bäude stehen in kleinen Modellen um uns her in einem großen Saal, und da sind der Aufgaben so viele die ich zu lösen habe, daß ich Abends oft ganz müde bin, es hindert mich jedoch nicht, Morgens den Sonnenauf- gang auf dem Peteetsch zu erwarten, ein Berg der rund ist wie ein Backofen und hiervon den Namen trägt, (denn Pedeetsch heißt auf böhmisch Backofen) etwas er- höht über hundert seines gleichen, die wie ein großes Lager von Zelten ihn umgeben, da seh ich denn aber- mals und abermals die Welt dem Licht erwachen; allein und einsam wie ich bin kämpft's in meiner Seele, müßte ich länger hier bleiben, so schön es auch ist, ich könnt's nicht aushalten. Vor kurzem war ich noch in der gro- ßen Wienstadt, ein Treiben, ein Leben unter den Men- schen als ob es nie aufhören sollte, da wurden in Ge- meinschaft die üppigen Frühlingstage verlebt, in schönen Kleidern ging man gesellig umher. Jeder Tag brachte neue Freude und jeder Genuß wurde eine Quelle inte- ressanter Mittheilungen, über das alles hinaus ragte mir Beethoven, der große übergeistige, der uns in eine unsichtbare Welt einführte, und der Lebenskraft einen Schwung gab, daß man das eigne beschränkte Selbst zu einem Geisteruniversum erweitert fühlte. Schade daß er nicht hier ist in dieser Einsamkeit, daß ich über sei-
bäude ſtehen in kleinen Modellen um uns her in einem großen Saal, und da ſind der Aufgaben ſo viele die ich zu löſen habe, daß ich Abends oft ganz müde bin, es hindert mich jedoch nicht, Morgens den Sonnenauf- gang auf dem Peteetſch zu erwarten, ein Berg der rund iſt wie ein Backofen und hiervon den Namen trägt, (denn Pedeetſch heißt auf böhmiſch Backofen) etwas er- höht über hundert ſeines gleichen, die wie ein großes Lager von Zelten ihn umgeben, da ſeh ich denn aber- mals und abermals die Welt dem Licht erwachen; allein und einſam wie ich bin kämpft's in meiner Seele, müßte ich länger hier bleiben, ſo ſchön es auch iſt, ich könnt's nicht aushalten. Vor kurzem war ich noch in der gro- ßen Wienſtadt, ein Treiben, ein Leben unter den Men- ſchen als ob es nie aufhören ſollte, da wurden in Ge- meinſchaft die üppigen Frühlingstage verlebt, in ſchönen Kleidern ging man geſellig umher. Jeder Tag brachte neue Freude und jeder Genuß wurde eine Quelle inte- reſſanter Mittheilungen, über das alles hinaus ragte mir Beethoven, der große übergeiſtige, der uns in eine unſichtbare Welt einführte, und der Lebenskraft einen Schwung gab, daß man das eigne beſchränkte Selbſt zu einem Geiſteruniverſum erweitert fühlte. Schade daß er nicht hier iſt in dieſer Einſamkeit, daß ich über ſei-
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[211/0221]
bäude ſtehen in kleinen Modellen um uns her in einem
großen Saal, und da ſind der Aufgaben ſo viele die
ich zu löſen habe, daß ich Abends oft ganz müde bin,
es hindert mich jedoch nicht, Morgens den Sonnenauf-
gang auf dem Peteetſch zu erwarten, ein Berg der rund
iſt wie ein Backofen und hiervon den Namen trägt,
(denn Pedeetſch heißt auf böhmiſch Backofen) etwas er-
höht über hundert ſeines gleichen, die wie ein großes
Lager von Zelten ihn umgeben, da ſeh ich denn aber-
mals und abermals die Welt dem Licht erwachen; allein
und einſam wie ich bin kämpft's in meiner Seele, müßte
ich länger hier bleiben, ſo ſchön es auch iſt, ich könnt's
nicht aushalten. Vor kurzem war ich noch in der gro-
ßen Wienſtadt, ein Treiben, ein Leben unter den Men-
ſchen als ob es nie aufhören ſollte, da wurden in Ge-
meinſchaft die üppigen Frühlingstage verlebt, in ſchönen
Kleidern ging man geſellig umher. Jeder Tag brachte
neue Freude und jeder Genuß wurde eine Quelle inte-
reſſanter Mittheilungen, über das alles hinaus ragte
mir Beethoven, der große übergeiſtige, der uns in eine
unſichtbare Welt einführte, und der Lebenskraft einen
Schwung gab, daß man das eigne beſchränkte Selbſt
zu einem Geiſteruniverſum erweitert fühlte. Schade daß
er nicht hier iſt in dieſer Einſamkeit, daß ich über ſei-
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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 211. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/221>, abgerufen am 24.11.2024.
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