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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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Zeit auch keine Rosen hier bricht, so bricht sie doch der
Sturm, und falbe Blätter fliegen schon genug auf dem
nassen Sandboden; wann wird denn eine gütige Sonne
die Früchte an meinem Lebensbaum reifen, daß ich ernd-
ten kann Kuß um Kuß? --

Einen Weg geh ich alle Tage, jede Staude, jedes
Gräschen ist mir auf diesem bekannt, ja, die Sandstein-
chen im Kiesweg hab ich mir schon betrachtet. Dieser
Weg führt nicht zu Dir, und doch wird er mir täglich
lieber, wenn mich nun einer gewohnt würde zu Dir zu
tragen, wie würden da Blumen und Kräuter erst mit
mir bekannt werden, und daß mir stets das Herz pochte
bis an deine Schwelle, und allen Liebreiz hätte auf die-
sem Weg jeder Schritt.

Vom Kronprinz weiß ich Gutes, er hat mit den
Gefangnen, die man hart behandelte und hungern ließ,
zu Mittag gegessen. Die Kartoffeln waren gezählt, er
theilte treulich mit ihnen, seitdem werden sie gut be-
dient und er hat ein scharfes Auge darauf; das hab
ich durch seinen getreuen Bob, der die ausführliche Er-
zählung mit etlichen Freudenthränen begleitete. Sein
kaltes Blut mitten in Gefahren, seine Ausdauer bei al-
len Mühen und Lasten werden auch noch anderweitig
gerühmt, und immer ist er dabei bedacht, nutzlosen Grau-

sam-

Zeit auch keine Roſen hier bricht, ſo bricht ſie doch der
Sturm, und falbe Blätter fliegen ſchon genug auf dem
naſſen Sandboden; wann wird denn eine gütige Sonne
die Früchte an meinem Lebensbaum reifen, daß ich ernd-
ten kann Kuß um Kuß? —

Einen Weg geh ich alle Tage, jede Staude, jedes
Gräschen iſt mir auf dieſem bekannt, ja, die Sandſtein-
chen im Kiesweg hab ich mir ſchon betrachtet. Dieſer
Weg führt nicht zu Dir, und doch wird er mir täglich
lieber, wenn mich nun einer gewohnt würde zu Dir zu
tragen, wie würden da Blumen und Kräuter erſt mit
mir bekannt werden, und daß mir ſtets das Herz pochte
bis an deine Schwelle, und allen Liebreiz hätte auf die-
ſem Weg jeder Schritt.

Vom Kronprinz weiß ich Gutes, er hat mit den
Gefangnen, die man hart behandelte und hungern ließ,
zu Mittag gegeſſen. Die Kartoffeln waren gezählt, er
theilte treulich mit ihnen, ſeitdem werden ſie gut be-
dient und er hat ein ſcharfes Auge darauf; das hab
ich durch ſeinen getreuen Bob, der die ausführliche Er-
zählung mit etlichen Freudenthränen begleitete. Sein
kaltes Blut mitten in Gefahren, ſeine Ausdauer bei al-
len Mühen und Laſten werden auch noch anderweitig
gerühmt, und immer iſt er dabei bedacht, nutzloſen Grau-

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[96/0106] Zeit auch keine Roſen hier bricht, ſo bricht ſie doch der Sturm, und falbe Blätter fliegen ſchon genug auf dem naſſen Sandboden; wann wird denn eine gütige Sonne die Früchte an meinem Lebensbaum reifen, daß ich ernd- ten kann Kuß um Kuß? — Einen Weg geh ich alle Tage, jede Staude, jedes Gräschen iſt mir auf dieſem bekannt, ja, die Sandſtein- chen im Kiesweg hab ich mir ſchon betrachtet. Dieſer Weg führt nicht zu Dir, und doch wird er mir täglich lieber, wenn mich nun einer gewohnt würde zu Dir zu tragen, wie würden da Blumen und Kräuter erſt mit mir bekannt werden, und daß mir ſtets das Herz pochte bis an deine Schwelle, und allen Liebreiz hätte auf die- ſem Weg jeder Schritt. Vom Kronprinz weiß ich Gutes, er hat mit den Gefangnen, die man hart behandelte und hungern ließ, zu Mittag gegeſſen. Die Kartoffeln waren gezählt, er theilte treulich mit ihnen, ſeitdem werden ſie gut be- dient und er hat ein ſcharfes Auge darauf; das hab ich durch ſeinen getreuen Bob, der die ausführliche Er- zählung mit etlichen Freudenthränen begleitete. Sein kaltes Blut mitten in Gefahren, ſeine Ausdauer bei al- len Mühen und Laſten werden auch noch anderweitig gerühmt, und immer iſt er dabei bedacht, nutzloſen Grau- ſam-

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/106>, abgerufen am 24.11.2024.