Stadt wohnte, oder darauf reiste. In Paris hatte man schon etwas ähnliches. Veranlasse ihn doch, noch je- mand vorzunehmen, den ich kenne, und schreibe seinen Namen, vielleicht gelingt ihm nicht alles wie das inte- ressante Bettinchen, fürwahr sie sitzt so treulich und herz- lich da, daß man dem etwas korpulenten Buche, das übrigens im Bilde recht gut komponirt, seine Stelle be- neiden muß. Das zerknillte Blättchen habe ich sogleich aufgezogen, mit einem braunen Rahmen umstrichen, und so steht es vor mir indem ich dies schreibe, sende ja bald bessere Abdrücke.
Albrecht Dürrer wäre ganz glücklich angekommen, wenn man nicht die unselige Vorsicht gehabt hätte, fei- nes Papier oben auf zu packen, das denn im Kleide an einigen Stellen gerieben hat, die jetzt restaurirt werden. Die Kopie verdient alle Achtung, sie ist mit großem Fleiß und mit einer ernsten, redlichen Absicht verfertigt, das Original möglichst wieder zu geben. Sage dem Künstler meinen Dank, Dir sag ich ihn täglich, wenn ich das Bild erblicke; ich möchte von diesem Pinsel wohl einmal ein Portrait nach der Natur sehen.
Da ich das Wort Natur abermals niederschreibe, so fühle ich mich gedrungen Dir zu sagen: daß Du doch dein Naturevangelium, das Du den Künstlern pre-
Stadt wohnte, oder darauf reiſte. In Paris hatte man ſchon etwas ähnliches. Veranlaſſe ihn doch, noch je- mand vorzunehmen, den ich kenne, und ſchreibe ſeinen Namen, vielleicht gelingt ihm nicht alles wie das inte- reſſante Bettinchen, fürwahr ſie ſitzt ſo treulich und herz- lich da, daß man dem etwas korpulenten Buche, das übrigens im Bilde recht gut komponirt, ſeine Stelle be- neiden muß. Das zerknillte Blättchen habe ich ſogleich aufgezogen, mit einem braunen Rahmen umſtrichen, und ſo ſteht es vor mir indem ich dies ſchreibe, ſende ja bald beſſere Abdrücke.
Albrecht Dürrer wäre ganz glücklich angekommen, wenn man nicht die unſelige Vorſicht gehabt hätte, fei- nes Papier oben auf zu packen, das denn im Kleide an einigen Stellen gerieben hat, die jetzt reſtaurirt werden. Die Kopie verdient alle Achtung, ſie iſt mit großem Fleiß und mit einer ernſten, redlichen Abſicht verfertigt, das Original möglichſt wieder zu geben. Sage dem Künſtler meinen Dank, Dir ſag ich ihn täglich, wenn ich das Bild erblicke; ich möchte von dieſem Pinſel wohl einmal ein Portrait nach der Natur ſehen.
Da ich das Wort Natur abermals niederſchreibe, ſo fühle ich mich gedrungen Dir zu ſagen: daß Du doch dein Naturevangelium, das Du den Künſtlern pre-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0142"n="132"/>
Stadt wohnte, oder darauf reiſte. In Paris hatte man<lb/>ſchon etwas ähnliches. Veranlaſſe ihn doch, noch je-<lb/>
mand vorzunehmen, den ich kenne, und ſchreibe ſeinen<lb/>
Namen, vielleicht gelingt ihm nicht alles wie das inte-<lb/>
reſſante Bettinchen, fürwahr ſie ſitzt ſo treulich und herz-<lb/>
lich da, daß man dem etwas korpulenten Buche, das<lb/>
übrigens im Bilde recht gut komponirt, ſeine Stelle be-<lb/>
neiden muß. Das zerknillte Blättchen habe ich ſogleich<lb/>
aufgezogen, mit einem braunen Rahmen umſtrichen,<lb/>
und ſo ſteht es vor mir indem ich dies ſchreibe, ſende<lb/>
ja bald beſſere Abdrücke.</p><lb/><p>Albrecht Dürrer wäre ganz glücklich angekommen,<lb/>
wenn man nicht die unſelige Vorſicht gehabt hätte, fei-<lb/>
nes Papier oben auf zu packen, das denn im Kleide an<lb/>
einigen Stellen gerieben hat, die jetzt reſtaurirt werden.<lb/>
Die Kopie verdient alle Achtung, ſie iſt mit großem<lb/>
Fleiß und mit einer ernſten, redlichen Abſicht verfertigt,<lb/>
das Original möglichſt wieder zu geben. Sage dem<lb/>
Künſtler meinen Dank, Dir ſag ich ihn täglich, wenn<lb/>
ich das Bild erblicke; ich möchte von dieſem Pinſel wohl<lb/>
einmal ein Portrait nach der Natur ſehen.</p><lb/><p>Da ich das Wort Natur abermals niederſchreibe,<lb/>ſo fühle ich mich gedrungen Dir zu ſagen: daß Du<lb/>
doch dein Naturevangelium, das Du den Künſtlern pre-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[132/0142]
Stadt wohnte, oder darauf reiſte. In Paris hatte man
ſchon etwas ähnliches. Veranlaſſe ihn doch, noch je-
mand vorzunehmen, den ich kenne, und ſchreibe ſeinen
Namen, vielleicht gelingt ihm nicht alles wie das inte-
reſſante Bettinchen, fürwahr ſie ſitzt ſo treulich und herz-
lich da, daß man dem etwas korpulenten Buche, das
übrigens im Bilde recht gut komponirt, ſeine Stelle be-
neiden muß. Das zerknillte Blättchen habe ich ſogleich
aufgezogen, mit einem braunen Rahmen umſtrichen,
und ſo ſteht es vor mir indem ich dies ſchreibe, ſende
ja bald beſſere Abdrücke.
Albrecht Dürrer wäre ganz glücklich angekommen,
wenn man nicht die unſelige Vorſicht gehabt hätte, fei-
nes Papier oben auf zu packen, das denn im Kleide an
einigen Stellen gerieben hat, die jetzt reſtaurirt werden.
Die Kopie verdient alle Achtung, ſie iſt mit großem
Fleiß und mit einer ernſten, redlichen Abſicht verfertigt,
das Original möglichſt wieder zu geben. Sage dem
Künſtler meinen Dank, Dir ſag ich ihn täglich, wenn
ich das Bild erblicke; ich möchte von dieſem Pinſel wohl
einmal ein Portrait nach der Natur ſehen.
Da ich das Wort Natur abermals niederſchreibe,
ſo fühle ich mich gedrungen Dir zu ſagen: daß Du
doch dein Naturevangelium, das Du den Künſtlern pre-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/142>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.