sie bekleiden ihn, knöpfen ihm die Unterweste zu, sie reichen ihm Medizin, will er ausgehn so ist's zu rauh, will er zu Hause bleiben so muß er sich Bewegung ma- chen. Geht er auf die Akademie so wird der Nymbus geschneutzt damit er recht hell leuchte: Da ziehen sie ihm ein Hemd von Batist an mit frischem Jabot und Manschetten und einem Pelzrock mit prächtigem Zobel gefüttert, der Wärmkorb wird vorangetragen, kommt er aus der Sitzung zurück, so muß er ein bischen schlafen nicht ob er will; so gehts' bis zum Abend in fortwäh- rendem Wiederspruch, wo sie ihm die Nachtmütze über die Ohren ziehen und ihn zu Bette führen.
Der Geist: auch unwillkührlich bahnt sich eine Frei- stätte in der ihn nichts hindert zu walten nach seinem Recht; was diesem nicht Eintrag thut wird er gern der Willkühr andrer überlassen. Das hat die Mutter oft an Dir gepriesen, daß deine Würde aus deinem Geist fließe, und daß Du einer andern nie nachgestrebt ha- best; die Mutter sagte: Du sei'st dem Genius treu, der Dich in's Paradies der Weisheit führt, Du genießest alle Früchte die er Dir anbietet, daher blühen Dir immer wieder neue schon während Du die ersten verzehrst. Lotte und Lehne aber, verbieten dem Jacobi das Den- ken als schädlich, und er hat mehr Zutrauen zu ihnen
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ſie bekleiden ihn, knöpfen ihm die Unterweſte zu, ſie reichen ihm Medizin, will er ausgehn ſo iſt's zu rauh, will er zu Hauſe bleiben ſo muß er ſich Bewegung ma- chen. Geht er auf die Akademie ſo wird der Nymbus geſchneutzt damit er recht hell leuchte: Da ziehen ſie ihm ein Hemd von Batiſt an mit friſchem Jabot und Manſchetten und einem Pelzrock mit prächtigem Zobel gefüttert, der Wärmkorb wird vorangetragen, kommt er aus der Sitzung zurück, ſo muß er ein bischen ſchlafen nicht ob er will; ſo gehts' bis zum Abend in fortwäh- rendem Wiederſpruch, wo ſie ihm die Nachtmütze über die Ohren ziehen und ihn zu Bette führen.
Der Geiſt: auch unwillkührlich bahnt ſich eine Frei- ſtätte in der ihn nichts hindert zu walten nach ſeinem Recht; was dieſem nicht Eintrag thut wird er gern der Willkühr andrer überlaſſen. Das hat die Mutter oft an Dir geprieſen, daß deine Würde aus deinem Geiſt fließe, und daß Du einer andern nie nachgeſtrebt ha- beſt; die Mutter ſagte: Du ſei'ſt dem Genius treu, der Dich in's Paradies der Weisheit führt, Du genießeſt alle Früchte die er Dir anbietet, daher blühen Dir immer wieder neue ſchon während Du die erſten verzehrſt. Lotte und Lehne aber, verbieten dem Jacobi das Den- ken als ſchädlich, und er hat mehr Zutrauen zu ihnen
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ſie bekleiden ihn, knöpfen ihm die Unterweſte zu, ſie
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will er zu Hauſe bleiben ſo muß er ſich Bewegung ma-
chen. Geht er auf die Akademie ſo wird der Nymbus
geſchneutzt damit er recht hell leuchte: Da ziehen ſie
ihm ein Hemd von Batiſt an mit friſchem Jabot und
Manſchetten und einem Pelzrock mit prächtigem Zobel
gefüttert, der Wärmkorb wird vorangetragen, kommt er
aus der Sitzung zurück, ſo muß er ein bischen ſchlafen
nicht ob er will; ſo gehts' bis zum Abend in fortwäh-
rendem Wiederſpruch, wo ſie ihm die Nachtmütze über
die Ohren ziehen und ihn zu Bette führen.
Der Geiſt: auch unwillkührlich bahnt ſich eine Frei-
ſtätte in der ihn nichts hindert zu walten nach ſeinem
Recht; was dieſem nicht Eintrag thut wird er gern der
Willkühr andrer überlaſſen. Das hat die Mutter oft
an Dir geprieſen, daß deine Würde aus deinem Geiſt
fließe, und daß Du einer andern nie nachgeſtrebt ha-
beſt; die Mutter ſagte: Du ſei'ſt dem Genius treu, der
Dich in's Paradies der Weisheit führt, Du genießeſt alle
Früchte die er Dir anbietet, daher blühen Dir immer
wieder neue ſchon während Du die erſten verzehrſt.
Lotte und Lehne aber, verbieten dem Jacobi das Den-
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/13>, abgerufen am 21.11.2024.
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