz zwischen Linden aufgerichtet steht, wo der Wandrer, den die Nacht überrascht, gern Nachtruhe hält und sich geschützt glaubt durch den geweihten Ort. -- Ich kann Ihr sagen, mir war ganz unheimlich; ich bin heut noch caput. Ich seh' lieber die Lämmer auf dem Kirchhof weiden, als die Menschen in der Kirch'; und die Lilien auf dem Feld', die ohne zu spinnen, doch vom Thau genährt sind, -- als die langen Prozessionen drü- ber stolpern, und sie im schönsten Flor zertreten. Ich sag' Ihr gute Nacht, heut hab' ich bei Tag geschrieben.
Bettine.
ein Schariwari, mir war Angſt, es möcht' unſerm Herr- gott zu viel werden; ſo kam's auch: er ſetzte ein Ge- witter dagegen und donnerte laut genug, ſie haben ihn übertäubt, aber der gewaltige Regenguß hat die lieben Wallfahrter aus einander gejagt, die da im Gras la- gen, wohl tauſende und zechten; — ich hab' grad' kei- nen empfindſamen Reſpekt vor der Natur, aber ich kann's doch nicht leiden, wenn ſie ſo beſchmutzt wird mit Papier und Wurſtzipfel und zerbrochnen Tellern und Flaſchen, wie hier auf dem großen grünen Plan, wo das Kreuz zwiſchen Linden aufgerichtet ſteht, wo der Wandrer, den die Nacht überraſcht, gern Nachtruhe hält und ſich geſchützt glaubt durch den geweihten Ort. — Ich kann Ihr ſagen, mir war ganz unheimlich; ich bin heut noch caput. Ich ſeh' lieber die Lämmer auf dem Kirchhof weiden, als die Menſchen in der Kirch'; und die Lilien auf dem Feld', die ohne zu ſpinnen, doch vom Thau genährt ſind, — als die langen Prozeſſionen drü- ber ſtolpern, und ſie im ſchönſten Flor zertreten. Ich ſag' Ihr gute Nacht, heut hab' ich bei Tag geſchrieben.
Bettine.
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ein Schariwari, mir war Angſt, es möcht' unſerm Herr-
gott zu viel werden; ſo kam's auch: er ſetzte ein Ge-
witter dagegen und donnerte laut genug, ſie haben ihn
übertäubt, aber der gewaltige Regenguß hat die lieben
Wallfahrter aus einander gejagt, die da im Gras la-
gen, wohl tauſende und zechten; — ich hab' grad' kei-
nen empfindſamen Reſpekt vor der Natur, aber ich
kann's doch nicht leiden, wenn ſie ſo beſchmutzt wird
mit Papier und Wurſtzipfel und zerbrochnen Tellern und
Flaſchen, wie hier auf dem großen grünen Plan, wo
das Kreuz zwiſchen Linden aufgerichtet ſteht, wo der
Wandrer, den die Nacht überraſcht, gern Nachtruhe hält
und ſich geſchützt glaubt durch den geweihten Ort. —
Ich kann Ihr ſagen, mir war ganz unheimlich; ich bin
heut noch caput. Ich ſeh' lieber die Lämmer auf dem
Kirchhof weiden, als die Menſchen in der Kirch'; und
die Lilien auf dem Feld', die ohne zu ſpinnen, doch vom
Thau genährt ſind, — als die langen Prozeſſionen drü-
ber ſtolpern, und ſie im ſchönſten Flor zertreten. Ich
ſag' Ihr gute Nacht, heut hab' ich bei Tag geſchrieben.
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 1. Berlin, 1835, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe01_1835/90>, abgerufen am 21.11.2024.
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