von 4 Fl. von dem alten Maler Robert aus Kassel, bei dem ich nichts gelernt habe; sie lachten mich alle aus, ich kann aber doch nicht lachen, denn ich hab ein bös Gewissen, ich weiß ja wenig was Geist, Seele und Herz für Prozesse mit einander führen, warum hab ich Dir denn allerlei geschrieben was ich nicht verantwor- ten kann? Du bist nicht böse auf mich, wie könnte mein unmündig Geschwätz Dich beleidigen, aber Du antwor- test nicht, weil ich ja doch nicht verstehe was Du sagen könntest, und so hat mich mein Aberwitz um mein Glück gebracht, und wer weiß wann Du wieder einlenkst. -- Ach, Glück! du läßt dich nicht meistern und nicht bil- den, wo du erscheinst, da bist du immer eigenthümlich, und vernichtest durch deine Unschuld alles planmäßige, alle Berechnung auf die Zukunft.
Unglück ist vielleicht die geheime Organisation des Glückes, ein flüssiger Demant, der zum Krystall an- sch[l]ießt, eine Krankheit der Sehnsucht, die zur Perle wird. O schreib mir bald.
Am 12. Januar 1810.
Bettine.
von 4 Fl. von dem alten Maler Robert aus Kaſſel, bei dem ich nichts gelernt habe; ſie lachten mich alle aus, ich kann aber doch nicht lachen, denn ich hab ein bös Gewiſſen, ich weiß ja wenig was Geiſt, Seele und Herz für Prozeſſe mit einander führen, warum hab ich Dir denn allerlei geſchrieben was ich nicht verantwor- ten kann? Du biſt nicht böſe auf mich, wie könnte mein unmündig Geſchwätz Dich beleidigen, aber Du antwor- teſt nicht, weil ich ja doch nicht verſtehe was Du ſagen könnteſt, und ſo hat mich mein Aberwitz um mein Glück gebracht, und wer weiß wann Du wieder einlenkſt. — Ach, Glück! du läßt dich nicht meiſtern und nicht bil- den, wo du erſcheinſt, da biſt du immer eigenthümlich, und vernichteſt durch deine Unſchuld alles planmäßige, alle Berechnung auf die Zukunft.
Unglück iſt vielleicht die geheime Organiſation des Glückes, ein flüſſiger Demant, der zum Kryſtall an- ſch[l]ießt, eine Krankheit der Sehnſucht, die zur Perle wird. O ſchreib mir bald.
Am 12. Januar 1810.
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von 4 Fl. von dem alten Maler Robert aus Kaſſel,
bei dem ich nichts gelernt habe; ſie lachten mich alle
aus, ich kann aber doch nicht lachen, denn ich hab ein
bös Gewiſſen, ich weiß ja wenig was Geiſt, Seele und
Herz für Prozeſſe mit einander führen, warum hab ich
Dir denn allerlei geſchrieben was ich nicht verantwor-
ten kann? Du biſt nicht böſe auf mich, wie könnte mein
unmündig Geſchwätz Dich beleidigen, aber Du antwor-
teſt nicht, weil ich ja doch nicht verſtehe was Du ſagen
könnteſt, und ſo hat mich mein Aberwitz um mein Glück
gebracht, und wer weiß wann Du wieder einlenkſt. —
Ach, Glück! du läßt dich nicht meiſtern und nicht bil-
den, wo du erſcheinſt, da biſt du immer eigenthümlich,
und vernichteſt durch deine Unſchuld alles planmäßige,
alle Berechnung auf die Zukunft.
Unglück iſt vielleicht die geheime Organiſation des
Glückes, ein flüſſiger Demant, der zum Kryſtall an-
ſchließt, eine Krankheit der Sehnſucht, die zur Perle wird.
O ſchreib mir bald.
Am 12. Januar 1810.
Bettine.
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/164>, abgerufen am 21.11.2024.
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