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Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835.

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auch zum erstenmal hört daß die Weisheit schon altes
abgedroschenes Zeug ist. -- Ihre französische Einquar-
tierung mußte ihr viel vom Napoleon erzählen, da fühlte
sie mit, alle Schauer der Begeisterung; sie sagte: der ist
der Rechte, der in allen Herzen wiederhallt mit Entzücken,
höheres giebt es nichts, als daß sich der Mensch im Men-
schen fühlbar mache, und so steigere sich die Seeligkeit
durch Menschen und Geister wie durch eine elektrische Kette,
um zuletzt als Funken in das himmlische Reich überzu-
springen. -- Die Poesie sei dazu, um das edle, ein-
fache, große aus den Krallen des Philisterthums zu ret-
ten, alles sei Poesie in seiner Ursprünglichkeit, und der
Dichter sei dazu, diese wieder hervorzurufen, weil alles
nur als Poesie sich verewige; ihre Art zu denken hat
sich mir tief eingeprägt, ich kann mir in ihrem Sinn
auf alles Antwort geben, sie war so entschieden, daß die
allgemeine Meinung durchaus keinen Einfluß auf sie
hatte, es kam eben alles aus so tiefem Gefühl, sie sagte
mir oft, ihre Vorliebe für mich sei blos aus der ver-
kehrten Meinung andrer Leute entstanden, da habe sie
gleich geahnet, daß sie mich besser verstehen werde. --
Nun, ich werde mich noch auf alles besinnen, denn mein
Gedächtniß wird mir doch nicht weniger treu sein wie
mein Herz. Am Pfingstfest in ihrem letzten Lebensjahr,

auch zum erſtenmal hört daß die Weisheit ſchon altes
abgedroſchenes Zeug iſt. — Ihre franzöſiſche Einquar-
tierung mußte ihr viel vom Napoleon erzählen, da fühlte
ſie mit, alle Schauer der Begeiſterung; ſie ſagte: der iſt
der Rechte, der in allen Herzen wiederhallt mit Entzücken,
höheres giebt es nichts, als daß ſich der Menſch im Men-
ſchen fühlbar mache, und ſo ſteigere ſich die Seeligkeit
durch Menſchen und Geiſter wie durch eine elektriſche Kette,
um zuletzt als Funken in das himmliſche Reich überzu-
ſpringen. — Die Poeſie ſei dazu, um das edle, ein-
fache, große aus den Krallen des Philiſterthums zu ret-
ten, alles ſei Poeſie in ſeiner Urſprünglichkeit, und der
Dichter ſei dazu, dieſe wieder hervorzurufen, weil alles
nur als Poeſie ſich verewige; ihre Art zu denken hat
ſich mir tief eingeprägt, ich kann mir in ihrem Sinn
auf alles Antwort geben, ſie war ſo entſchieden, daß die
allgemeine Meinung durchaus keinen Einfluß auf ſie
hatte, es kam eben alles aus ſo tiefem Gefühl, ſie ſagte
mir oft, ihre Vorliebe für mich ſei blos aus der ver-
kehrten Meinung andrer Leute entſtanden, da habe ſie
gleich geahnet, daß ſie mich beſſer verſtehen werde. —
Nun, ich werde mich noch auf alles beſinnen, denn mein
Gedächtniß wird mir doch nicht weniger treu ſein wie
mein Herz. Am Pfingſtfeſt in ihrem letzten Lebensjahr,

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[215/0225] auch zum erſtenmal hört daß die Weisheit ſchon altes abgedroſchenes Zeug iſt. — Ihre franzöſiſche Einquar- tierung mußte ihr viel vom Napoleon erzählen, da fühlte ſie mit, alle Schauer der Begeiſterung; ſie ſagte: der iſt der Rechte, der in allen Herzen wiederhallt mit Entzücken, höheres giebt es nichts, als daß ſich der Menſch im Men- ſchen fühlbar mache, und ſo ſteigere ſich die Seeligkeit durch Menſchen und Geiſter wie durch eine elektriſche Kette, um zuletzt als Funken in das himmliſche Reich überzu- ſpringen. — Die Poeſie ſei dazu, um das edle, ein- fache, große aus den Krallen des Philiſterthums zu ret- ten, alles ſei Poeſie in ſeiner Urſprünglichkeit, und der Dichter ſei dazu, dieſe wieder hervorzurufen, weil alles nur als Poeſie ſich verewige; ihre Art zu denken hat ſich mir tief eingeprägt, ich kann mir in ihrem Sinn auf alles Antwort geben, ſie war ſo entſchieden, daß die allgemeine Meinung durchaus keinen Einfluß auf ſie hatte, es kam eben alles aus ſo tiefem Gefühl, ſie ſagte mir oft, ihre Vorliebe für mich ſei blos aus der ver- kehrten Meinung andrer Leute entſtanden, da habe ſie gleich geahnet, daß ſie mich beſſer verſtehen werde. — Nun, ich werde mich noch auf alles beſinnen, denn mein Gedächtniß wird mir doch nicht weniger treu ſein wie mein Herz. Am Pfingſtfeſt in ihrem letzten Lebensjahr,

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Zitationshilfe: Arnim, Bettina von: Goethe's Briefwechsel mit einem Kinde. Bd. 2. Berlin, 1835, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_goethe02_1835/225>, abgerufen am 24.11.2024.